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1. Aufgabe

 

   
   
 

 

 

 
 
 

Das Taxi bog in eine ruhige Straße direkt hinter dem Sportstadion ein und hielt wenige Meter weiter vor einem grau verputzten Haus, das schon mal bessere Tage gesehen hatte. "So, Miss", sprach mich der Fahrer an, "wir sind am Ziel. Celia Gade 3. Das mach dann 25 §". Ich gab dem Fahrer sein Geld und für die 5 § Trinkgeld half er mir auch noch, meine beiden Koffer aus dem Wagen zu holen. Und dann stand ich vor meinem neuen Haus. Ich, Klaudia Blech, 23 Jahre jung und endlich bereit, auf eigenen Beinen zu stehen.

 
 
   
 

Diese Worte sollten mir eigentlich selbst Mut zusprechen, denn in Wahrheit hatte ich eine Heidenangst. Mein ganzes zukünftiges Leben war so unsicher. All die schönen Pläne, die meine Eltern für mich geschmiedet hatten, waren dahin und ich wusste nicht, ob ich alleine zurechtkommen würde. Aber ich musste es probieren. Also atmete ich tief durch und ging auf mein neues Häuschen zu. Die Tür knarzte gefährlich in den Angeln, doch sie öffnete sich und gab den Blick in ein dunkles, muffig riechendes Haus frei.

 
   
 
 

Nun, hübsch war wahrlich etwas anderes. Aber das Geld hat gerade einmal so für den Kauf dieses Haus gereicht. Mit nicht ganz 20000 § war es allerdings auch spotbillig. Und hey, es hatte doch alles Notwendige. Einen Fußboden, Wände, die halbwegs stabil aussahen und ein Dach über dem Kopf hatte ich auch. Aber mit dieser scheußlichen Cowboytapete würde ich vorerst wohl Vorlieb nehmen müssen. Nur was dringend fehlte waren die Möbel. Ein paar Simoleons hatte ich noch auf meinem Sparbuch. Für ein Bett und den ein oder anderen Beistelltisch würde das hoffentlich noch so ausreichen.

 
 
 
 

Und dann entdeckte ich bei meinem Rundgang durch und um das Haus eine tolle Überraschung. Halb überwuchert von einem Knetwegerich fand ich doch tatsächlich ein Fahrrad. Gut, seine besten Tage hatte das gute Stück schon längst hinter sich, aber ich hatte schon früh gelernt, dass man Dinge nie nach ihrem Äußeren bewerten sollte.

 
 
 
 
Der Lack war kaum noch zu erkennen und alle Metalteile waren von einer dicken Rostschicht überzogen. Aber alles was zum Fahren benötigt wurde, war vorhanden. Zwei Räder, eine rostige Kette und ein, zugegebenermaßen sehr dreckiger, Sattel. Die Reifen waren natürlich platt. Doch als ich versuchte das Fahrrad aus dem Gebüsch zu zerren, entdeckte ich auch eine alte Luftpumpe unter dem Knetwegerich. Und die Schläuche schienen noch dicht zu sein. Also schwang ich mich aufs Rad und begab mich zu meinem ersten Besuch in die Innenstadt von Rodaklippa.
 
 
   
 

Ich fand mich auf Anhieb zurecht, aber das war auch nicht verwunderlich, wenn man bedachte, dass Rodaklippa keine unbekannte Stadt für mich war. Ich war hier bereits gut vier Jahre zuhause gewesen, bevor ich an die Le Tour Akademie in Nantesim ging, um Mathematik zu studieren. Und meine Eltern und mein jüngerer Bruder Sky lebten immer noch in diesem beschaulichen Örtchen im Nordosten der SimNation. Ich wusste daher auch sehr gut, dass es hier keinen großen Möbelladen gab. Aber der ein oder andere Trödler bot schöne und auch günstige Sachen an. Vielleicht würde ich hier ja fündig werden.

