Kapitel 5
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Als ich zwei Serien von Bildern fertiggestellt hatte, rief ich Melinda an. Meine Galeristin war sofort Feuer und Flamme, hatte ich doch schon lange keine neuen Bilder mehr abgeliefert. Sie kam noch am selben Tag vorbei, um sich meine neusten Werke anzusehen. Obwohl ich das Prozedere fast schon auswendig kannte, war ich dennoch so aufgeregt wie beim ersten Mal, als ich ihr ein Bild präsentierte. Gespannt wartete ich auf ihr Urteil.

 
 
 

„Klaudia, diesmal haben Sie sich selbst übertroffen“, schwärmte Melinda. „Die Bilder sind fantastische. Die Motive, die Komposition, die technische Ausführung…das sind wahre Meisterwerke.“ Ich hört ihr mit offenem Mund zu. „Wir müssen sofort eine Ausstellung planen. Vielleicht könnten Sie ja noch einige weitere Bilder malen. Und dann sollten wir daran denken, die Bilder nicht nur hier in Rodaklippa, sondern auch in Simnorsk oder gleich in SimCity zu zeigen. Die Leute werden begeistert sein.“

 
     
 

Eine Ausstellung in SimCity war schon immer mein Traum gewesen. Melinda musste mich also nicht lange von dieser Idee überzeugen. Begeistert tauschten wir Ideen für weitere Bilder aus und Melinda begann sich schon Gedanken über die notwendige Werbung zu machen. Wir waren so in unser Gespräch vertieft, dass ich gar nicht bemerkte, wie meine Schwiegermutter, die im Garten mit Lottchen gespielt hatte, nun mit meiner Tochter auf dem Arm die Treppe hinaufstieg. Einen Moment blieb sie bei uns stehen und lauschte unsere Unterhaltung. Dann brachte sie Lottchen in ihr Zimmer.

 
     
 

Als sie wieder aus Lottchen Zimmer kam, standen Melinda und ich vor den beiden Bildern, die ich von meiner Tochter gemalte hatte. „Ich schätze, dass Sie sich von diesen beiden Bildern nicht trennen wollen, nicht wahr, Klaudia?“ „Nein, diese beiden stehen nicht zu Verfügung“, bejahte ich ihre Frage. „Zu schade, zu schade.“ Wir unterhielten uns noch einen Moment, doch dann musste Melinda auch wieder weiter. Aber wir machten einen Termin für nächste Woche aus, um weiter Details meiner Ausstellung zu besprechen.

 
   
 

Ich hatte Melinda gerade verabschiedet und die Tür kaum hinter mir geschlossen, als Lady Eleonore auch schon auf mich zu kam. Und sie sah nicht erfreut aus…ich meine noch weniger, als sie es ohnehin schon tat. „Klaudia, ich hoffe dir ist klar, dass du diese geplante Ausstellung augenblicklich absagen musst. Ich wollte dich nicht in Gegenwart einer Fremden belehren, aber für die Lady von Rodaklippa ist es undenkbar, dass sie Bilder zum Verkauf anbietet, wie eine einfache Straßenkünstlerin.“

 
   
 

Die Worte meiner Schwiegermutter waren wie ein Schlag ins Gesicht. „Aber…aber wieso?“, stammelte ich. „Es sind doch nur Bilder. Ich schade doch niemandem damit.“ „Klaudia, bist du denn wirklich so naiv? Dieser Frau, dieser Melinda, geht es doch in erster Linie gar nicht um deine Bilder, sondern lediglich um den Namen Hartfels. Was glaubst du was für eine Wirkung dein Name hat? Die Leute würden deine Bilder kaufen, egal was darauf zu sehen ist, alleine weil sie von der Lady von Rodaklippa gemalt wurden. Und was würde das für den Ruf unserer Familie bedeuten? Wir würden wie eine geldgierige Bande wirken, die vor nichts zurückschreckt, um ihren Reichtum weiter zu mehren. Die Presse würde sich ihr Maul über uns zerreißen. Und das Letzte was wir gebrauchen können, ist das wir in diesen ohnehin schwierigen Zeiten, in denen hinter jeder Ecke ein Republikaner lauert, der uns stürzen will, negativ beim Volk auffallen. Du hast doch selbst miterlebt, wie heftig die Proteste bei Francescos letzten öffentlichen Auftritten waren.“

 
     
 

