Kapitel 5
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„Und bald kommt ja auch schon der kleine principe oder die kleine principessa auf die Welt“, fuhr Signora Camara begeistert fort. „Wann ist es denn so weit?“ „Ich bin jetzt am Anfang des fünften Monats“, antwortete ich und gab ihr erfreut die Erlaubnis, meinen Bauch berühren zu dürfen. „Der Geburtstermin ist für Mitte Mai angesetzt.

 
 
 

Nach dieser Begrüßung führte Seniora Camara uns durch das Weingut. Francesco war besonders an dem Weinkeller interessiert, in dem die Fässer mit dem Wein aus diesem Jahr lagerten. Die Weinlese war längst abgeschlossen, daher standen die Weinpressen zu meinem Leidwesen alle still. Aber Francesco interessierte sich ohnehin eher für den fertigen Wein und nicht so sehr für den Vorgang der Herstellung. „Dieses Jahr werden wir eine sehr guten Wein verkaufen können. Der Sommer war sehr sonnenreich, es hat aber auch ausreichend geregnet“, erklärte die Winzerin. „Wir haben auch schon ausprobiert, unseren Wein mit dem aus ihrem Gut zu mischen, Lord Hartfels. Die Süße unseres Jahrgangs zusammen mit dem herben Geschmack der Trauben aus Rodaklippa harmonieren wunderbar. Sie müssen gleich ein Glas davon probieren.“

 
     
 

Das ließ Francesco sich nicht zweimal sagen und wir kehrten in das Haupthaus zurück. Seniora Camara öffnete eine Flasche des eben erwähnten Coupage-Weins und schenkte Francesco ein Glas ein. „Und für sie, Lady Hartfels, habe ich einen ausgezeichneten Saft aus unseren Trauben.“ Auch mir schenkte sie ein Glas ein. Der Traubensaft schmeckte so, wie ein Traubensaft eben schmeckte. Aber Francesco schien von dem Coupage-Wein sichtlich angetan. „Sie müssen mir davon ein paar Flaschen mitgeben, Signora Camara. Meine Mutter wird diesen Wein lieben.“

 
     
 

Danach nahm Francesco mich zur Seite und ergriff meine Hände „Ich werde mit Signiora Camara den Rest des Tages Verträge ausarbeiten müssen, Klaudia. Ich werde eine größere Menge ihres Weines kaufen. Du würdest dich hier nur langweilen. Ich habe daher einen der Pflanzer gebeten, dich zu den Ruinen unweit von hier zu fahren. Dann siehst du wenigstens etwas von der schönen Landschaft.“

 
   
 

Ich war schon enttäuscht, dass ich auch diesen Tag wieder nicht vollständig mit Francesco verbringen konnte. Aber als Frau des Lords von Rodaklippa sollte ich mich schon einmal an diesen Zustand gewöhnen. Leider spielte auch das Wetter nicht so richtig bei meinen Besichtigungsplänen mit. Der leichte Schneefall war in einen unangenehmen Dauerregen übergegangen. Die Ruinen des Amphitheaters waren deswegen nicht weniger beeindruckend, aber bei Sonnenschein hätte die Besichtigung sicher noch mehr Spaß gemacht.

 
   
 

Der Pflanzer berichtete zudem, dass es in der Nähe noch die Ruinen eines alten Thermalbades gäbe. Da ich ohnehin schon durchnässt war, entschied ich, dass ein paar Minuten länger im kalten Regen nun auch nichts mehr ausmachen würden. Also marschierte ich durch den aufgeweichten Boden zu den Ruinen. Und diese waren wirklich sehenswert. Den besonderen Charme machten die roten Mohnblumen aus, die überall zwischen den Mauerresten wuchsen. Die unterirdischen heißen Quellen sorgten dafür, dass sie selbst im Winter noch gut gediehen. Wie schön musste es hier erst im Sommer aussehen.

 
     
 

Erst als ich wieder im Hotel ankam, merkte ich, wie durchgefroren ich eigentlich war. Aber ein heißes Bad half mir, mich schnell wieder aufzuwärmen. Und auf diese Weise könnte ich das einzige wirklich luxuriöse Zimmer unseres Hotels entsprechend würdigen.

 
     
 

In den folgenden Tagen bekam ich noch weniger von Francesco zu sehen als zuvor. Seine Geschäfte und politischen Verpflichtungen führten ihn nach Pisa, Lucca und Florenz. Ich hätte all diese Städte auch gerne gesehen. Aber Francesco überzeugte mich, dass ich dort nur die Hotellobbys zu sehen bekommen hätte und ich in meinem Zustand ohnehin lieber nicht so weiter Strecken fahren sollte. Also verbrachte ich meine Tage damit, Monte Vista zu erkunden, selbst wenn es dabei wie aus Eimern schüttete. Auf einem meiner Streifzüge entdeckte ich eine kleine, verwinkelte Buchhandlung, die wunderschöne Bilderbücher für Kleinkinder im Angebot hatte. Mein kleiner Zwerg würde sich darüber sicher sehr freuen, also schlug ich gleich zu.