 
   
 
 

Ich wusste, dass es einen Antiquitätenladen direkt neben dem China-Imbiss gab. Der verführerische Duft von Frühlingsrollen stieg mir in die Nase, als ich mein Fahrrad abstellte und an Mr. Lums Geschäft vorbei ging, doch ich wiederstand dem Drang und betrat stattdessen das Antiquariat. Die Auswahl war wie erwartet klein, auch wenn mir der grün, gelb gestreifte Sessel gut gefiel. Nur ein Bett würde ich hier wohl kaum finden.

 
 
 
 

Ich schaute mich in jeder Ecke des winzigen Ladens genau um, auf der Hoffnung, doch noch ein Bett zu finden. Aber es war hoffnungslos. Das bedeutete für mich jedoch, dass ich meinen ganzen Mut zusammennehmen musste um...um den Verkäufer anzusprechen. Ich hasste mich selbst dafür, aber ich war einfach unglaublich schüchtern. Einen fremden Menschen ansprechen zu müssen, war für mich jedes Mal eine Qual. Doch ich riss mich zusammen und ging zaghaft auf den Mann hinter dem Tresen zu. "Entschuldigung", flüsterte ich so leise und mit gesenktem Kopf, dass der Mann mich kaum verstehen konnte. "Entschuldigen Sie bitte", fügte ich etwas lauter hinzu, als der Mann sich immer noch nicht regte. Erst jetzt blickte er von seiner Zeitung auf. Es schien so, als ob er gerade erst in diesem Moment realisiert hätte, dass Kundschaft im Laden war. Sofort trat er hinter dem Tresen hervor.

 
 
   
 

"Kann ich Ihnen behilflich sein, Miss?", sprach er mich freundlich an. Doch weil er dabei noch einen Schritt näher auf mich zukam, fühlte ich mich plötzlich eingeengt und wich nach hinten aus. "Ich suche ein Bett", nuschelte ich mit gesenktem Kopf in meine Haare hinein. Offenbar so leise, dass mein Gegenüber mich nicht verstand, denn er kam noch näher auf mich zu. "Ein Bett!", wiederholte ich jetzt lauter, denn ich wollte die Situation schnell hinter mich bringen. "Ein Bett?", echote er überrascht.

 
 
 
   

"Lassen Sie mich einen Moment überlegen“, grübelte der Verkäufer weiter. "Hier hab ich natürlich keines. Hmm. Aber warten Sie, vielleicht lässt sich da ja doch was machen. Die alte Witwe Klapkins, Gott hab sie selig, ist vor ein paar Tagen verstorben und ihr Haus soll verkauft werden. Ich könnte da mal vorbeifahren und schauen, ob ich bei der Haushaltsauflösung nicht ein Bett für Sie bekommen kann, Miss." Mir war es ganz egal, wo er das Bett auftreiben wollte, Hauptsache ich hätte heute Abend eins. Und noch besser war es, dass der Ladenbesitzer sich bereit erklärte, dass Bett direkt zu meinem neuen Haus zu liefern.

 
 
 

Oh, war ich erleichtert, als ich den Laden wieder verlassen konnte. Bis mir einfiel, dass ich ja noch ein paar andere Möbelstücke aus dem Antiquariat gut gebrauchen könnte. Als diese Einkäufe erledigt waren, schwang ich mich auf mein rostiges Fahrrad und radelte hinunter zur Strandpromenade. Es war ein unbeschreiblich schönes Gefühl, die warme Frühjahrssonne auf der Haut zu spüren, dem Meeresrauschen zu lauschen und den Blick über die Bucht von Rodaklippa schweifen zu lassen. Alleine wegen dieses Anblicks war es es wert gewesen, wieder hierher zu ziehen.

 
   
 

Ich blieb bis zum Sonnenuntergang am Strand. Als ich dann wieder bei meinem frisch erworbenen Haus ankam, wartete bereits eine angenehme Überraschung auf mich. Der Ladenbesitzer hatte Wort gehalten und im Vorgarten stand ein ganzer Haufen Möbel, und zwar die, die ich mir im Antiquitätenladen ausgesucht hatte. Und ein Bett war auch dabei. Der scheußliche Goldrahmen brachte mich selbst im fahlen Licht der Wandlaterne beinah zum Erblinden, aber ein hässliches Bett war immer noch besser als gar kein Bett. Nur wie sollte ich die Möbel ins Haus bekommen?

