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"Und sie hat dir einfach so geholfen?", fragte ich ungläubig. Kasimirs Mine wurde mit einem Schlag ernst. "Nein, nicht einfach so. Ich hab ihr angeboten, sie mit Informationen über Sierra Simlone Stadt zu versorgen. Unter anderem habe ich ihr dein Haus als Kommandozentrale in der Stadt vorgeschlagen."


Ich traute meinen Ohren nicht. "Du hast was getan? Kasimir, dazu hattest du kein Recht!" Kasimirs Mine blieb regungslos. "Ich lasse doch nicht zu, dass diese dreckigen simnistrischen Schweine mein Haus als Kommandozentrale nutzen. Womöglich wird hier der Feldzug gegen die restliche SimNation geplant. Wie konntest du so etwas nur tun?" "Ich habe es getan, um dich zu beschützen", antwortete er. "Ohne mein Eingreifen, hätten diese Soldaten dir und den Kindern wer weiß was alles angetan. Und ich bin mir nicht sicher, ob euer Schicksal Kommandantin Ermanowa auch nur im geringsten interessiert hätte, wenn ich nicht mit ihr zusammenarbeiten würde."


Wütend wand ich mich von ihm ab und stützte mich auf die Rückenlehne des Sofas. "Ich verstehe deine Wut, Oxana", sagte er behutsam und legte seine Hand auf meine Schulter. "Aber die Simnistrier sind im Land. Und sie sind stark. Wir müssen uns auf diese neue Situation einstellen. Wenn mir Widerstand leisten, dann können wir nur verlieren. Ich habe einfach versucht, das Beste aus dieser Situation zu machen". Kasimirs Worte hatten durchaus ihre Logik. Aber ich konnte und wollte diese Logik nicht teilen. Simnistrien war gnadenlos in unser Land eingefallen. Ich würde bis zum letzten Kämpfen, um sie wieder zu vertreiben. Und Dominik würde das auch tun, wenn er hier wäre. Dominik war nicht so wie Kasimir. Er kämpfte immer für das Richtige, so ausweglos es auch scheinen möchte. Deshalb war er auch schon seit Jahren im Simnistrien. Und deshalb liebte ich ihn und nicht Kasimir. Das wurde mir in diesem Augenblick deutlicher als jemals zuvor.


Aber Dominik war nicht hier. Ich atmete tief durch und wand mich Kasimir wieder zu. "In zwei Tagen werden die Simnistrier ihr Quartier also in meinem Haus aufschlagen?", fragte ich müde. Kasimir nickte. "Du und die Kinder, ihr könnt mit mir nach Seda Azul kommen. In meiner Wohnung ist…" Ich stoppte Kasimir mit einem Handzeichen. "Nein, die Kinder und ich werden nicht nach Seda Azul gehen. Du und ich...das würde einfach nicht gut gehen". Ich sah, wie Kasimir in sich zusammen sackte. "Du weißt, dass ich dich immer noch liebe?", flüsterte er mehr, als dass er sprach. "Und ich liebe Dominik", antwortete ich ruhig.


Kasimir atmete schwer, aber schließlich begann er zu nicken. "Gut, meine Aufgabe ist hier dann getan. Ich musste es einfach noch einmal versuchen, Perle". Mit einem traurigen Lächeln auf den Lippen drehte er sich um und griff nach der Türklinke. "Bitte geh nicht", rief ich ihm hinterher. "Ich will nicht alleine mit den Kindern zurück bleiben. Ich habe Angst, Kasimir. Wenn du hier bleiben würdest, als guter Freund, ich würde mich gleich viel sicherer fühlen". Kasimirs Hand verharrte für mehrere Sekunden regungslos auf der Klinke, doch dann ließ er sich los, ohne die Tür zu öffnen. "In Ordnung. Ich bleibe für die nächsten Tage hier. Als Freund, einfach als ein guter Freund."


Mir fiel ein Stein vom Herzen. Dann wand ich mich Gerda zu, die blass wie ein Leichentuch bei den Kindern stand. "Geht es dir gut?", fragte ich besorgt und merkte, wie mir selbst wieder die Tränen kamen. Gerda kam langsam auf mich zu. Sie wollte nicken, aber gleichzeitig schüttelte sie auch mit dem Kopf. Ich konnte diese Reaktion nur zu gut verstehen. Mir ging es nicht anders Schrecken und Erleichterungen lagen einfach zu dicht beieinander.


Also nahm ich sie einfach in den Arm. Gerda klammerte sich regelrecht an mir fest und ich spürte, dass sie immer noch am ganzen Körper zitterte. "Soll dich Kasimir nach Hause begleiten?", fragte ich meine Freundin und sie bejahte diese Frage mit einem zögerlichen Nicken. "Wir stehen das alles gemeinsam durch", flüsterte ich ihr zum Abschied zu. "Wir werden uns nicht unterkriegen lassen."


Keine Sekunde, nachdem Kasimir und Gerda das Haus verlassen hatten, brach Klaudia in Tränen aus. All die Angst und der Schrecken der letzten Tage und Stunden hatten sich in ihr aufgestaut und jetzt brachen alle Dämme. Sky ließ sich von diesem Gefühlsausbruch anstecken und weinte ebenfalls bitterlich. Und so sehr ich die strake Schulter für die Kinder sein wollte, auch ich musste meinen Tränen freien Lauf lassen. Wir saßen auf dem Sofa, inmitten unseres demolierten Wohnzimmers, und hielten uns gegenseitig fest. Der Kampf mit den Tränen schien mehr als einmal fast gewonnen, doch es reichte ein Schluchzen, um die Gefühle übermannten uns erneut. So saßen mir zusammen, bis es draußen dunkel wurde.


