Teil 1: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Z
Teil 2: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 R

 


"Wunderschön, nicht wahr?", riss eine warme Männerstimme Desdemona aus ihren Gedanken. "Die Edelsteine von Alfons Mucha: Topas, Amethyst, Rubin und Smaragd. Ich muss jedes Mal aufs Neue staunen, wenn ich die Gemälde hier sehe." Desdemona drehte ihren Kopf nach hinten und blickte einem jungen, blonden Mann ins Gesicht, der sie freundlich anlächelte.


"Verzeihen Sie, wenn ich Sie gestört haben sollte", entschuldigte er sich sogleich bei Desdemona. "Ich besuche das Kunstmuseum nun schon seit Jahren regelmäßig und da fallen mir neue Gesichter schnell auf. Und Ihr wunderschönes Gesicht habe ich nun seit fast einer Woche Tag ein Tag aus hier gesehen. Sie betrachten die Bilder mit einer solchen Sorgfalt, die man sonst nur selten zu sehen bekommt. Darf ich fragen, ob Sie an der Universität hier in SimCity Kunst studieren?"


Desdemonas Wangen röteten sich, als sie das Kompliment des Fremden empfing. "Nein", schüttelte sie blondes Haar und wickelte eine ihrer goldenen Locken schüchtern um ihren Finger. "Ich habe vor vielen Jahren einmal damit angefangen, das Studium dann aber abgebrochen. Ich komme einfach gerne hierher um diese schönen werke zu bewundern und die Atmosphäre dieser alten Hallen zu genießen." "Genau dafür werden Museen gebaut", erwiderte der Fremde. "Darf ich mich vorstellen? Mein Name ist Clemens." "Der Sanfte", hauchte Desdemona, ohne weiter darüber nachzudenken. "Ich bin Desdemona." "Die vom Schicksal verfolgte. Ich hoffe doch, dass Schicksal hat es bisher gut mit Ihnen gemeint. Darf ich sie zu einem Kaffee einladen?"


Dagegen hatte Desdemona nicht das Geringste einzuwenden. Im unteren Stockwerk des Museum befand sich ein kleines, gemütliches Café, in das Clemens Desdemona einlud. Die beiden tranken ihren Kaffee und unterhielten sich dabei. Zunächst ging es nur um die Kunst, um weitere Werke von Alfons Mucha, um die Kunstsammlung des Museums im Allgemeinen. Doch dann wurden ihre Gespräche immer privater. Und Desdemona kam es so vor, als ob es nicht wichtig war, was Clemens sagte, solange er nur zu ihr sprach.


Von da an besuchte Desdemona das Museum nicht mehr alleine. Sie traf sich jeden Morgen mit Clemens am Eingang. Und zusammen gingen sie durch die Kunstaustellung und Clemens erläuterte ihr die Bilder. Wie sich herausstellte, war er Dozent an der Kunsthochschule in SimCity und Desdemona war einfach nur beeindruckt von seinem Wissen zu all den wundervollen Kunstwerken.


Doch das war nicht der einzige Grund, warum sie jeden Morgen mit klopfendem Herzen aufwachte und zum Museum lief. Clemens war nett, charmant, gutaussehend...und er war da. Er war hier bei ihr in SimCity und nicht tausende Kilometer weit entfernt in der Sierra Simlone. Desdemona wusste, dass sie mit dem Feuer spielte und doch konnte sie sich dieser Flamme nicht entziehen. Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis Clemens und sie unter dem sterneklaren Himmel im Park des Museums standen und ihre Lippen sich immer näher kamen.


Doch im letzten Augenblick riss sie den Kopf zur Seite. "Es tut mir Leid, Clemens, ich kann nicht", flüsterte sie mit zitternder Stimme, löste sich aus seiner Umarmung und rannte davon. Clemens sah ihr verdutzt hinterher. Hatte er etwas falsch gemacht? Er konnte sich diese starke Anziehung zwischen Desdemona und ihm nicht eingebildet haben. Aber warum war Desdemona dann davongelaufen? Er konnte dies einfach nicht begreifen.

