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Im ersten Moment wollte ich ihr hinterherlaufen, doch ich erkannte,
dass das zum jetzigen Zeitpunkt wenig Sinn gehabt hätte.
Sie war im Moment wütend auf mich und wenn ich versuchen
würde, auf sie einzureden, dann würde ich es nur noch
schlimmer machen. Dennoch stand ich auf und blickte auf das
Wasser im Kanal herab, das gemächlich an mir vorbeifloss.
Hatte ich wirklich ein Verhalten an den Tag gelegt, dass die
Kinder an meiner Liebe zu ihrem Vater zweifeln ließ? Ich
war so in Gedanken versunken, dass ich nicht bemerkte, wie jemand
von hinten an mich herantrat und seinen Kopf über meine
Schulter beugte. "Na, denkst du gerad an dein Kasimir-Hasi-Bärchen?"
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Vor Schreck schrie ich auf und verlor fast das Gleichgewicht.
Doch Dominik gelang es noch in letzter Sekunde, mich festzuhalten.
Er kam sich wohl sehr witzig vor, denn er hörte mit dem
Kichern gar nicht mehr auf. Die Vorstellung, mich inmitten der
Algen und Seerosen im Kanal sitzen zu sehen, musste ihn wohl
sehr amüsiert haben. "Tut mir leid, Brodlowska, ich
wollte dich nicht erschrecken", erklärte er lachend.
"Aber du standst da so gedankenversunken, diese Gelegenheit
dich zu erschrecken konnte ich mir einfach nicht entgehen lassen."
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Doch mir war nicht nach Lachen zumute. Dass erkannte auch Dominik
schnell und nahm sanft meine Hand. "Ich habe dein Gespräch
mit Klaudia mit verfolgt", gestand er. "Ich zweifle
nicht im mindesten an deiner Liebe, Brodlowska. Aber ich kann
Klaudias bedenken auch nicht von der Hand weisen. Was hält
uns davon ab, genau jetzt zu heiraten? Es fallen keine Bomben
mehr und wir sind hier bei deiner Familie. Wir haben schon so
viele Jahre verschwendet und in den letzten Monaten haben wir
hautnah miterlebt, wie unser Leben von einem Tag auf den anderen
auf den Kopf gedreht werden kann." Ich sah Dominik unsicher
an. So ernst wie eben, hatte er noch nie zuvor mit mir gesprochen.
Er wollte mich heiraten und das am liebsten sofort.
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Und mir fiel einfach kein vernünftiger Grund mehr ein,
warum wir es nicht tun sollten. "Okay, Dominik, dann lass
uns heiraten. Ich bin bereit." Ein breites Grinsen erschien
auf Dominiks Lippen und er erinnerte mich plötzlich an
den unverschämten Jungen, den ich vor so vielen Jahren
auf einem Grillfest zum ersten Mal begegnet war. Er erinnerte
mich an den Jungen, den ich zuerst so sehr verabscheute, den
ich im Laufe der Zeit aber mehr und mehr zu lieben gelernt hatte,
und ohne den ich mir heute mein Leben nicht mehr vorstellen
konnte. Er legte seien Hände um meine Taille und streichelte
mich, während ich mit meinen Fingerspitzen seine Wange
liebkoste und meine Hände schließlich auf seinen
Schultern ruhen ließ. Und wie zum Zeichen der Zustimmung
zu unserer Hochzeit, erklangen im Hintergrund die Glocken von
St. Marien, meiner Taufkirche.
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Wagner - Brautchor
(aus Lohengrin)
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Die Idee wurde vom Rest der Familie begeistert aufgenommen.
Sofort begannen Klaudia, meine Schwester und Desdemona mit den
Planungen. Die Idee einer schlichten standesamtlichen Trauung
im Rathaus wurde schnell verworfen. Ebenso konnte ich mich nicht
damit durchsetzen, kein weißes Kleid zu tragen. Ich fand
die Vorstellung zunächst befremdlich, mit Mitte Vierzig
und als Mutter von drei Kindern, noch einmal in Weiß vor
dem Altar zu stehen. Aber als ich dann am Tag unserer Hochzeit,
in dem langen weißen Kleid und Spitzenschleier auf dem
Kopf, begleitet von meinem Vater den Mittelgang der Kirche entlang
schritt, war ich überglücklich, dass Klaudia so lange
auf mich eingeredet hatte.
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Solch eine Hochzeit hatte ich mir als junges Mädchen immer
gewünscht. Als ich Dominik zum ersten Mal heiratete, da
liebte ich ihn noch nicht. Ich wusste, dass unsere Ehe nur eine
Farce war und ich sie deshalb nie vor Gott schließen könnte.
Doch diesmal war alles anderes. Ich liebte Dominik über
alles und ich war bereit, ihm ein Versprechen vor Gott zu geben.
