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"Und was ist dann geschehen?", fragte ich erschrocken.
Mein ganzes Gesicht war tränenverschmiert. Ich konnte nicht
einmal sagen, ob es Tränen der Angst oder Tränen der
Erleichterung waren. Doch Dad schüttelte lediglich den
Kopf. "Ich weiß es nicht, Töchterchen. Ich hatte
selbst genug damit zu tun, mich vor den simnistrischen Soldaten
zu verstecken. Als es auf dem Gelände der Ölgesellschaft
wieder ruhig wurde, versuchte ich Dominik zu folgen. Doch seine
Spuren verloren sich schnell im Dschungel."
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"Aber Dominik hat über zwei Jahre in Simnistrien verbracht.
Er kennt den Dschungel und seine Gefahren. Wenn er es geschafft
hat, den simnistrischen Patrouillen aus dem Weg zu gehen, dann
stehen die Chancen ganz gut, dass er noch am Leben ist. Und
deine Schwester", Dad deutete mit dem Finger auf Joanna,
"setzt all ihre Mittel ein um Dominik aufzuspüren.
Wenn er noch am Leben ist, dann werden wir ihn finden und sicher
nach Hause bringen."
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Ich erhob mich von meinem Sessel und schritt langsam auf das
Fenster zu. In meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher.
Dominik war dem simnistrischen Überfall entkommen, aber
bedeutete dies auch, dass er noch immer am Leben war? Ich klammerte
mich mit der linken Hand an den Fensterrahmen, da ich merkte,
dass meine Knie erneut drohten nachzugeben. Dominik musste noch
am Leben sein. Ein Leben ohne ihn, konnte ich mir einfach nicht
vorstellen.
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Doch trotz all meiner Sorge um Dominik, konnte ich die Freude
darüber, Dad wiederzusehen, nicht verbergen. Es gab so
viele Dinge, die ich in Fragen wollte. Und ich musste ihn endlich
um Verzeihung bitten. Doch als ich mich umdrehte, war sein Stuhl
leer. Ich blickte mich hastig in dem Raum um, doch von Dad war
keine Spur zu sehen. "Er ist verschwunden", erklärte
Joanna mit einem traurigen Lächeln. "Daran wirst du
dich gewöhnen müssen. Er taucht immer wieder aus dem
Nichts auf und in der nächsten Minute ist er wieder verschwunden."
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Meine Nerven lagen einfach nur blank. Trotz der weiterhin sehr
angespannten politischen Situation, nahm sich Joanna die Zeit,
mich zurück in die Simlane zu begleiten. Der Whirpool im
Garten war ein idealer Ort, um wieder zur Ruhe zu kommen.
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Joanna und ich mussten beide loslachen als wir feststellten,
dass wir genau denselben Badeanzug trugen. Hin und wieder merkte
man doch, dass wir Zwillinge waren. Das warme Wasser im Pool
lockerte nicht nur meine verspannten Muskeln, sondern auch mein
Geist fühlte sich auf einmal leichter an. Ich plantschte
mit meinem Händen auf der Wasseroberfläche herum und
ehe ich es mich versah, befanden sich Joanna und ich schon mitten
in einer Wasserschlacht.
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Doch dieser Moment der Ausgelassenheit wehrte viel zu kurz.
Schnell kehrte der Ernst des Alltags wieder bei uns ein. Joanna
begann mir von Dad zu erzählen. "Etwa fünf Jahre
nach seinem vermeidlichen Tod stand er plötzlich vor meiner
Tür. Ich konnte es im ersten Moment kaum glauben. Als Dad
damals mit der Jacht in den Sturm hinaus gesegelt war, hatte
er wirklich vor, sein Leben zu beenden. Doch wie durch ein Wunder
überlebte er den Schiffsuntergang. Doch als er merkte,
dass ihn alle für tot hielten, entschloss er, dass es das
Beste sei, uns in diesem Glauben zu lassen. Er muss erkannt
haben, wie viel Leid er in all den Jahren seiner Familie, und
dir insbesondere, durch sein rücksichtsloses Verhalten
zugefügt hat."
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"Doch er blieb nicht lange. Ich hatte es damals kaum geschafft,
mich an den Gedanken zu gewöhnen, dass er nicht tot war,
als er auch schon wieder ohne Nachricht verschwand. Es dauerte
über ein Jahr, bis ich wieder von ihm hörte. Seitdem
arbeitet er von Zeit zu Zeit für mich. Meist bringt er
mir von sich aus nützliche Informationen und manchmal,
so wie in Dominiks Fall, schicke ich ihn auf eine bestimmt Mission.
Allerdings ist Dad nicht immer der Zuverlässigste. Es kann
schon mal passieren, dass er einen meiner Aufträge einfach
unerledigt abbricht. Trotzdem bin ich überglücklich,
dass er wieder bei uns ist."
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Leider musste Joanna wieder zurück ins "Justice"-Hauptquartier.
