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Irgendwie gelang es mir, ihn zurück zu halten. Doch ich wusste,
dass mir das nicht mehr sehr lange gelingen würde. Giovanni
wurde zunehmend ungeduldig. Als wir in seinem Hotelzimmer ankamen,
lag ein Päckchen auf dem großen Doppelbett. „Ich
habe schnell ein Geschenk für dich kommen lassen, Bella.
Mach es auf“. Ich folgte zögerlich seiner Bitte, aber
insgeheim war ich froh für diese Verzögerung. Boris
sollte sich mit der Rettungsaktion beeilen, denn ich wollte schleunigst
von hier weg.
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Ich hob den Deckel des Kartons und fand darin ein Negligee. „Bei
unserem letzten Treffen hast du genau so eins getragen, Bella“,
flüsterte Giovanni über meine Schulter in mein Ohr.
„Ich will, dass du es für mich anziehst“. Ich
bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, mich diesem Mann fast
nackt zu zeigen. Doch ich sah keinen Ausweg. Ich betete, dass
Boris gleich hier auftauchen würde. Und bis es so weit war,
musste ich das Spiel mitspielen. Ich warf Giovanni deshalb den
verführerischten Blick zu, der mir in dieser Situation gelang
und verschwand im Bad.
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Ich ließ mir viel Zeit mit dem Umziehen. Und selbst, als
ich fertig war, setzte ich mich einfach auf den Rand eines Podestes
neben der Dusche, nur um nicht wieder hinaus zu müssen. Doch
irgendwann wurde Giovanni ungeduldig „Bella, wie lange willst
du mich noch warten lassen? Komm zu deinem Hengst“. Ich
atmete tief durch und trat dann aus dem Badezimmer.
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Ich schämte mich furchtbar. Vor allem, als ich bemerkte,
dass Giovanni nur in Unterwäsche bekleidet auf dem Bett saß.
Und ihm entging meine Zurückhaltung keineswegs, allerdings
interpretierte er sie auf eine ganz andere Weise. „Oh, du
willst heute als die unschuldige Jungfrau spielen? Du weiß,
wie mich dieses Spiel anmacht“. Ich begann leicht zu zittern.
Warum half mir bloß keiner? Und warum war Boris noch immer
nicht da?
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Giovanni erhob sich vom Bett und holte zwei Sektgläser, die
auf dem Nachttisch vorbereitet standen. Eines davon reichte er
mir. „Lass uns auf unser unerwartetes Widersehen anstoßen,
Bella. Hoffentlich muss ich am nächsten Morgen nicht wieder
alleine aufwachen“. Ich lächelte mutig und nahm dann
einen großen Schluck von dem prickelnden Getränk. Giovanni
nippte nur kurz an seinem Glas, nahm dann auch meins aus der Hand
und stellte beide auf dem Schreibtisch ab.
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Und dann kam er auf mich zu. Ich wich instinktiv einen Schritt
zurück, doch Giovanni zog mich mit einem kräftigen Griff
zu sich heran. „Nein, Bella, heute wirst du mir nicht entwischen“.
Und dann begann er ungestüm meinen Hals und mein entblößtes
Dekoltee zu küssen. Ich schloss meine Augen und ließ
alles über mich ergehen. Aber ich betete, dass mich jemand
aus dieser furchtbaren Situation retten würde.
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Doch es kam niemand. Und Giovannis Hände drangen forsch unter
mein Negligee. Das ging zu weit. Ich wollte nicht mehr und versuchte
mich zu wehren, doch das stachelte ihn nur noch mehr an. Und plötzlich
begann sich alles um mich herum zu drehen. Das Hotelzimmer begann
vor meinen Augen zu verschwimmen und ich merkte, wie meine Knie
nachgaben. Verwirrt blickte ich in Giovannis Gesicht, auf dem
sich ein fieses Grinsen abzeichnete. „Ich habe dir doch
gesagt, dass du mir diesmal nicht entkommen wirst“. Diese
Worte waren die letzten, die ich hörte, bevor alles um mich
herum schwarz wurde.