Als ich auf den Alter zuschritt, wanderte mein Blick über
die Sitzbänke der Kirche, in der sich trotz der eilig einberufenen
Trauung, viele Freude eingefunden hatten. Jetzt wo der Krieg
vorüber war, war es Orion gelungen, Dominiks Eltern, Tristan
und auch meine beste Freundin Gerda nach SimCity zu holen. Ich
war überglücklich, sie an diesem besonderen Tag an
meiner Seite haben zu können. Und selbst meine Tante Kasia,
Paps Schwester, war extra aus Warschau angereist.
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"Halt, Brodlowska, bitte kurz stehen bleiben", forderte
Dominik mich überraschend auf. Ich blickte ihn verwundert
an, weil ich nicht ganz verstand, was er mit dieser Aktion bezweckte.
Derweil kniff Dominik ein Auge zusammen und formte aus seinen
Fingern einen Rahmen und blickte hindurch. "Das nenne ich
mal ein wunderschönes Bild", sagte er anerkennend
und entlockte mir damit ein strahlendes Lächeln. "Gut,
Brodlowska, du hast den optischen Test bestanden. Ich denke,
mit dir als Frau an meiner Seite, werde ich mich auf der Straße
ruhig blicken lassen können. Herr Pfarrer, sie können
dann loslegen."
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Sky konnte sich das Lachen kaum verkneifen und biss sich daher
auf die Hand. Und auch mein Bruder grinste fröhlich vor
sich hin. Orions Mutter Lucy und seine beiden Halbschwestern
Annabelle und Cora guckten hingegen recht verwundert. Sie kannten
Dominiks Humor bislang nicht und waren...nun...etwas verwundert,
um es freundlich auszudrücken. Doch ich wusste, dass solche
Sprüche ganz einfach Dominiks Art waren, mir seien Liebe
zu zeigen. Und dafür liebte ich ihn.
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Mein Vater begleitete mich bis an den Altar und übergab
mich dort meinem zukünftigen Ehemann. "Pass gut auf
mein Mädchen auf", sagte er zu Dominik. Sein Tonfall
ließ erkennen, dass er überzeugt davon war, dass
Dominik genau das tun würde. Zur Bestätigung nickte
Dominik meinem Vater kurz zu und reichte mir dann seine Hand.
Ich übergab den Brautstrauß an meinen Vater, ergriff
Dominiks Hand und gemeinsam lauschten wir den Worten des Priesters.
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Ich konnte mich hinterher an den Großteil des Gottesdienstes
und der Predigt nicht mehr erinnern. Aber Dominiks Worte bei
dem Austausch unserer Ringe, gruben sich tief in mein Gedächtnis.
"Brodlowska, diesen Ring, den ich hier in meiner Hand halte,
habe ich schon vor vielen Jahren gekauft. Damals, direkt nach
der Geburt unserer ersten Tochter, die heute leider nicht bei
uns sein kann, wollte ich dir diesen Ring geben. Doch zu dem
Zeitpunkt waren wir noch nicht füreinander bestimmt."
Die Erwähnung von Kinga versetzte mir einen kurzen Stich.
Ich hatte Joanna darum gebeten, dass sie ebenfalls zur Hochzeit
kommen könne, doch meine Schwester hatte diese Bitte erneut
abgelehnt. Ihrer Ansicht nach, war Kinga noch lange nicht bereit,
wieder ein Mitglied unserer Familie zu werden. "Doch ich
wusste immer, dass es eines Tages so weit sein würde und
habe diesen Ring für dich aufbewahrt. Und heute hat das
Warten endlich ein Ende. Oxana Brodlowska, mit diesem Ring nehme
ich dich zu meiner Frau, die ich auf ewig lieben werde."
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"Dominik, ich weiß, dass ich dir das Leben nicht
immer leicht gemacht habe. Ich habe Fehler begangen, die so
unverzeihlich sind, dass ich niemals zu hoffen gewagt hätte,
dass du mir eines Tages wieder vertrauen könntest. Ich
verspreche dir, dass ich ihn Zukunft immer ehrlich zu dir sein
werde und das keine Geheimnis mehr zwischen uns stehen soll.
Ohne dich fühlt sich mein Leben leer an. Du bringst mich
jeden Tag aufs Neue zum Lachen und machst mich glücklich.
Und ich hoffe, dass auch ich dich glücklich machen werde,
für den Rest unseres Lebens. Dominik Blech, mit diesem
Ring nehme ich dich zu meinem Mann, den ich auf ewig lieben
werde." Und mit diesem Worten streifte ich Dominik seinen
Ehering über den Ringfinger.
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Mendelssohn
- Hochzeitsmarsch

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"Hiermit erkläre ich euch beide nun zu Mann und Frau",
verkündete der Priester. "Was Gott zusammengeführt
hat, dass soll der Mensch nicht trennen. Sie dürfen die
Braut nun küssen." Das ließ Dominik sich nicht
zweimal sagen. Er legte die Hände an meine Hüfte und
zog mich zu sich heran. Noch nie hat sich ein Kuss von ihm so
gut angefühlt, wie in diesem Moment. Ich schmolz förmlich
dahin und wie von Geisterhand geführt, hob sich mein linker
Fuß zum Himmel.
