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            |  |  | Teil 8   |  |  |   
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            |  | Wie besprochen sahen Francesco und ich uns im Neuen Jahr den  privaten Balmoral Kindergarten an. Und ich musste zugeben, dass es eine  ausgezeichnete Einrichtung war. Die Ausstattung war auf dem neusten Stand und  die Erzieherinnen machten einen sehr netten und kompetenten Eindruck. Wir  meldeten Lottchen also an. Gerade in den ersten Wochen blieb ich noch lange bei  ihr, damit sie sich langsam daran gewöhnen konnte, von mir längere Zeit  getrennt zu sein. Aber ich merkte schnell, dass es ihr im Kindergarten viel  Spaß machte. Ich lernte auch die Eltern der übrigen Kinder kennen und musste erkennen,  dass sie wirklich alle reich, aber trotzdem sehr freundlich waren. Nein, es  würde Lottchen sicher nicht schaden, diesen Kindergarten zu besuchen, auch wenn  sie nun Thassilo und Rocky nicht mehr so oft sah wie früher. |   
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            |  | Jetzt wo Lottchen tagsüber im Kindergarten war, konnte ich mich  dem Vorwurf meiner Schwiegermutter stellen und mich intensiver um meine  Verpflichtungen als Lady von Rodaklippa kümmern. Ich begann also, mich öfters  mit den anderen Ladys der Provinz Simskelad zu treffen. Zunächst fiel mir das  aufgrund meiner Schüchternheit sehr schwer. Doch als ich die Frauen besser und  besser kennenlernte, begann ich unsere regelmäßigen Treffen sogar zu genießen.  Insbesondere mit der gutmütigen alten Lady Sibille Lachsigton von Mörksjön und  der aufgeweckten Lady Graziella Forstwacht von Djupenskog verband mich schon  bald eine innige Freundschaft. Regelmäßig besuchte ich die beiden auf ihren  Anwesen in Rodaklippas Nachbarstädten Mörksjön und Djupenskog, und im Gegenzug  waren sie auch häufig Gast in meinem Haus.  |  |  |   
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            |  |  | Aber ich engagierte mich auch verstärkt für unsere Stadt. Zu  Beginn meiner Ehe mit Francesco waren mir alle öffentlichen Auftritte sehr  unangenehm. Es fiel mir schwer, mich von fremden Menschen begutachten zu  lassen. Doch zu meiner eigenen Überraschung wurde ich von der Presse stets in  einem sehr positiven Licht dargestellt. Das nahm mir die Angst und mit der Zeit  konnte ich mich schon sehr viel unbefangener in der Öffentlichkeit bewegen.  Termine wie die Eröffnung des Sommerfestes, bereiteten mir inzwischen sogar  richtig Freude. |  |   
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            |  | Und ich nutzte meine Stellung als Lady Hartfels, um etwas  Gutes zu bewirken. Alexis führte mich in zahlreiche wohltätige Organisationen  ein. Ich war somit fortan damit beschäftigt, Spendengalas und Tombolas zu  organisieren, wobei meine wichtigste Aufgabe darin bestand, meinen Namen und  mein Gesicht zur Verfügung zu stellen. Ich konnte es mir nicht erklären, aber  die Leute waren sehr viel eher dazu bereit etwas für einen guten Zweck zu  spenden, wenn sie von Lady Hartfels darum gebeten wurden. Noch eher waren sie  zu einer Spende geneigt, wenn sie dafür auch etwas geboten bekamen. Wenn ich  sie mit meinem Gitarrenspiel erfreute, dann sprudelte das Geld regelrecht.  Meine Schwiegermutter rümpfte über  derartig öffentliche Zurschaustellung  zwar die Nase, aber da wir dadurch ungeahnte Summen einnahmen, war selbst sie  zum Schweigen verurteilt.  |  |   
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            |  | Noch besser kamen die Aktionen an, bei denen ich eines  meiner Bilder versteigerte. Regelmäßig fanden Auktionen statt, aus deren Erlös  Projekte im städtischen Krankenhaus, dem Kindergarten oder in der Schule  finanziert wurden.  |  |   
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            |  | Darüber hinaus begann ich mich auch verstärkt für Francescos  Arbeit zu interessieren. Ich mischte mich niemals in das politische  Tagesgeschehen ein, aber ich begleitete ihn nun öfters zu den öffentlichen  Sitzungen des Stadtrates und lernte dabei seine Mitarbeiter und die übrigen,  frei gewählten, Ratsmitglieder kennen.  |  |  |   