 

 


Die relativ ruhigen Tage in SimCity gaben uns allen die Gelegenheit durchzuatmen. Allerdings verfinsterte sich die Stimmung von Tag zu Tag. Die erhoffte Hilfe seitens Russlands blieb aus. Somit war die SimNation weiterhin auf sich alleine gestellt und der Krieg drohte zu einer totalen Niederlage zu werden. Der Nachrichtenkanal lief ununterbrochen und mehrmals am Tag erschien eine Zeitungsausgabe mit den neusten Kriegsmeldungen. "Mindestens 15 Menschen sind bei den Bombenangriffen auf Simtropolis ums Leben gekommen", fasste Joanna die wichtigsten Meldungen zusammen. "Und in SimVegas ist ein weiteres Casinohochhaus zusammengestürzt. Es ist nun das dritte seit dem Angriff auf die Stadt vor vier Tagen. Sie bekommen die Brände einfach nicht unter Kontrolle."


"Und die Angriffe auf die Hauptstadt nehmen zu. Bis jetzt sind zwar noch keine Flugzeuge in den Luftraum um Santa Regina eingedrungen, aber zwei der Flugabwehrstellungen wurden durch Raketenangriffe stark in Mitleidenschaft gezogen. Der Verteidigungsminister wird daher die Jagdgeschwader aus den Provinzen Simster und Simskelad in die die Simtierra abberufen. Es muss in jedem Fall verhindert werden, das Bomben in der Hauptstadt fallen". Joanna bemühte sich sachlich zu bleiben, doch ich bemerkte den zornigen Unterton in ihrer Stimme. Und dieser Zorn galt in diesem Fall unserem Verteidigungsminister. Würden die Jagdgeschwader aus Simster abgezogen, würde die Region um SimCity ohne Luftverteidigung dastehen.


Sofort schossen mir wieder die Bilder des Angriffes auf Sierra Simlone Stadt durch den Kopf. Ich würde es nicht ertragen, auch noch SimCity brennen zu sehen. Joanna stand auf und knallte die Zeitung auf den Couchtisch. Dabei zerzauste sie wütend ihr Haar. "Ich muss noch mal rüber ins Hauptquartier", teilte sie mir mit, schnappte sich ihre Handtasche und machte sich auf dem Weg zu ihrem Wagen. Um mich ein wenig von meinen trüben Gedanken abzulenken, ging ich hinaus in den Garten. Die Arbeit auf der Plantage und auf den Feldern fehlte mir hier in SimCity. Doch die Arbeit in dem kleinen Garten, den Paps vor Jahren angelegt hatte, entspannte mich etwas.


Als ich einen neuen Sack mit Dünger hochhob, fiel mein Blick auf Desdemona, die regungslos am Ufer des Kanals stand, der hinter meinem Elternhaus entlang floss. Sie starrte regungslos auf das Wasser und ihre Körperhaltung verriet mir, dass sie etwas bedrückte. In den letzten Tagen war sie immer recht glücklich gewesen, doch in diesem Augenblick erlebte ich sie so traurig, wie seit unserer Flucht aus der Sierra Simlone nicht mehr.


Ich stellte den schweren Sack wieder ab, klopfte mir den Dreck von den Händen uns ging zu meiner Schwägerin hinüber. "Alles in Ordnung, Mona?", fragte ich sie. Desdemona hatte mich offenbar nicht kommen gehört, denn sie drehte sich erschrocken um. Ihre Augen glitzerten feucht. Sie hatte gerade erst geweint oder stand kurz davor es zu tun. Sie schluckte laut und wollte etwas sagen, doch die Worte wollten ihre Lippen einfach nicht verlassen. "Ist es, weil du Orion vermisst", riet ich ins Blaue hinein.


Und dann begannen ihre Tränen zu fließen. "Es ist in Ordnung, wenn du ihn vermisst", redete ich weiter, weil ich mir sicher war, dass ich den Grund für Desdemonas Traurigkeit gefunden hatte. "Ich vermisse Orion auch. Und noch viel mehr vermisse ich Dominik. Ich weiß wie furchtbar es ist, wenn man nicht bei dem Menschen sein kann, den man liebt und nicht weiß, ob es ihm gut geht." "Aber das ist es ja", flüsterte Desdemona mit tränengetränkter Stimme. "Ich vermisse Orion nicht so sehr, wie ich es sollte. Stattdessen muss ich nur an einen anderen Mann denken. An Clemens."


