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Und Dominik ganz besonders. Und um das unter Beweis zu stellen,
vollführte er mit mir die wildesten Figuren. Vor Schreck
und Lachen zugleich, hätte ich fast das Gleichgewicht verloren,
als er mich nach hinten fallen ließ und erst in letzter
Sekunde in seinen starken Arm auffing.
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Langsam setzte die Abenddämmerung ein und schließlich
wurde es dunkel. Doch die Tanzfläche leerte sich nicht.
Ich hatte ganz vergessen, wie viel Freude es machte, die ganze
Nacht durchzutanzen. Und an Tanzpartnern mangelte es mir nicht.
Als Braut war ich die begehrteste Tänzerin an diesem Abend.
Dominik, mein Schwager Tobias, mein Bruder Orion, mein Schwiegervater
Anan und mein Vater, sie alle mussten regelrecht darum kämpfen,
wer als nächstes mit mir tanzen durfte.
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Schließlich wurde mir eine kurze Verschnaufpause gegönnt,
als Joanna zur Sektflasche griff und einen Toast auf das frisch
vermählte Brautpaar ausbrachte.
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Und in Anschluss stießen Dominik und ich noch einmal ganz
für uns alleine an. Ich war in diesem Augenblick so froh,
dass Klaudia uns zu dieser Hochzeit gedrängt hatte. Es
gab wirklich keinen vernünftigen Grund, warum Dominik und
ich hätten noch länger warten sollen. Aber ohne ihr
Einwirken hätten wir sicherlich immer weitere Gründe
dafür gefunden, warum der richtige Zeitpunkt für die
Hochzeit noch nicht gekommen war.
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Und dies war der richtige Zeitpunkt. Trotz der schwierigen politischen
Lage, hatte es selbst meine beste Freundin Gerda geschafft,
nach SimCity zu kommen. Aufgrund des Hochzeitstrubels, hatte
ich mich noch gar nicht richtig mit ihr unterhalten können.
Und ich sog begierig jede noch so kleine Neuigkeit in mich auf,
die sie über den Kriegsverlauf in der Sierra Simlone und
das Schicksal meiner Freunde und Nachbarn zu berichten hatte.
Erleichtert hörte ich, dass es ihrer Familie gut ging.
Niemand war verletzt worden. Hans und ihr Schwiegersohn Franz
hatten die simnistrische Gefangenschaft wohlbehalten überstanden
und Gerdas Farm hatte keinerlei Schaden genommen. Es schien
so, als ob die Kappes diesen unsäglichen Krieg bald zu
den Akten würden legen können.
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Und auch Tristan ging es gut. Zum Glück ist er bei dem
Raketenangriff auf den Bohrturm nicht zu schwer verletzt worden.
Sein Beinbruch war wieder verheilt und die meisten Kratzer und
blauen Flecken waren ebenfalls wieder verschwunden. Er konnte
sogar ausgiebig mit mir tanzen. Frank hatte sich vorbildlich
um ihn gekümmert.
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Auch Klaudia genoss die Feier sehr. Endlich hatte sie einen
Grund, sich so richtig fein zu machen. Ihre Cousine Magda hatte
ihr dabei geholfen, ein Kleid auszusuchen und ihr etwas von
ihrem Schmuck geliehen. Als Klaudia sich das erste Mal im Spiegel
gesehen hatte, konnte sie kaum glauben, dass dieses schöne
Mädchen wirklich sie selbst war. Für einen kurzen
Moment hatte sie befürchtet, dass sich Magda einen schlechten
Scherz mit ihr erlauben würde und dass ihre Cousine wollte,
dass sie sich lächerlich machte, weil sie sich wie ein
Pfau herausputzte. Doch dieser Gedanke verschwand schnell, als
sie von allen Seiten Komplimente erhielt. Und so bildete sie
an diesem Abend mit Magda und Tante Ewas Tochter Olivia ein
unzertrennliches Dreiergespann und hatte sehr viel Spaß.
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Auf eine Hochzeitstorte verzichteten wird diesmal. Ich konnte
mich nämlich noch allzu gut daran erinnern, wie wir die
Reste unserer ersten Hochzeitstorte noch Monate später
essen mussten, weil so viel davon übrig geblieben war.
Aber um Mitternacht durfte Nachttisch trotzdem nicht fehlen.
Wobei die Männer auch dann immer noch eher Lust auf etwas
Deftiges hatten und über die Spaghettireste herfielen.
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Langsam löste sich die Hochzeitsgesellschaft auf und etwa
gegen drei Uhr nachts verabschiedeten sich auch die letzten
Gäste. Ich war froh, dass Joanna einen Buttler beschäftigte
und wir uns um das Aufräumen keinen Kopf machen mussten.
Leichte Panik brach aus, als wir Sky auf einmal nicht mehr wiederfinden
konnten. Doch der kleine Kerl war einfach nur so müde geworden,
dass er direkt unter dem Tisch eingeschlafen war. Er wachte
nicht einmal auf, als Dominik ihn hochhob und ihn nach oben
in sein Bett trug.
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Schlussendlich lagen auch Dominik und ich in unserem Bett. Desdemona
war mit Gerda und meinem Bruder in einem Hotel untergekommen
und so hatten Dominik und ich das Zimmer für uns allein.
Wir waren viel zu erschöpft, um in dieser Nacht auch nur
daran denken zu können, unseren ehelichen Pflichten nachzukommen.
Das hatten wir in den vorrangegangenen Nächten ohnehin
ausgiebig getan. Ich war einfach nur froh, neben Dominik, meinem
Ehemann, zu liegen, seien Hand zu halten und genau zu wissen,
dass wir für den Rest unseres Lebens zusammen bleiben würden.
