Kapitel 5
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Nach mehreren Stunden im Schönheitssalon durfte ich wieder nach Hause. Dort angekommen legte ich Lottchen in ihr Bettchen und ließ mich in den Sessel im Kinderzimmer fallen. Ich ruhe meine Augen nur eine Sekunde lang aus, dachte ich. Und eh ich es mich versah, war ich auch schon eingenickt. Geweckt wurde ich durch Francesco, der das Kinderzimmer betrat und unsere Tochter aus dem Bettchen hob. Sie hatte dort bereits wach gelegen und blickt ihren Papa nun lächelnd aus großen Augen an. Mit ihren winzigen Händchen griff sich nach seinem Gesicht. Francesco überließ im Allgemeinen mir die Arbeit mit Lottchen. Ich wickelte und fütterte sie, und auch nachts, mit Ausnahme einiger Wochenenden, war ich diejenige die aufstand, wenn sie Aufmerksamkeit verlangte. Das war ok für mich, denn immerhin musste Francesco jeden Morgen früh das Haus verlassen. Aber wenn er dann abends geschafft heimkehrte, ließ er es sich nicht nehmen, erst einmal nach oben zu gehen und seine Tochter in den Arm zu nehmen.

 
 
 

Francesco schien mich erst richtig wahrzunehmen, als er Lottchen wieder in ihr Bettchen gelegt und die Spieluhr über ihrem Kopf aufgedreht hatte. Doch als sein Blick schließlich auf mich fiel, stutzte er kurz. „Du siehst heute anders aus, Klaudia“, stellt er fest. Augenblick überzögen eine tiefe Röte meine Wangen. „Alexis und ich waren in der Stadt…Vorbereitungen für unseren Auftritt am Wochenende“, stotterte ich. Er musterte mich immer noch intensiv und mit heisere Stimme fügte er hinzu: „Du siehst…schön aus.“

 
     
 

„Danke“, antwortete ich schüchtern und mein Kopf lief nun vollends feuerrot an. Ich machte einen Schritt nach hinten und stolperte dabei fast über den Sessel. Und bevor ich mich vollends blamierte flüchtete ich mich in mein Schlafzimmer. Völlig atemlos lehnte ich mich mit dem Rücken gegen den Vorhang. Du siehst schön aus. Diese Worte kreisten unentwegt in meinem Kopf. Und gleichzeitig breiteten sich in meinem Bauch wieder die Schmetterlinge aus, die ich so mühsam eingefangen hatte. Klaudia, du dumme Nuss, er liebt dich nicht! Ermahnte ich mich selbst ein ums andere Mal. Doch es dauerte viele Minuten, bis diese Erkenntnis meinen Verstand tatsächlich erreichte.

 
     
 

Als ich mich wieder halbwegs gefasst hatte und nach unten ging, fand ich Francesco in seine Arbeit vertieft am Esszimmertisch vor. Wenn er so schnell wieder umschalten konnte, konnten ihm die Worte von vorhin nicht viel bedeutet haben. Also sollte auch ich sie schnell wieder vergessen. Ich wollte ihn daher auch nicht weiter stören, doch im Vorbeigehen fiel mein Blick auf einen Mappe mit Dokumenten, die das Sky Meal Logo trug. Sky Meal? Das war doch die Firma, für die Tante Joanna in SimCity arbeitete.

 
   
 

Das weckte nun doch meine Neugier. „Warum liegt denn eine Mappe der Sky Meal auf deinem Schreibtisch?“, fragte ich gerade heraus und setzte mich auf den freien Stuhl neben ihm. Francesco sah mich etwas verwirrt an, doch dann entdeckte er die Mappe hinter seinem Laptop. „Ach, die meinst du. Deine Tante hat sie mir gestern zugeschickt.“ Er klappte den Laptop zu.

 
   
 

„In diesem Jahr werden die Cateringverträge der regionalen Flughäfen in Simskelad neu ausgeschrieben. Und die Sky Meal will hier nun auch Fuß fassen. Offenbar ist deiner Tante die Provinz Simster nicht mehr groß genug. Ihr Interesse am Flughafen von Rodaklippa mit seinen drei Starts und Landungen in der Woche ist natürlich nicht groß. Aber sie hat mich gebeten, ein gutes Wort beim Herzog in Simnorsk einzulegen. Das Angebot ihre Firma ist solide. Vielleicht nicht das günstigste, aber die Qualität scheint zu stimmen. Ich muss die Zahlen noch mal genau durchgehen. Aber so wie es aussieht, steht einer Empfehlung nichts im Wege.“

 
     
 