„Und Kunst ist zudem ein so kontroverses Thema. Die Menschen interpretieren gerne Dinge in Bilder hinein, die sie dort sehen wollen. Bevorzug solche Dinge, die einen Skandal hervorrufen werden. Es ja spricht nichts dagegen, dass du zu deinem Vergnügen malst und mit den Bildern euer Haus verschönerst. Und wenn du ab und an eines deiner Bilder, bevorzugt harmlose Landschaften, dem Krankenhaus spendest oder sie bei einer wohltätigen Tombola als Preis zur Verfügung stellst, dann gewinnt unsere Familie dadurch sogar an Ansehen. Aber dass du mit deinen Bildern Geld verdienst, das ist undenkbar und völlig inakzeptabel. Klaudia, ich sage dir das nicht, um dich zu kränken oder weil es mir Spaß macht, dich zu quälen. Aber du bist jetzt die Lady von Rodaklippa und als solche musst du bei jeder deiner Handlungen darüber nachdenken, welche Auswirkungen diese auf deinen Mann und die Familie haben. Und wenn dir diese Weitsicht fehlt, dann sehe ich mich leider gezwungen, dich auf deine Fehler hinzuweisen.“

 
   

 

 

 
   
 

Ich befand mich in einer Schockstarre. Ich war nicht in der Lage, mich gegen meine Schwiegermutter aufzulehnen, und schon gar nicht ihr ein gutes Gegenargument zu liefern. Wie in Trance ging ich in Lottchens Zimmer, nachdem sie das Haus verlassen hatten. Ich nahm ein Buch aus dem Regal und begann meiner Tochter vorzulesen. Doch immer wieder stockte ich im Text, den mit meinen Gedanken war ich ganz wo anders. Ich würde keine Bilder mehr verkaufen könne. Dieser Gedanke war so furchtbar, dass ich ihn lange nicht fassen konnte. Doch dann wurde mir klar, dass ich ohne die Malerei, und dazu gehörte auch der Verkauf meiner Bilder, einfach nicht glücklich sein konnte.

 
   
 

Schon als ich hörte, wie der Schlüssel im Schloss gedreht wurde, sprang ich vom Sofa auf. Francesco schaffte es gerade noch, seine Aktentasche abzustellen, als ich auch schon auf ihn einstürmte. „Du musst mit deiner Mutter reden, Francesco! Sie hat gesagt, ich darf meine Bilder nicht mehr verkaufen. Nicht einmal ausstellen soll ich sie. Das würde sich für die Lady von Rodaklippa nicht gehören. Das kann nicht ihr Ernst sein! Du musst mit ihr reden!“

   
   
 

„Klaudia, nicht so hastig“, unterbrach er mich mit ruhiger Stimme. „Was genau ist denn vorgefallen, während ich im Rathaus war?“ Ich berichtete ihm von Melindas Besuch, den Ideen zur Ausstellung und der Reaktion seiner Mutter auf unsere Pläne. Doch leider merkte ich schnell, dass er meine Empörung über Lady Eleonores Aufforderung an mich nicht teilte. „Klaudia, Mutter hat vermutlich Recht. Mit dem Verkauf deiner Bilder könntest du wirklich ein ungünstiges Licht auf unsere Familie werfen. Ich verstehe, dass du nicht bloß tatenlos Zuhause rumsitzen möchtest. Aber in dem Fall findet Mutter sicher eine Position als Schirmherrin einer wohltätigen Organisation für dich. Das wird eindeutig der bessere Weg sein.“

 
     
 

Aber ich wollte nicht die Schirmherrin irgendeiner doofen Organisation sein! Ich wollte malen! Und das teilte ich Francesco auch lautstark mit. „Ich liebe meine Kunst und ich werde sie nicht aufgeben. Ich male schon seit ich ein Kind bin und ich bin gut darin, Francesco! Es ist die einzige Sache, in der ich wirklich gut bin, und das willst du mir mit deiner Mutter jetzt wegnehmen?“ „Klaudia, du darfst ja weiterhin malen. Mutter sagt nur…“ Doch jetzt platzte mir endgültig der Kragen. „Ich höre immer nur ‚Mutter sagt‘ und ‚Mutter will‘. Ich weiß, dass sie dir wichtig ist, Francesco, aber ich bin deine Frau! Ich! Du solltest auf meiner Seite stehen! Und jetzt verlange ich von dir, dass du zu ihr gehst und ihr erklärst, dass du damit einverstanden bist, dass ich meine Bilder weiterhin ausstellen und verkaufen kann, ganz egal, was sie davon hält.“

 
 

Ich erschrak selbst über meine Worte, kaum dass ich sie ausgesprochen hatte. Wo hatte ich bloß den Mut her genommen, so mit Francesco zu reden? Als ich nun in seine zusammengekniffenen Augen blickte, dich mich kalt anstarrten, hätte ich am liebsten alles zurückgenommen und ihn um Verzeihung angefleht. Doch dazu ließ er mir gar keine Möglichkeit, denn er drehte sich wortlos um und verließ mit einem lauten Türknallen das Haus.