 
   
 

Das ungewöhnlich kalte Winterwetter wich bald den Vorboten des Frühlings. Es wurde warm. So warm, dass man auch ohne Jacke auf die Straße gehen konnte. Man merkte richtig, wie sich die Gassen Monte Vistas wie nach einem Winterschlaf wieder mit Menschen füllten. Und auch mich zog es auf die Straße, und zwar mit meiner Gitarre. Ja, ich wusste, dass es nicht standesgemäß war. Aber ich hatte hier noch nirgendwo Paparazzi entdeckt und was Francesco, oder besser gesagt seine Mutter, nicht wussten, machte sie nicht heiß. Und den Einheimischen schien mein Spiel zu gefallen, denn sie ließen ordentlich Trinkgeld da.

 
 

Dean Martin - That's Amore

   
 

So schön meine Spaziergänge durch Monte Vista und die Umgebung auch waren, so war ich doch am glücklichsten, wenn Francesco bei mir war. In den letzten Tagen vor unserer Abreise hatte er keine Geschäfte mehr zu erledigen und gemeinsam besichtigten wir noch einmal die Ruinen des Amphitheaters und der Therme. Am Abend unserer Abreise aßen wir dann in einem Bistro in der Altstadt. Das Wetter war inzwischen so gut, dass man selbst in der Abendluft kaum fror. Vor dem Bistro war eine Tanzfläche aufgebaut und Francesco musste mich nicht zweimal zum Tanz auffordern. Es war so wunderschön. Der Mond schien über der Burg und ich lag in Francescos Armen. Das Wort „Liebe“ war weder ihm noch mir in den letzten Wochen über die Lippen gekommen. Aber konnte es noch einen Zweifel geben, dass wir und liebten. Wie sonst hätte ich so glücklich sein können?

 
 

 

 

 
     
 

Unsere dreiwöchige Hochzeitsreise ging wie im Flug vorbei. Als wir nach Simskelad zurückkehrten herrschte dort im Gegensatz zur Toskana noch tiefster Winter. Das Schneetreiben war sogar so schlimm, dass wir von SimCity anstelle des Flugzeuges die Bahn nehmen mussten. Am Bahnhof in Rodaklippa stiegen wir in ein Taxi. Erst nach einigen Minuten bemerkte ich, dass wir weder in die Cilia Gade, noch hinaus zu Schloss Hardsten fuhren. „Wir fahren zu unserem eigenen Haus, Klaudia“, klärt Francesco mich auf meine Frage hin auf. „Mutter hat mich darüber informiert, dass es nun bezugsfertig sei.“

 
 

An unser eigenes Haus hatte ich gar nicht mehr gedacht. Vor meiner Hochzeit hatte ich solche Angst davor gehabt, mit Francesco unter einem Dach leben zu müssen, dass ich den anstehenden Umzug völlig verdrängt hatte. Aber jetzt? Jetzt konnte ich mir vorstellen, wie schön es werden könnte mit ihm und unserem Baby in dem neuen Haus. Das Taxi bog in ein Wohnviertel unweit der Innenstadt von Rodaklippa ein und hielt vor einem Haus, das von einem gusseisernen Zaun umgeben war. Ungläubig starrte ich es an. „Francesco, ist das etwa…unser Haus?“ Francesco nickte lächelnd. „Und wir werden dort ganz allein wohnen?!“ Wieder nickte Francesco. „Das Volk erwartet, dass ihr Lord und ihre Lady standesgemäß hausen. Und du musst zugeben, es ist doch ein hübsches Haus.“

   
   
   

Oh ja, das war es in der Tat. Aber vor allem war es riesig! „Hast du es noch vergrößern lassen?“, fragte ich überwältigt. Ich hatte das Haus einmal von außen besichtigt, aber damals war es mir viel kleiner erschienen. Francesco verneinte meine Frage. „Wir haben lediglich die Efeuranken entfernt und die Bäume im Vorgarten fällen lassen. Dadurch erscheint es größer. Aber es ist immer noch dasselbe Haus.“ Ich sah, dass die groben Sandsteinmauern sorgfältig abgestrahlt und die Umrahmungen der Fenster und der übrigen Dekorelemente neu gestrichen worden waren. Obwohl dieses Haus um ein vielfaches kleiner war als Schloss Hardsten, erschien es mir nicht weniger prachtvoll.