Da mein Magen sich mit einem lauten Knurren meldete, ließ ich Francesco weiter arbeiten und bereitete das Abendessen zu. Doch während ich Nudeln und Tomatensoße kochte, musste ich immer wieder an die Sky Meal Mappe denken. War das etwa der Grund, warum Tante Joanna so erpicht darauf war, mich mit Francesco zu verheiraten? Wollte sie Vorteile daraus ziehen, dass Francesco mit den anderen Lords und dem Herzog gut bekannt war, und sich so die lukrativen Cateringverträge sichern? Irgendwie schmerzte mich dieser Gedanke. Bislang bin ich davon ausgegangen…ja wovon eigentlich? Das Tante Joanna nur mein Bestes im Sinn hatte? Sie wollte mir sicher nicht schaden, aber ganz sicher hatte sie auch einen eigenen Nutzen von diesem Deal. War ich etwa nur eine Ware für sie? Das konnte und wollte ich einfach nicht glauben. Und doch ließ mich der Gedanke nicht mehr los. Und ehe ich es mich versah, hatte ich auch schon das komplette Essen versalzen. Na toll, jetzt durfte ich wieder von vorne beginnen.

 
   

 

 

 
   
 

Am Samstag war es dann so weit. Francesco hielt seine Rede vor dem Rathaus. Während ich noch mit Lottchen im Inneren des Gebäudes wartete, wurde mein Mann zunächst nur von seiner Assistentin Amy unterstützt. Es war eine schwierige Rede. Die Wirtschaft befand sich schon seit längerem in einer Krise und dementsprechend waren die Einnahmen aus der Gewerbesteuer erheblich eingebrochen. Und das bedeutete, dass Kürzungen im Etat der Stadt und der ganzen Lordschaft unausweichlich waren.

 
   
 

Die Bevölkerung war darüber verständlicherweise nicht glücklich. Die Rede wurde von lauten Protesten begleitet. Ich konnte die wütenden Aufschreie und gelegentlichen Buhrufe selbst durch das geschlossene Fenster deutlich hören. Mir wurde bei dem Gedanken ganz mulmig, gleich vor diese grölende Menge treten zu müssen. Aber Francesco sprach nicht das erste Mal vor einer aufgebrachten Menge. Er versucht ihre Ängste mit Argumenten zu beschwichtigen, versprach, dass die Einschnitte nur vorrübergehend wären und, und das schien die Menschen am stärksten zu besänftigen, dass das Haus Hartfels solange ebenfalls auf einen Teil der ihm zustehenden Einkünfte aus öffentlicher Hand verzichten werde.

   
   
 

Und dann lenkte er die Rede auf die Präsentation unserer Tochter. „Bewohner von Rodaklippa, die Zeiten sind schwierig und sie werden auch noch lange Zeit schwierig bleiben. Aber es ist unsere gemeinsame Aufgabe, für unsere Kinder eine sichere und nachhaltige Zukunft zu schaffen. Ich habe schon oft davon gesprochen, aber die Bedeutung dieser Worte ist mir erst durch die Geburt meiner eigenen Tochter so richtig bewusst geworden.“ In diesem Augenblick gab mir Francescos Assistentin Amy das Signal, aus dem Inneren des Rathauses zu treten und mich zu Francesco an das Rednerpult zu stellen. Auf meinem Arm hielt ich unser kleines Lottchen. „Begrüßen Sie meine wunderschöne Frau, Lady Klaudia, und unser bezauberndes Mädchen, die nächste Lady von Rodaklippa, Karlotta Elisabeta Klaudia Hartfels. Für sie und für alle Kinder Rodaklippas müssen wir jetzt an einem gemeinsamen Strang ziehen.“

 
     
 

Es war unglaublich, welcher Stimmungswechsel sich bei meinem und Lottchens Erscheinen in der Menschenmasse vollzog. Die Protestschreie verstummten vollständig. Stattdessen setzte ein zunächst leiser Applaus an, der stetig zu einem Beifallssturm anschwoll. Francesco stieg von dem Podest hinunter und legte seinen Arm um mich. Für die zahlreichen Reporter boten wir das Bild einer perfekten, glücklichen Familie. Und so fühlte ich mich auch. Und aus dem Applaus heraus konnte ich hören, wie sie nun Francesco zujubelten, den sie vor Minuten noch beschimpft hatten. Aber sie riefen nicht nur nach ihm. Das laute „Karlotta“ und „Lady Klaudia“ war nicht zu überhören.

 

 

 

 
   
 

Wieder zuhause legte ich Lottchen zunächst ins Bett und ging anschließend wieder ins Wohnzimmer, wo Francesco bereits eine Flasche Wein geöffnet hatte. Als er mich die Treppe hinunterkommen sah, stand er vom Sofa auf und kam auf mich zu. „Klaudia, du hast dich heute überaus gut geschlagen. Ich war ehrlich beeindruckt, wie du selbstbewusst vor die nicht gerade freundlich gesinnte Menschenmasse getreten bist.“ Es war das erste wirkliche Kompliment, was ich jemals von Francesco erhalten hatte. Vielleicht hatte er bereits ähnliche Worte verwendet, aber noch nie zuvor hatten seine Augen mich dabei so voller Anerkennung  angesehen. Unverzüglich schoss mir die Röte in die Wangen. Und gleichzeitig machte sich auch ein ungekanntes, angenehmes Gefühl in meinem Körper breit.