Nun verschlug es mir die Sprache. Mit so einer Offenbarung hatte ich nicht gerechnet. Ich hatte es nicht beabsichtigt, aber mein schockierter Blick war wohl Anklage genug. Desdemona schaute schuldbewusst zu Boden und schluchzte leise. "Ich…du", begann ich zu stottern. "Ich muss erst einmal verarbeiten, was du mir da gerade gesagt hast, Mona", brachte ich schließlich einen vollständigen Satz zustande. "Orion ist mein kleiner Bruder und daher will ich ihn um jeden Preis schützen. Ich könnte daher jetzt etwas sagen, was ich später bereuen würde. Lass mir etwas Zeit zum Nachdenken. Und behalte es erst einmal für dich, in Ordnung?" Desdemona nickte zum Zeichen, dass sie verstanden hatte.


Anschließend lief sie leise schluchzend ins Haus. Ich spazierte hingegen im Garten umher und setzte mich schließlich auf eine Steinbank. Mit meinem Fuß rollte ich einen Stein hin und her und dachte darüber nach, was Desdemona mir anvertraut hatte. Es gab also einen anderen Mann, der für sie, zumindest im Augenblick, wichtiger war, als ihr Ehemann. Als Schwester wollte ich natürlich, dass sie meinen Bruder, und nur meinen Bruder, liebte. Aber als Frau wusste ich nur zu gut, dass das Herz oft seltsame Wege ging. Nein, ich durfte Desdemona nicht verurteilen, dass sie sich hier und jetzt nach Liebe sehnte. Aber ich durfte auch nicht zulassen, dass sie ihre Ehe leichtfertig aufs Spiel setzte.


Und wie zum Beweis, dass es manchmal wert war, um seine Ehe zu kämpfen, hüpfte Sky hinter der Ecke des Hauses hervor und lief, mit einem Freund im Schlepptau, auf mich zu. "Schlag ein, Mami", rief er mir fröhlich lachend zu. Ich hob meine Hand und wir ließen unsere Hände zusammenklatschen. "Die neue Schule hier ist voll toll", schwärmte er. "Ich hab heute ein Bild von Oma Glinda gemalt und ein Sternchen dafür bekommen."


Sky strahlte über das ganze Gesicht und ich erkannte nicht zum ersten man seinen Vater darin wieder. Meine Ehe mit Dominik war nicht glücklich gestartet. Wir hatten viele Tiefen durchlebt und meine mangelnde Liebe für Skys Vater gehörte sicherlich zu den tiefsten. Es dauerte zwar lange, doch schlussendlich erkannte ich, dass ich nur Dominik liebte und für immer bei ihm sein wollte. Und vielleicht würde es Desdemona ähnlich ergehen. Sie durfte nur keine übereilten Entscheidungen treffen.


Ich konnte kaum so schnell gucken, da lief Sky auch schon wieder davon, gefolgt von dem Jungen mit dunklem Lockenkopf. "Ach übrigens", drehte mein kleiner Sohn sich noch einmal um und rief mir zu, "der Direktor von unserer neuen Schule ist hier und will dich mal sprechen, Mami. Er wartet vor dem Haus." Der Direktor war hier? Mit den Fingerspitzen zupfte ich meine Frisur zurecht und ging zum Eingang des Hauses. Dort wartete in der Tat ein Mann, etwa in meinem Alter, auf mich, der sich als Direktor Wladimir Walter vorstellte.


Ich lud Direktor Walter zu einem Kaffee ins Haus ein und wir unterhielten uns über Sky und Klaudia. Er gab offen zu, dass er die beiden zunächst nur an seiner Schule aufgenommen hatte, weil meine Schwester über einigen Einfluss verfügte. Ich fragte mich, ob er etwas von ihren kriminellen Machenschaften wusste, oder ob er nur ihren Ruf als reiche Bürgerin dieser Stadt meinte. Nachdem der Direktor gegangen war, setzte ich mich mit Klaudia zusammen an den Schachtisch. "Der Direktor ist sehr angetan von dir und deinem Bruder", erzählte ich ihr während des Spiels. "Ihr habt euch offenbar vorbildlich in die neue Schule integriert." Ich konnte sehen, wie Klaudias Brust vor Stolz anschwoll. Sie war bisher nie wirklich gut in der Schule gewesen. Nicht schlecht, aber auch nicht überragend. Lob vom Direktor zu erhalten, war daher etwas ganz Neues.

 

Teil 1: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 Z
Teil 2: 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 R