 
   
 
 

Mit den leichten Möbeln wurde ich schon fertig. Der Tisch und die Staffelei waren kein Problem. Der Sessel war schon eine Herausforderung, aber mit ein wenig schieben, zerren und drücken, stand auch er an seinem Platz im Wohnzimmer. Nur für das Bett musste ich mir immer noch was einfallen lassen. Ich schaute in der Zeitung nach einem Umzugsunternehmen, aber die ungeheuerlichen Preise ließen mich diesen Gedanken schnell wieder verwerfen.

 
 
 
   

Außerdem hätte das bedeutet, dass ich nach dem Verkäufer im Antiquitätenladen mit noch einer weiteren mir unbekannten Person hätte reden müssen. Vermutlich hätte ich sogar telefonieren müssen und das war noch viel schlimmer, als einer lebenden Person gegenüberzustehen. Ich musste mir einfach was anderes einfallen lassen. Und während ich noch so vor mich hin grübelte, fielen meine Augen auch schon zu und ich schlief im Sessel ein.

   
 

 

 

 
 
   

Nachdem ich am nächsten Morgen mit einem steifen Nacken und total verspanntem Rücken aufgewacht war, beschloss ich, nicht noch eine Nacht auf mein Bett verzichten zu wollen. Zur Not musste ich im Garten schlafen. Ein Blick auf den wolkenverhangenen Himmel sagte mir aber deutlich, dass das womöglich keine so gute Idee war. Ich brauchte Hilfe und ich wusste auch, wo ich sie bekommen würde. Also stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr zum Industriepark von Rodaklippa. Und da ich mich schon darauf eingestellt hatte, dass ich länger warten könnte, packte ich auch noch gleich meine Angelrute ein, die ich aus Nantesim mitgebracht hatte. So ein wenig Angeln im Teich konnte sehr entspannend sein.

 
 
   

Ich verbrachte einige Stunden angelnd an dem Teich, ohne dass auch nur ein Fisch angebissen hätte. Und langsam begann mein Magen zu knurren. Vielleicht wartete ich ja sogar umsonst? Was war, wenn er heute gar nicht arbeitete? Doch noch während sich der Gedanke in meinem Kopf formte, öffnete sich das Eingangsportal der Kaserne und ein Mann um die sechzig mit Glatze verließ das Gebäude. Es war genau der Mann, auf den ich gewartete hatte. Und dennoch traute ich mich nicht, direkt auf ihn zuzugehen. Stattdessen versteckte ich mich hinter den Bäumen und beobachtet ihn.

   
 
 
   

Doch dann riss ich mich zusammen und trat einfach aus dem Schatten der Bäume. "Hallo Papa", winkte ich schüchtern. Der Mann blieb verdutzt stehen und drehte sich zu mir um. Und als er mich erkannte, weiteten sich seine Augen vor Freude. "Klaudia, was machst du denn hier?", rief er freudig überrascht, kam auch mich zu und nahm mich in den Arm. "Du hast gar nicht Bescheid gegeben, dass du uns besuchen willst."

 
 
 

Tja, ich hatte mein Ankommen in Rodaklippa tatsächlich nicht angekündigt. Und das hatte auch seinen Grund. Diesen wollte ich aber vorerst für mich behalten. "Ich hab mir ein Haus hier in der Stadt gekauft", sagte ich zaghaft, besorgt, wie mein Vater auf diese Nachricht reagieren würde. Dieser schaute mich zwar verwundert an, wartete aber geduldig auf weitere Erklärung meinerseits, anstatt mir ins Wort zu fallen. "Und...und ich bräuchte jetzt deine Hilfe beim Tragen der Möbel, Papa. Das Bett steht schon seit gestern im Garten und sollte dringend ins Haus. Und noch eine Nacht im Sessel muss ich nicht unbedingt verbringen."

 

 

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kor. 11.01.2014