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            |  |  | Gerade dies brachte Francesco und mich enger zusammen. Denn  in den folgenden Monaten und Jahren unserer Beziehung kamen wir uns auf  Gefühlsebene kaum näher. Wir schliefen regelmäßig miteinander und ab und zu  zeigten wir uns auch Zuneigung, die über rein körperliche Bedürfnisse hinaus  ging. Aber es wurde immer deutlicher, dass es zwischen uns keine Liebe gab. Diese Erkenntnis fiel mir schwer  und ein letzter Funken Hoffnung bewahrte ich mir in meinem Herzen. Aber ich  wartete nicht mehr darauf, dass sich die Liebe zwischen uns einstellen würde. Dafür  knüpfte mein aufrichtiges Interesse an Francescos Arbeit ein anderes Band  zwischen uns. Ohne dass wir es beabsichtigt hätten, wurden wir so etwas wie  Kollegen. Francesco erkannte, dass er mit mir über die politischen  Entscheidungen in Stadtrat sprechen konnte. Meine, zugegebenermaßen oft recht  naiven, Ansichten brachten ihn zum Nachdenken und eröffneten ihm neue  Perspektiven. Und er fand in mir eine wahre Unterstützung bei seinen  Vorbereitungen und Recherchen.  |  |   
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            |  | Doch was immer ich auch tat, es war nie genug, um Lady  Eleonore zufrieden zu stellen. Und mit jedem Erfolg, den ich als Lady Hartfels  zu verzeichnen hatte, fand sie etwas anderes, was sie an mir auszusetzen hatte.  Insbesondere ein Thema hatte es ihr angetan. „Klaudia, die Sprechstundenhilfe  meines Gynäkologen teile mir mit, dass du dir immer noch keinen Termin hast  geben lassen. Ich dachte, wir wären uns nach unserem letzten Gespräch einig  gewesen, dass du dich dringend untersuchen lassen solltest.“  |  |   
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            |  | „Nein, Eleonore, du warst dir einig, dass ich dorthin gehen  sollte“, entgegnete ich meiner Schwiegermutter gereizt. „Ich habe dir nämlich  deutlich zu verstehen gegeben, dass ich mit meinem jetzigen Gynäkologen sehr  zufrieden bin.“ Seit Monaten ging es darum, dass ich nicht erneut schwanger wurde.  Francesco und ich hatten zwar nie über weitere Kinder gesprochen, aber da wir  nicht verhüteten, war es abzusehen, dass es früher oder später dazu kommen  würde. Zumindest sollte man das meinen. Allerdings waren seit Lottchen Geburt  nun sechs Jahre vergangen und ich war immer noch nicht schwanger.  |  |   
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            |  |  | Dabei hätte ich mir doch so gerne noch ein zweites Kind  gewünscht. Ich wollte immer eine große Familie haben. Und vermutlich hatte auch  Lady Eleonore sich das für ihren Sohn erhofft. Ich konnte ihre Frustration  daher teilweise nachvollziehen. Denn auch ich war frustriert. Ich hatte mich  schon vor drei Jahren gründlich untersuchen lassen. Doch die Ärzte konnten  keinen Grund feststellen, warum ich nicht erneut schwanger werden könnte. Das  hatte ich Eleonore auch schon des Öfteren erklärt und tat es auch heute. „Du  könntest dennoch noch einmal zu meinem Arzt gehen. Es kann ja nicht schaden“,  entgegnete sie, wobei ihrer Stimme anzuhören war, dass sie nicht mehr darauf  pochen würde. Zumindest heute nicht mehr.  |  |   
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            | Obwohl ich mir ein weiteres Kind wünschte, würde ich dennoch  nicht zu Eleonores Arzt gehen. Denn ich war mir sicher, dass er trotz seiner  Schweigepflicht das Ergebnis der Untersuchung sofort meiner Schwiegermutter  melden würde. Und meine Gesundheit ging nur mich ganz alleine etwas an. Als  Eleonore gegangen war, setzte ich mich in den Garten. Doch trotz des schönen  Wetters war meine gute Laune nach ihrem Besuch dahin. Selbst wenn ich zu ihrem  Arzt gegangen wäre, so hätte das nichts geändert, davon war ich überzeugt. Das  Problem lag nicht an mir. Ich fürchtete eher, dass Francesco derjenige war, der  seinen Arzt auf unser spezielles Problem ansprechen sollte. Und ich hatte das  auch schon einmal angedeutet, gleich noch meiner ersten Untersuchung vor über drei  Jahren. Francescos entsetzt-beschämte Miene würde ich nie vergessen. Es hatte zwei  Wochen gedauert, bis er mir danach wieder in die Auge blicken konnte. Nein, ich  würde ihn ganz sicher nicht noch einmal bitten, einen Arzt aufzusuchen.  Vielleicht würde ich ja irgendwann doch noch schwanger werden. Aber so wie ich  die Hoffnung auf Liebe schon vor längerem beiseitegelegt hatte, musste ich wohl  auch die Hoffnung auf ein weiteres Kind ablegen.  |  |  