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„Boss, sie wird wach“. Eine dumpfe Stimme drang an
mein Bewusstsein. Langsam öffnete ich meine Augen, doch in
dem Dämmerlicht konnte ich kaum etwas erkennen. Ich versuchte
mich zu bewegen, doch es ging nicht. Panik stieg in mir auf. Es
dauerte einige Minuten, bis ich realisierte, dass ich gefesselt
war. Dann fiel mir auf, dass ich plötzlich eine Jeans und
ein schwarzes Oberteil trug. Was war bloß passiert? Und
wo war ich?
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„Sie mal an, wer endlich aufgewacht ist“. Ich blickte
auf und sah direkt in Giovannis Gesicht. Erneut versuchte ich
mich von den Fesseln zu lösen, doch das löste bei Giovanni
nur ein Lachen aus. „Spar dir deine Kräfte, Joanna,
du wirst sie noch bitter nötig haben. Du entkommst mir nicht“.
Er ging zu einem Schreibtisch hinüber und holte etwas. Direkt
vor meinen Augen ließ er meine Halskette mit dem eingebauten
Mikrofon aus seiner Hand fallen, die nun wie ein Uhrpendel hin
und her schwang. „Beeindruckende Technik, Joanna. Und die
Ohrringe erst. Wir hatten sie beim ersten Check glatt übersehen.“
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„Aber glücklicherweise gibt es ja Rudolf“, er
zeigte auf einen finsteren, hageren Mann in der Ecke. Wahrscheinlich
war es seien Stimme, die ich zuvor gehört hatte. „Er
ist ein sehr genauer Mann.“ Meine Kette und die Ohrringe
waren weg? In diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich nun völlig
auf mich allein gestellt war. Keiner konnte mir jetzt mehr helfen.
Ich bekam Angst, furchtbar Angst. Wo war ich hier bloß hineingeraten?
Vorgestern war ich noch bei Dominik und den Kindern und heute
wurde ich von einem unberechenbaren Ganoven festgehalten. Das
musste alles ein schlechter Traum sein!
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„Was wollen Sie von mir?“. Diese Frage kostete mich
alle Kraft, die ich aufbringen konnte, und ich sah Giovanni ängstlich
an. „Warum denn so förmlich, Joanna?“, er kam
mit seinen Gesicht bis auf wenige Millimeter an meins heran, sodass
ich seinen heißen Atem spüren konnte. „Du weiß
ganz genau, weshalb du hier bist. Und wenn du hier wieder leben
rauskommen willst, dann solltest du deine Spielchen vergessen.
Noch einmal legst du mich nicht herein“.
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Ich wusste nicht, wovon er sprach. Meine Schwester muss ihn irgendwann
hintergangen haben, aber woher sollte ich etwas davon wissen?
Ich blickte Giovanni immer noch an, wie ein verängstigtes
Kind, doch davon nah er kaum Notiz. „Weißt du eigentlich,
was das für ein Gefühl war, vor sechs Monaten. Da wach
ich auf, und die Frau, die ich noch wenige Stunden zuvor geliebt
hatte ist weg. Und was muss ich dann feststellen? Alle meine Festplatten
mit den Zugangscodes zum chinesischen Sattelitennetzwerk sind
auf wundersame Weise unbrauchbar. Hast du wirklich geglaubt, dass
ich nicht sofort wusste, dass du mich nur ausgenutzt hast, um
an die Daten zu kommen?“. Sein Blick Blick spiegelte blanken
Hass wider.
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„Als ich dich dann gestern bei General Nabakov sah, wusste
ich, dass meine Chance zur Rache gekommen war. Du hast es mir
allerdings leichter gemacht, als erwartet. Im Sekt war ein Schlafmittel.
Das du das nicht durchschaut hast? Ich verstehe immer noch nicht,
warum du überhaupt so bereitwillig mitgekommen bist. Hab
ich etwa doch Eindruck bei dir hinterlassen? Du warst nur Mittelmaß,
wenn ich ehrlich bin. Jede Hure in Neapel hat mehr zu bieten,
als du, Joanna. Aber richtig, dein versoffener Gorilla sollte
mich beseitigen, während du mich ablenkst, habe ich Recht?
Nur zu dumm, dass ich schneller war. Dieser Fettsack war wirklich
kein Gegner für mich“ Boris!? Oh mein, Gott, er hatte
Boris umgebracht! Ich begann am ganzen Körper zu zittern,
denn ich erkannte, dass dieser Mann zu allem fähig war.