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Obwohl wir erst spät ins Bett gekommen waren, stand ich
am nächsten Morgen früh auf. Ich brachte es dann doch
nicht übers Herz, Christian mit dem Aufräumen ganz
alleine zu lassen. Außerdem tat mir die frische Morgenluft
ganz gut. Eigentlich war ich der Meinung, gestern nicht viel
getrunken zu habe. Das Brummen in meinem Schädel ließ
aber vermuten, dass ich mich an das ein oder andere Glas Sekt
nicht mehr so recht erinnern konnte. Ich überprüfte
gerade, ob im hinteren Bereich des Gartens noch dreckiges Geschirr
zu finden war, als die Terrassentür aufgeschoben wurde,
Tristan herauskam und mich mit einem Kapitänsgruß
begrüßte.
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"Bist du jetzt unter die Seefahrer gegangen", fragte
ich meinen langjährigen Mitbewohner lachend und nahm ihn
herzlich in den Arm. "Ich weiß auch nicht",
entgegnete dieser. "Dieser Kanal hinter dem Haus hat mich
einfach dazu verleitet." Er grinste. "Du warst gestern
übrigens wunderschön, Oxana". Ich wurde rot bei
seinem Komplimente. "Und ich fand es schön, dass du
es zur Hochzeit geschafft hast. Ich hätte so gerne auch
Roland, Brandi und so viele andere hier gehabt. Es war gut,
dass wenigstens ein paar meiner engsten Freunde hier sein konnten."
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Unweigerlich musste ich an Benny, Frau Jolowitz, und so viel
andere denken, die den Tag meiner Hochzeit nicht einmal mehr
erlebt hatten. Wieder wurde mir die Sinnlosigkeit dieses Krieges
vor Augen geführt. "Es tut mir wahnsinnig leid, dass
ich mit den Kindern verschwunden bin, ohne ein Wort zu sagen",
entschuldigte ich mich bei Tristan aufrichtig. Diese Angelegenheit
hatte mir schon seit Tagen auf der Seele gebrannt. "Ich
hätte mich wenigstens bei dir verabschieden müssen."
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Doch zum Glück war Tristan mir deswegen nicht böse.
"Du hast nur getan, was du tun musstest, Oxana. Du musstest
deine Kinder beschützen. Ich kann das sehr gut nachvollziehen.
Und deine Flucht war riskant. Je weniger Leute davon wussten,
desto besser. Wir haben ja alle gesehen, dass die Simnistrier
nicht vor dem Töten zurückschrecken. Und ich weiß,
dass es dir nicht leicht gefallen ist, deine Freunde in der
Sierra Simlone zurückzulassen. Ich werde dir deswegen niemals
einen Vorwurf machen." Mir fiel ein Stein vom Herzen.
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Doch dann wurde er ernst und an seinem zerknirschten Gesichtsausdruck
konnte ich erahnen, dass die Neuigkeit, die er mir mitteilen
wollte, mich nicht erfreuen würde. "Auch ich hätte
dir schon längst etwas sagen müssen", gestand
er mir. "Aber ich wollte dir deinen großen Tag nicht
verderben". Seine Stimme klang wirklich ernst und unweigerlich
bekam ich eine Gänsehaut am ganzen Körper. "Es
geht um Grünspan. Es hat da einen Vorfall gegeben..."
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"Grünspan?", keuchte ich. "Stimmt etwas
mit der Farm nicht?" Ich hatte bislang vermieden, an die
Felder, die Plantage und die Rinderherde zu denken. Mir war
klar, dass sie in den Wochen meiner Abwesenheit furchtbar gelitten
haben mussten. Vermutlich musste ich in vielen Bereichen wieder
völlig von Neuem beginnen. "Es geht nicht so sehr
um die Farm", entgegnete Tristan. "Viel mehr geht
es um das Haus. Du weiß ja, dass es von den Simnistriern
als Hauptquartier genutzt wurde. Als es zu dem großen
simnationalen Gegenschlag bei SimVegas kam, da wurde auch der
Widerstand in Sierra Simlone Stadt geweckt. Niemand weiß
so genau, wie es passierte, aber da gab es diese Explosion und...und
das Haus..." Mir wurde schwindelig. Nein, das durfte nicht
wahr sein. Nicht mein Haus, nicht Grünspan!
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Am liebsten wäre ich sofort in die Sierra Simlone aufgebrochen,
doch die politische Lage ließ dies noch nicht zu. Niemand
durfte die von Simnistrien besetzten Gebiete betreten oder verlassen,
solange die Friedensverhandlungen mit der SimNation noch im
vollen Gange waren. Es dauerte zwei weitere Wochen, bis die
Gespräche zu einem abschließenden Ergebnis kamen.
Und die Bedingungen des Friedens waren für mich und alle
Bewohner der Sierra Simlone ein Schock. Die gesamte Sierra,
sowie die südlichen Gebiete der Provinzen Matosimhos und
Las Marsimas wurden an Simnistrien abgetreten. Sie bildeten
nun die Sierra Simnistria, ein Übersee-Département,
das direkt der Regierung Simnistriens unterstand. Für die
Bewohner dieser Region galt es nun eine Entscheidung zu treffen.
Erklärten sie sich dazu bereit, der simnationalen Staatsbürgerschaft
abzuschwören, konnten sie in ihre Heimat zurückkehren
und Bürger Simnistriens werden. Waren sie dazu nicht bereit,
dann blieb ihnen nur die Möglichkeit, sich von ihrer Heimat
zu verabschieden und der Sierra Simlone für immer auf Wiedersehen
zu sagen.
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