   
   
   

Das Knallen der Tür war so laut, dass selbst Lottchen davon wach wurde, die zuvor noch in ihrem Bettchen geschlummert hatte. Vielleicht wäre ich Francesco ja nachgelaufen, aber das Weinen meiner Tochter konnte ich einfach nicht ignorieren und eilte umgehend in ihr Zimmer.

 
   
 

„Ist ja gut, mein Spätzchen“, beruhigte ich mein Mädchen und nahm sie auf den Arm. „Das war nur der Wind. Alles ist gut.“ Und unter meinen liebevollen Streicheleinheiten beruhigte sich Lottchen schnell wieder. Ich wünschte, meine Tränen wären auch so einfach getrocknet, doch sie bahnten sich gerade erst ihren Weg in die Freiheit. Ich hatte Angst. Angst weil ich wusste, dass Francesco wütend war und Angst, weil ich keine Ahnung hatte, wo er hingegangen sein könnte und wann er wiederkommen würde.

 
       
 

Nachdem Lottchen wieder eingeschlafen war, ging ich hinunter ins Wohnzimmer. Ich entfachte ein Feuer im Kamin, kochte mir einen Kräutertee, und setzte mich dann in einen der Sessel und beobachtete die lodernden Flammen. Mir blieb nichts anderes übrig als zu warten, bis Francesco wieder heim kehrte. Und schließlich hörte ich die sich öffnende Tür und Francescos Schritte, die auf mich zu kamen.

 
 
   

Eilig erhob ich mich aus dem Sessel und blickte Francesco erwartungsvoll an. Doch da ich so lange in das helle Feuer geblickt hatte, konnte ich sein Gesicht im Halbdunkeln kaum erkenne. „Es ist alles geklärt“, verkündete er grimmig. Doch dieser Unterton seiner Stimme ging in meiner Freude über seine folgenden Worte unter: „Ich habe deinem Wunsch entsprochen und Mutter mitgeteilt, dass du weiterhin beruflich als Malerin tätig sein wirst.“ Die Überraschung war mir deutlich ins Gesicht geschrieben.

 
     

„Das…das ist ja wunderbar“, jauchzte ich glücklich und ging auf Francesco zu, um ihn zu umarmen. Doch meiner Freunde wurde ein jähes Ende gesetzt. „Nichts ist daran wunderbar, Klaudia“, fuhr er mich an. „Du hast mich in eine unmögliche Situation gebracht. Ja, ich bin dein Mann und sollte dich unterstützen. Aber du als meine Frau solltest mir auch nicht das Messer an die Kehle setzen! Bring mich nie wieder in eine Situation, wo ich mich zwischen dir und meiner Mutter entscheiden muss. Hörst du Klaudia, nie wieder! Wenn du ein Problem mit ihr hast, dann kläre das in Zukunft selbst. Ich werde nicht deine Kämpfe für dich austragen und schon gar nicht gegen meine Mutter.“

   
   
   

Erschrocken wich ich zurück. Ich hatte Francesco noch nie so wütend erlebt. Wenn ich es recht bedachte, dann hatte ich ihn, mit Ausnahme von heute, noch nie wütend erlebt. Griesgrämig ja, aber niemals wütend. Und ihn so zu sehen machte mir Angst. „Es tut mir leid“, erwiderte ich mit bebender Stimme, nachdem er geendet hatte. „Das will ich auch hoffen“, war seine einzige Reaktion darauf, bevor er die Treppe hinaufstieg und in seinem Schlafzimmer verschwand.

 
   

Als er weg war begann ich erst heftig zu zittern, dann brachen wieder die Tränen hervor. Ich fühlte mich so elend. Es war eine Sache, von Francesco nicht geliebt zu werden. Aber zu sehen, wie wütend er auf mich war, war noch etwas ganz anderes. Ich lehnte mich gegen den Kaminsims und ließ meinen Gefühlen freien Lauf. Das Problem war nur, dass sich dadurch nichts verbessern würde. Ich hatte Francesco gegen mich aufgebracht und ich wusste nicht, wie ich das wieder gut machen konnte. Zu wissen, dass ich weiterhin als Malerin arbeiten konnte, war mir in dieser Situation nur ein kleiner Trost.

 

 

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kor. 02.08.2015