Ich hätte mich zu gerne noch länger mit meiner Schwester
über Dad unterhalten. Wir hatten vieles, was bei meinem
Weggang vor über 20 Jahren geschehen war, noch immer nicht
richtig besprochen. Im Whirlpool wurde es mir langsam zu warm
und ich legte mich auf die Luftmatratze im Pool und genoss die
Sonnenstrahlen, die hier in SimCity nicht so erbarmungslos auf
einen niederbrannten, wie in der Sierra Simlone. Dad hatte Joanna
gebeten, mir nichts von seiner Rückkehr zu erzählen.
Und ich verstand seien Bitte sogar. Vor wenigen Jahren wäre
ich noch nicht bereit gewesen, ihm seien Taten zu verzeihen.
Ich war ihm dankbar, dass er mich zu nichts gedrängt hatte.
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Meine Kinder begannen sich in SimCity richtig wohl zu fühlen.
Magdalena nahm Klaudia problemlos in ihren Freundeskreis auf.
Klaudia blühte regelrecht auf. Zuhause in der Sierra Simlone
hatte sie nie viele Freunde gehabt. Sie dachte bis jetzt auch,
dass sie das gar nicht brauchen würde, doch sie wurde eines
Besseren belehrt. Erst jetzt merkte sie, wie viel Spaß
es machen konnte, nach der Schule einfach mit ein paar Freundinnen
wild im Kinderzimmer zu tanzen und Neuigkeiten über diverse
Popstars auszutauschen.
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Sky und Jakób verstanden sich ebenfalls super. Obwohl
Sky fast zwei Jahre jünger war, war er für Jakób
ein willkommener Spielkamerad. Nach der Schule konnten sie zusammen
an der Konsole zocken.
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Und Ball spielen machte mit einem Jungen auch viel mehr Spaß
als mit seiner doofen Schwester. Die konnte ja eh nicht fangen.
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Klaudia fand in Ann-Lee, der Tochter meiner Pateneltern Frankie
und Sylvia Mashuga, innerhalb kürzester Zeit eine wirklich
gute Freundin. Mit ihr konnte sie lachen und einfach vergessen,
was in der Sierra Simlone alles vorgefallen war. Die beiden
Mädchen lagen einfach auf einer Wellenlänge.
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Aber ihrer Cousine Magda konnte sie sich voll und ganz anvertrauen.
Der Raketenangriff auf unsere Stadt und die anschließende
Flucht hatten sie wirklich sehr mitgenommen. Aber das schlimmste
Ereignis war das Eindringen der Soldaten in unser Haus. Obwohl
sie körperlich nicht verletzt wurde, saß der Schreck
darüber, dass sie möglicherweise zum Sex gezwungen
worden wäre, immer noch sehr tief. Ich hatte schon mehr
als einmal mit ihr ausführlich über das Geschehene
gesprochen, aber es fiel Klaudia sehr viel einfacher, ihre Gefühle
einer Gleichaltrigen anzuvertrauen.
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Desdemona fiel es hingegen sichtlich schwer, sich in SimCity
einzuleben. Sie war zwar die Frau meines Bruders und gehört
somit zur Familie, aber sie fühlte sich dennoch fremd.
Mich und die Kinder kannte sie gut, aber meine Zwillingsschwester
war ihr nahezu eine Unbekannte. Zudem vermisste sie ihre eigne
Familie. Ihre Mutter Gerda, ihre Geschwister, ihr Mann...sie
alle waren noch in der Sierra Simlone und niemand konnte genau
sagen, ob es ihnen gut ging, oder nicht.
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Im Haus meiner Schwester fiel ihr daher schnell die Decke auf
dem Kopf. Also entschloss sie sich dazu, die Stadt ein wenig
zu erkunden. Bis auf wenige Besuche in SimVegas hatte Desdemona
die Sierra Simlone noch nicht verlassen. Die schiere Größe
von SimCity, all die Hochhäuser, Autos und Menschen überwältigten
sie. Und selbst einfache Schausteller auf den Plätzen der
Stadt brachten sie zum Staunen.
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Und dann entdeckte sie das Kunstmuseum der Stadt. Im Vergleich
zu den Museen in Simtropolis oder Santa Regina war die Ausstellung
in SimCity klein, aber sie raubte Desdemona dennoch den Atem.
Zu Beginn ihres Studiums hatte Desdemona mit dem Gedanken gespielt,
Kunst zu studieren und einige Vorlesungen und Seminare zu dem
Thema besucht. Doch ihre Schwester Miranda riet ihr, doch lieber
etwas "Richtiges" zu studieren, und so hatte sie sich
letztendlich für ein Lehramtsstudium in Sport entschieden.
Doch wirklich glücklich war sie mit dieser Entscheidung
nie geworden. Und jetzt, wo sie all diese wundervollem Kunstwerke
im Museum sah, bereute sie ihre Entscheidung umso mehr.
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Besonders die moderneren Kunstwerke hatten es ihr angetan. Impressionismus,
Expressionismus, Surrealismus. Sie konnte gar nicht genug bekommen.
Der Besuch im Museum wurde zu einem täglichen Ritual. Und
immer wieder schaute sie sich ihre Lieblingsbilder an und entdeckte
jeden Tag etwas Neues an ihnen. Hier ein Detail, das ihr bislang
entgangen war, dort eine Pinselführung, die das Bild einzigartig
machte.
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