 
   
 

Mein Mann forderte mich dazu auf, das Haus zu betreten. „Es ist noch nicht vollständig eingerichtet“, entschuldigte er sich im Vorfeld. „Unsere Hochzeit und die Renovierung haben nicht gerade unerhebliche Kosten verursacht. Wir könnten uns das leisten, aber es wurde nicht eben mal aus der Portokasse bezahlt. Für die Innenausstattung wurde mir nur ein begrenztes Budget bewilligt. Aber spätesten nach der Weinlese im Herbst können wir wieder größere Anschaffungen tätigen. Dann kannst du das Haus nach deinen Wünschen weiter einrichten.“ Ich hörte seine Worte kaum, denn ich war zu überwältigt vom Inneren des Hauses. Das Wohnzimmer, mit der breiten Holztreppe in der Mitte, glich eher einem Ballsaal. Die Einrichtung war wirklich noch sehr karg, aber das was dort stand war von hoher Qualität. Und zu meiner Überraschung wirkt im Inneren alles sehr modern. Es war ein schöner Kontrast zum klassischen Äußeren des Hauses.

 
       
 

Wir setzten die Besichtigung im Esszimmer fort. Wie im Wohnzimmer befand sich auch in diesem Raum ein offener Kamin. Und es war genug Platz für weit mehr als sechs Personen, für die der Raum im Moment eingerichtet war. „Ich habe Alexis angewiesen sich zu bemühen, bei der Auswahl der Möbel deinen Geschmack zu treffen. Wenn ich mich recht entsinne, ist doch türkis-grün deine Lieblingsfarbe? Du kannst aber selbstverständlich alles nach deinem Geschmack verändern. Immerhin bis du die Dame des Hauses.“ Doch das würde nicht nötig sein. Ich fand alles perfekt, so wie es war. Und ganz besonders, weil Francesco tatsächlich meine Lieblingsfarbe kannte.

 
 
   

Auch die Küche war modern eingerichtet. Es fehlte ihr zwar noch die persönliche Note, aber das würde mit der Zeit schon kommen. „Alle Installationen wurden ausgetauscht“, berichtete Francesco und ich erkannte, dass es ihm Freude bereitete. „Im ganzen Haus wurden die Strom- und Wasserleitungen ausgetauscht. Wir werden also keine bösen Überraschungen erleben.“ Ich ging gleich zum Spülbecken hinüber und öffnete den Hahn. Und wie zum Beweis von Francescos Worten strömte ein klarer, kräftiger Wasserstrahl heraus.

 
     

Die übrigen Räume im Erdgeschoss waren noch nicht eingerichtet. Daher stiegen wir die Treppe hinauf ins Obergeschoss. Die Treppe war von einer Galerie umrandet, von der man einen guten Blick in das Wohnzimmer hatte. Wie wundervoll musste dieser Raum aussehen, wenn er weihnachtlich dekoriert war? Ich konnte es kaum erwarten, hier nächstes Jahr mit meiner kleinen Familie unter dem Weihnachtsbaum zu sitzen und im Esszimmer meine Verwandten und Freunde zu bewirten. Das Obergeschoss war von einem großen, flurartigen Raum geprägt. „Du konntest hier dein Atelier einrichten, Klaudia“, schlug Francesco vor.

   
   
   

Gleich hinter der ersten Tür befand sich das Badezimmer. „Das hier ist unser Hauptbadezimmer. Wenn unser Kind erst einmal größer ist, werden wir sicherlich ein zweites Bad brauchen. Aber vorerst wird das hier genügen.“ Das würde es ganz sicher. Und es gab neben der Dusche auch eine Badewanne. Die hatte ich in der Cilia Gade schmerzlich vermisst.

 
   

Als nächstes führte er mich in das Zimmer ganz am Ende des Flurs. Verwundert blickte ich ihn an, als er mir das leere Zimmer zeigte. „Das hier, Klaudia, wird das Zimmer unseres Kindes. Es ist der sonnigste Raum im ganzen Haus. Und ich habe mir gedacht, dass du es vielleicht gerne selbst einrichten würdest, sobald wir das Geschlecht des Babys erfahren haben.“ Sofort sah ich den Raum mit anderen Augen. „Ja, hier können wir die Wiege hinstellen“, rief ich begeistert. „Und hier, hier kommt die Wickelkommode hin. Und die Wände müssen anders gestrichen werden. Am besten mit bunten Tieren drauf. Mama kann mir sicher dabei helfen.“

 

 

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kor. 01.03.2015