Doch meine Gedanken schweiften immer wieder ab. Sky und Klaudia waren sicher, zumindest für den Augenblick. Sie waren bei mir und ich konnte sie beschützen, wenn es notwendig war. Aber was war mit Kinga? Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie es meiner ältesten Tochter ging. Ich konnte nur beten, dass Joanna für ihre Sicherheit garantierte. Und Dominik? Ich hatte immer noch kein Lebenszeichen von ihm.


Nachdem die Kinder im Bett waren und ruhig schliefen, versuchte ich noch einmal Joanna zu erreichen. Doch ohne Strom funktionierte unser Haustelefon nicht und mein Handy hatte nach wie vor keinen Empfang, was Sinn machte wenn man bedenkt, dass die Funkmasten ebenfalls keinen Strom mehr hatten.

 

 


Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten die Kinder zum Glück nicht zu stark traumatisiert. Zumindest rein oberflächlich schien es ihnen wieder gut zu gehen. Klaudia kümmerte sich vorbildlich um ihren Bruder und las ihm aus seinem Lieblingsbuch „Das kleine Haus“ vor. Allerdings war ich mir sicher, dass der Schreck Klaudia tief in den Knochen saß. Ich konnte nur hoffen, dass sie diese Beinahe-Vergewaltigung würde überwinden können.


Sky war hingegen noch zu jung um überhaupt zu begreifen, was die Soldaten uns gestern angedroht hatten. Ich beneidete ihn beinah um seine kindliche Einstellung zu den Dingen. Es kümmerte ihn wenig, dass eine fremde Armee in unser Land einmarschiert war, denn von Politik verstand er noch nichts. Und selbst der Stromausfall war für ihn eher ein Spaß, eine Abwechslung, durch die er neue und alte Spielchen entdeckte, wie etwa das Herumspritzen in einer Pfütze.


Er entdeckte, dass man mit Seifenblasen auch wunderbar im Regen spielen konnte. Man musste sich einfach nur vorstellen, die Blasen seinen Ufos, und die Regentroffen Laserstrahlen, die die fremden Eindringlinge vom Himmel schossen.


Goya wurde als Spielkameradin wiederentdeckt, die nicht so vorhersehbar war, wie die Figuren in seinen Computerspielen.


Und wenn man ganz tief in Klaudias alter Spielzeugkiste wühlte, dann entdeckte man(n) sogar das ein oder andere "doofe Mädchenspielzeug", mit dem man durchaus sehr viel Spaß haben konnte.


Aber ich konnte den Krieg nicht ausblenden. Zudem musste ich bereits morgen das Haus für die simnistrische Armee räumen und ich wusste nicht, wohin ich mit den Kindern gehen sollte. Natürlich boten sich Dominiks Eltern oder mein Bruder an. Und da ich selbst in einer solchen Kriese meine Ex-Schwiegermutter Glinda nicht um einen Gefallen bitten wollte, war mein Bruder die erste Wahl. Ich brauchte noch nicht einmal nach ihm zu rufen, denn er kam selbst herüber und bat mich, ihn auf die Plantage zu begleiten, wo wir uns ungestört unterhalten konnten.


Ich tat ihm den Gefallen. Bereits auf dem Weg hinter das Haus erzählte ich ihm, von dem Überfall durch die simnistrischen Soldaten und dass ich mein Haus bis morgen räumen müsste. "Ich habe gehofft, ich und die Kinder könnten bei Desdemona und dir unterkommen. Ich weiß, euer Haus ist nicht gerade groß, aber bei Dominiks Eltern ist noch weniger Platz", plapperte ich direkt drauf los. Doch Orion schien gar nicht zuzuhören.


"Du wirst nicht bei mir und Desdemona wohnen!" Diese Worte waren wie ein Schlag in mein Gesicht. War das etwa Orions Ernst? Doch bevor ich nachhaken konnte, sprach mein Bruder weiter. "Du und die Kinder, ihr werdet noch heute Nacht die Sierra Simlone verlassen." "Aber die Farm...", warf ich ein, doch Orion unterbrach mich rigoros. "Die Farm ist jetzt vollkommen egal. Wir haben Krieg. Heute Nacht hat einer von Joannas Agenten Kontakt mit mir aufgenommen. Die Lage ist schlimmer, als du dir das vorstellen kannst. Joanna hat einen Transport organisiert. Du, die Kinder und Desdemona werdet nach SimCity gebracht."


Ich war sprachlos. "Wie ich dir schon vor ein paar Tagen mitteilte, können wir deinen Mitbewohner Tristan leider nicht mitnehmen. Im Wagen ist nur Platz für vier Leute. Ich werde auch hier bleiben. Joanna braucht mich hier unten als wachsames Auge für "Justice". Der Norden der SimNation ist zurzeit noch frei von simnistrischen Invasoren. Ihr werdet in SimCity also vorerst sicher sein. Sollte die Lage sich weiter zuspitzen, dann wird Joanna euch in Ausland schaffen. Und du, Schwesterchen, gehst jetzt ins Haus und packst das Notwendigste zusammen. Mehr als eine Tasche könnt ihr nicht mitnehmen. Und kein Wort zu niemandem! Hast du mich verstanden? Nicht einmal zu deinen Schwiegereltern. Wir können es nicht riskieren, dass die Simnistrier euch bei der Flucht ertappen."

 

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