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Giovanni packte mich am Kinn und zwang mich dazu, ihm direkt in
die Augen zu sehen. „Ich will meine Daten zurück, Joanna.
Wo hast du sie versteckt?“ Oh Gott, oh Gott, bitte hilf
mir! Woher sollte ich wissen, wo die Daten waren? Ich war doch
nicht die, für die er mich hielt. „Ich habe sie nicht“,
antwortete ich deshalb wahrheitsgemäß. Ich hatte Mühe
damit, dass meine Stimme sich nicht überschlug. „Das
war ein Fehler, Joanna. Du hättest mir einfach sagen sollen,
wo du die Daten hast. Aber du hast es ja so gewollt“. Er
trat einen Schritt von meinem Stuhl zurück und nickte Rudolf
zu, der dreckig grinste. Der Schmerz, der dann folgte, war unbeschreiblich.
„Ahhhhh!“. Ich schrie wie eine Wahnsinnige. Mein ganzer
Körper zuckte und der Geruch von versengtem Haar drang an
meine Nase. Erst als der Schmerz nachließ, erkannte ich,
dass ein Stromschlag meinen Körper durchzuckt hatte.
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„Nun, vielleicht hast du deine Meinung inzwischen geändert,
Joanna. Das war nur eine kleine Kostprobe von dem, was dich noch
erwartet, wenn du mir nicht sagst, was ich hören will“.
Ich zitterte heftig und unter Schluchzen beteuerte ich, dass ich
seien Daten wirklich nicht hatte. Doch Giovanni lachte nur hämisch
und im gleichen Augenblick durchzuckte der nächste Stromschlag
meinen Körper. Der Schmerz war noch viel unerträglicher,
als beim ersten Mal. Tränen liefen über mein Gesicht,
doch das beeindruckte Giovanni nicht im geringsten.
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Nach dem dritten Schlag spürte ich, wie mein Herz unkontrolliert
raste. Ich hatte das Gefühl, als ob meine Brust jeden Moment
zerspringen würde. „Bitte aufhören“, flechte
ich Giovanni unter Tränen an. „Hör bitte auf.
Ich weiß nicht, wo deine Daten sind. Ich bin nicht die,
für die du mich hältst. Ich bin nicht Joanna. Ich bin
es wirklich nicht!“. Doch Giovanni schüttelte nur den
Kopf. „Also wirklich, Joanna. Du musst dir schon eine bessere
Geschichte einfallen lassen. Als ob ich die Frau nicht erkennen
würde, mit der ich wochenlang das Bett geteilt habe“.
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Ich weiß nicht, wie lange Giovanni mich noch quälen
ließ. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen
und jedes Zeitgefühl verloren. Ich hörte kaum noch seine
Fragen, spürte nicht, wie er mich schlug, wie die Stromschläge
meinen Körper durchzuckten. Ich konnte irgendwann nicht einmal
mehr weinen. Schließlich verlor ich das Bewusstsein. Das
erlöste mich…. zumindest für den Augenblick.
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Aus weiter Ferne drang das Tropfen von Wasser an mein Ohr und
allmählich kam ich wieder zu mir. Doch damit kehrte auch
der Schmerz zurück. Ich stöhnte heftig, als ich versuchte,
mich zu bewegen. Alles tat weh, meine Arme, meine Beine, meine
Brustkorb, mein Gesicht, einfach alles. Ich realisierte, dass
ich auf kalten, dreckigem Beton lag. Ich schlug meine Augen auf
und blickt mich um, so weit es ging, ohne meinen Kopf zu bewegen.
Ich war allein.
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Ich hatte nicht die Kraft, mich aufzurichten. Also bleib ich liegen.
Der Dreck und die Feuchtigkeit waren mir egal. Mir war alles egal.
Ich wollte nur, dass der Schmerz aufhörte. „Nimm mich
zu dir, Herr“, flüsterte ich kraftlos und spürte,
wie Blut aus meinem Mund quoll. „Herr, erlös mich von
diesen Qualen“. In diesen Moment wünschte ich mir nichts
mehr, als zu sterben und in Gottes himmlisches Reich aufgenommen
zu werden. Und als sich die süße Dunkelheit erneut
um mich legte, schien mein Wunsch sich zu erfüllen.
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