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Draußen vor der Kirche hatte meine Tante Kasia einen alten
polnischen Brauch für uns vorbereitet. Alle Gäste
hatten Kleingeld in die Hand gedrückt bekommen, und warfen
es vor uns auf den Boden, als wir als letztes die Kirche verließen.
Sky hatte so viel Freude daran, dass er immer wieder Münzen
hinterherwarf. Dominik und ich mussten das Geld nun schnell
aufsammeln und zwar in einem Wettbewerb. Wer am Ende das meiste
Geld zusammen hatte, der würde auch in Zukunft Herr über
die gemeinsamen Finanzen sein. Und Dominik gelang tatsächlich
der Sieg. Nun gut, sollt er unser Konto doch verwalten, solang
ich darüber entscheiden dufte, wofür wir das Geld
ausgaben.
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Die Hochzeitsfeier würde gleich im Anschluss im Garten
meiner Schwester stattfinden. Es war zwar bereits Herbst, aber
die Nächte waren immer noch recht warm und für dieses
Wochenende war kein Regen angekündigt. Die Gäste gingen
schon einmal vor, immerhin lag das Haus nur einige hundert Meter
von der Kirche entfernt. Die engste Familie zog sich derweil
noch einmal in den Park hinter der Kirche zurück und Tristan
schoss für unser Familienalbum eine Vielzahl wunderschöner
Erinnerungsfotos.
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Nachdem die Bilder geschossen waren, schlossen wir uns wieder
der restlichen Hochzeitsgesellschaft an, die sich bereits vor
Joannas Haus versammelt hatte. Und unter Applaus und Jubel der
Gäste eröffneten Dominik und ich die Feier. Sky schien
erst in diesem Moment zu begreifen, dass ich seinen Vater tatsächlich
geheiratet hatte und nun seine echte Mutter geworden war. Und
dieser Gedanke schien ihm im ersten Moment nicht so ganz zu
schmecken. Doch ich nahm es ihm nicht übel. Auch wenn er
seine leibliche Mutter Ingrid kaum kannte, so war sie doch seien
Mutter. Und mit Dominiks und meiner Hochzeit war sie nun unwiederbringlich
aus seinem Leben verschwunden.
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Zum Glück war er deswegen nur einen ganz kurzen Moment
traurig. Denn spätestens als das Essen serviert wurde,
war Sky wieder begeistert von der Hochzeit. Zusammen mit seiner
Cousine Magda ging er zum Büffet und betrachtete fasziniert
die Hummer. Die sahen zwar lustig aus, aber wer wollte schon
Hummer, wenn er auch Spaghetti Bolognese haben konnte? Erwachsene
waren manchmal wirklich seltsam.
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Nun, ich fand den Hummer köstlich. Doch das Essen war eigentlich
nur Nebensache. Ich genoss es einfach nur, so viele geliebte
Menschen um mich versammelt zu sehen. Nach den Schrecken des
Krieges war diese Feier eine Wohltat für uns alle. Und
meine Tante Kasia hatte ich nun schon seit einigen Jahren nicht
mehr gesehen. Ich fand es wunderbar, dass sie ohne zu zögern
in ein Flugzeug gestiegen und nach SimCity geflogen war, nur
um meiner Hochzeit beizuwohnen. Immerhin war der Frieden mit
Simnistrien noch sehr zerbrechlich und die SimNation nur einen
Wimpernschlag von einer erneuten Katastrophe entfernt.
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Kayah
- Prawy do lewego
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Aber solch trüben Gedanken wollte ich an diesem Tag nicht
nachhängen. Dominik hatte wohl genau erkannt, dass ich
wieder einmal begann, viel zu viel nachzudenken. Also kam er
an den Tisch, an dem ich mit Klaudia und meiner Tante saß,
und reichte mir die Hand. Meine Schwiegermutter Glinda muss
Dominiks Gedanken gelesen haben, denn sie stand augenblicklich
bei der Stereoanlage bereit und legte Musik für uns auf.
Und nicht etwa einen schnöden Walzer, sondern gleich mitreisende
Klänge. "Ihr beiden macht das genau richtig",
sagte sie zu uns, als mir ausgelassen zu tanzen begannen. "Und
all ihr andern, los auf die Tanzfläche", forderte
sie die Gäste auf. "Das Büffet wird in einer
Stunde auch noch da stehen."
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Viel Überzeugungskraft brauchte sie dafür nicht. In
wenigen Augenblicken füllte sich die Tanzfläche. Jeder
tanzte, wie er konnte und wie es ihm Spaß machte. Ob im
Paar, wie meine Schwester mit ihrem Mann, oder alleine, wie
der Mann meiner Tante Ewa, ob jung, wie Jakób, oder alt,
wie meine Tante Kasia. Alle hatten ihren Spaß.
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