 
     
 

„Ich bin ehrlich, bei unserer Hochzeit war ich mir nicht sicher, ob du wirklich für ein Leben als Frau an der Seite eines Lords geeignet bist. Aber heute hast du meine Zweifel beiseitegeschoben. Du hast mir vor unserem Volk den Rücken gestärkt. Und offenbar lieben sie dich. Und glaub mir, es ist nicht leicht, ihre Liebe zu gewinnen.“ Ich wusste gar nicht, was ich darauf erwidern sollte. Aber das war auch nicht nötig, denn schon bedeckten Francescos Lippen meinen Mund.

 
   
   

In meinem Kopf schrillten alle Alarmsirenen. Aber ebenso hätte neben mir ein Zug entgleisen können und ich hätte es nicht bemerkt. Schon gar nicht, als Francesco unseren Kuss unterbrach und mich erwartungsvoll anblickt. „Wollen wir…wollen wir hochgehen…gemeinsam?“, fragte er angespannt. „Wenn es noch zu früh ist nach der Geburt oder du…“ Ich unterbrach ihn, indem ich einen Finger auf seine Lippen legte. Dann nahm ich seine Hand und lotste ihn in mein Schlafzimmer.

   
   
 

Es war das erste Mal, dass wir seit unseren Flitterwochen miteinander schliefen. Nach unserer so missglückten ersten Nacht im neuen Haus hatten weder Francesco noch ich es gewagt, dieses Thema anzusprechen. Und nach der Geburt brauchte ich erst einmal eine Erholungspause. Doch die war nun schon lange vorbei und ich merkte, wie sehr mir die körperliche Nähe zu Francesco gefehlt hatte. Es gab kein Feuerwerk, keinen Funkenregen. Der Akt unterschied sich nicht von den Malen zuvor…und war mir damit so angenehm vertraut. Francesco schlief danach rasch ein. Und ich…ich lugt unter der Decke hervor und sah ihn an. Ich hatte Angst, dass wenn ich mich rührte er sofort aufwachen würde. Und dann würde er gehen, dessen war ich mir sicher. Und ich wünschte mir nichts sehnlicher, als dass er bei mir blieb. Ich wusste nicht, was der heutige Tag für uns zu bedeuten hatte. Liebte er mich doch? Vermutlich nicht. Aber in dem Moment wollte ich nicht darüber nachdenken. Er lag jetzt neben mir und nur das zählte.

     
 

Ich versuchte so lange wach zu bleiben, wie es ging. Doch irgendwann fielen auch meine Augen zu. Und als ich am Morgen von Lottchens Schreien geweckt wurde, fand ich die andere Seite des Bettes wie erwartet leer vor. Ich hatte es gewusst und trotzdem tat es weh. Ich konnte meine dummen Hoffnungen einfach nicht unterdrücken, so sehr ich mich auch anstrengte. Für einen kurzen Moment war ich wieder kurz davor in Tränen auszubrechen. Doch dann riss ich mich zusammen. Francescos Herz würde mir vielleicht niemals gehören. Aber Nächte wie die gestrige zeigten mir doch überdeutlich, dass ich es auch hätte weitaus schlimmer treffen könne.

   

 

 

   
   
   

Am Anfang befürchtete ich noch, dass diese gemeinsame Nacht eine einmalige Ausnahme bleiben würde. Und sie wiederholte sich nicht sofort. Aber nach einigen Wochen schliefen wir wieder miteinander und dann noch einmal und noch einmal…Und so vergingen die Monate. Dem Frühling folgte ein heißer Sommer und gegen Ende des Augusts wurde ich Tante. Mein kleiner Bruder wurde Vater eines wunderschönen Jungen, den Tammy und er Thassilo nannten.

 
   

Ich fuhr oft hinüber zur Farm meiner Eltern um meinen kleinen Neffen zu besuchen. Und Lottchen nahm ich meistens mit. Mama und Papa freuten sich immer sehr, ihre Enkeltochter zu sehen. Und zwischenzeitlich hatte ich mich sehr gut mit Tammy angefreundet. Inzwischen hatte sie sich gut bei meinen Eltern eingelebt und Sky und sie waren immer noch verliebt. Dennoch war die Traurigkeit in Tammys Gesicht schwer zu übersehen. Den Grund dafür kannte ich nur zu gut. „Haben deine Eltern noch immer nicht versucht, ihren Enkelsohn zu sehen?“, fragte ich sie.

 

 

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kor. 27.05.2015