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            |  |  | Aber ich hatte ja mein Lottchen, meinen kleinen  Sonnenschein. Es war unglaublich, wie schnell sie groß wurde. Gerade noch  krabbelte sie auf allen Vieren durchs Anwesen und heute war doch schon  tatsächlich der Tag ihrer Einschulung. Wo waren die Jahre bloß geblieben? |  |   
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            |  | Doch nicht nur Lottchen, auch mein Neffe Thassilo wurde  heute eingeschult. Die beiden kamen zwar in unterschiedliche Klassen, aber sie  würden sich sicher häufig auf dem Pausenhof sehen. Immerhin waren die beiden  beste Freunde.  |  |   
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            |  | Magdas Sohn Rocky würde erst nächstes Jahr eingeschult  werden. Er hatte erst lange geweint, weil er doch zusammen mit seinen Freunden zur  Schule gehen wollte. Doch das schöne neue Spielzeugboot, das er von meinen  Eltern geschenkt bekommen hatte, tröstete ihn wieder. |  |   
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            |  |  | Natürlich hatte es bei der Wahl der Schule für Lottchen  wieder einmal Streit mit Eleonore gegeben. Da es im Gegensatz zum Kindergarten  keine Privatschule in Rodaklippa gab, hatte sie darauf gepocht, Lottchen auf  ein Nobelinternat in Simnorsk zu schicken. Glücklicherweise hatte Francesco in  dieser Frage voll hinter mir gestanden und die Sache war schnell vom Tisch.  Aber meine Schwiegermutter machte mir das Leben dennoch schwer, wo immer sie konnte.  Und es wurde auch nicht dadurch leichter, dass meine Tochter ihre Oma  abgöttisch liebte. Und ganz offenbar beruhte das auf Gegenseitigkeit. Ich  schämte mich dafür, aber wenn ich die beiden so liebevoll miteinander umgehen  sah, dann versetzte es mir jedes Mal einen kleinen Stich. |  |   
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            | Zur Einschulung seines Sohnes war mein kleiner Bruder Sky  extra aus Nantesim angereist. Nach dem Abitur hat er an der dortigen  Universität wie geplant mit dem Jurastudium begonnen. Und es fehlte nicht mehr  viel, bevor er seinen erfolgreichen Abschluss in den Händen halten konnte. Und  dann wollte er zurück nach Rodaklippa kommen. Zurück zu seinem Sohn und auch  zurück zu Tamara. Die beiden hatten sich zunächst tatsächlich getrennt, als er  sein Studium aufgenommen hatte. Im Laufe der Jahre hatte ich ein oder zweimal  sogar den Namen eines anderen Mädchens aufgeschnappt, aber eine dauerhafte  Beziehung war mein Bruder nicht eingegangen. Ganz anders Tamara, die über zwei  Jahre mit einem jungen Mann zusammen war, den sie während ihrer Ausbildung  kennengelernt hatte. Doch so ganz waren Tamara und Sky nie voneinander los gekommen. Tamara  lebte mit Thassilo nach wie vor bei meinen Eltern und Sky war all die Jahre ein  regelmäßiger Gast. Daher war keiner allzu sehr überrascht, als die beiden händchenhaltend  zum Schulgebäude schlenderten. Ich wünschte den beiden aus ganzem Herzen, dass  sie glücklich werden würden.  |  |  |   
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            |  |  | Und ich sah auch genau, dass Thassilo sich darüber freute,  seine Eltern wieder vereint zu sehen. Wer konnte es ihm das schon verübeln?  Auch ich hatte mir nach der Trennung meiner Eltern nichts sehnlicher gewünscht,  als dass sie wieder zusammen kommen würden, was, wenn auch mit einigen Jahren  Verzögerung, schließlich funktioniert hatte. Schließling ertönte die  Schulglocke und eine der Grundschullehrerinnen forderte die i-Dötze auf, sich  von den Eltern zu verabschieden und sich am Schuleingang einzufinden. Noch  einmal drehten sich Lottchen und Thassilo zu uns um und winkten uns zu. |  |   
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            | Dann drehten sie sich um und traten durch die Tür des  Schulgebäudes in eine ganz neue Welt. Ein ganz neuer Lebensabschnitt würde  jetzt für die beiden beginnen und mir wurde schmerzlich bewusst, dass mein  kleines Mädchen erwachsen wurde. |  |    |