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In Windeseile hatte Lottchen ihre Sportsachen angezogen und lief hinaus in die hereinbrechende Dunkelheit. Die frische Luft tat so gut. Aber noch besser war das Gefühl, endlich der Enge des Hauses entkommen zu sein. Ihr Vater würde erst in gut zwei Stunden nach Hause kommen. Sie hatte also Zeit. Eigentlich dachte Karlotta, dass sie durch das Laufen den Kopf frei bekommen würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Ihre Gedanken kreisten nur noch um die ihrer Meinung nach absolut unfaire und viel zu harte Strafe. Und je mehr sie nachdachte, desto wütender wurde sie. |
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Und dann entdeckt sie ein kleines Mädchen, das allein im Park stand und offenbar auf jemanden wartete. Karlotta sah sich um, konnte aber keine weitere Person entdecken. Na, was machst du denn hier so alleine im Dunkeln?, dachte sie. Das ist aber gar nicht klug von dir. Was wenn ein böser Mensch vorbeikommt und dir etwas tut? Ein böser Mensch wie ich, hehehehe! |
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In ihren Gedanken lachte sie hämisch und schlich sich vorsichtig an das nichtsahnende Mädchen heran. Und mit einem Satz sprang sie das Mädchen von hinten an und brüllte laut wie ein Grizzlybär, der gerade ein Elchkalb riss. Das schrille, panische Kreischen des Kindes durchbrach die Stille der Nacht…und Karlotta kriegt sich vor Lachen kaum noch ein. Man, hatte das gut getan! |
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Dem Mädchen war gar nicht zum Lachen zumute. Vor Panik zittert sie am ganzen Körper und weinte dicke Tränen. Zum Glück tauchte in diesem Moment ihr Freund auf, der auf der Suche nach Käfern für einen Moment im Gebüsch verschwunden war und auf den sie gewartet hatte. Weinend lief sie auf den Jungen zu und berichtete schluchzende, was vorgefallen war. |
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„Das war aber nicht nett von Ihnen!“, beschwerte sich der Junge. Eigentlich hatte Karlotta genug Spaß für heute gehabt, aber so freche Worte konnte sie sich nicht bieten lassen. Mit finsterem Blick ging sie auf die beiden Kinder zu. „Was hast du da gesagt, Kleiner!“ Der Junge musste zwar schlucken, aber er hielt Karlottas Blick stand. |
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„Ich habe gesagt, dass Sie eine gemeine Frau sind. Es war nicht nett, Lizzy so zu erschrecken.“ „Ich mache was mir gefällt“, entgegnete Karlotta aufgebracht. „Und freche Kinder wie euch fresse ich zum Frühstück!“ |
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Es reichte, dass sie ihre Hände wie Klauen in die Luft streckte und durch ein Zucken andeutete auf die beiden verängstigten Kinder loszugehen. Panisch kreischend ergriffen diese die Flucht. Und Karlottas einzige Angst bestand darin, sich vor Lachen gleich in die Hose zu machen. Was für ein Spaß! Oh ja, heute Nacht würde sie wunderbar schlafen können.
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Teil 5 |
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Lottchen war nicht glücklich, aber meine vierzehnjährige Tochter saß ihren restlichen Hausarrest, den sie für als Strafe für die Bier-Aktion auf dem Spielplatz erhalten hatte, ab, ohne sich erneut zu beschweren. Und nach insgesamt zwei Wochen durfte sie endlich ihr Smartphone wieder benutzen und das Haus verlassen. Was war sie erleichtert! Lieber hätte sie sich das Bein gebrochen, als noch länger von den sozialen Medien getrennt zu sein. |
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Ich war nur froh, dass sie wieder glücklich war. Hatte mein kleines Mädchen nicht genug gelitten? Um zu zeigen, wie stolz ich war, dass sie ihre Strafe so tapfer überstanden hatte, fuhr ich in die Stadt, um ihr etwas Hübsches zum Anziehen zu kaufen. |
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Und auch für Francesco entdeckte ich etwas Schönes. Es gab ein neues Bartpflegprodukt seiner favorisierten italienischen Kosmetikmarke und ich war mir sicher, dass er es sich noch nicht selbst gekauft hatte. Sicher würde er sich über diese kleine Aufmerksamkeit freuen. |
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Ich ließ das Geschenk für Francesco schön einpacken. Und da das Rathaus gleich um die Ecke war, entschloss ich mich dazu, meinen Mann, den Lord von Rodaklippa, zu überraschen und ihm an seinem Arbeitsplatz einen Besuch abzustatten. |
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Doch zuvor musste ich noch ganz dringend auf Toilette. Den zweiten Brennnesseltee zum Frühstück hätte ich lieber weglassen sollen. Immerhin waren die Toiletten im Rathaus in einem tadellosen Zustand. |
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Kaum hatte ich mich gesetzt, betrat eine Frau den Raum. Sie telefoniert mit jemandem und nahm meine Anwesenheit nicht wahr…oder es war ihr schlicht egal, dass jemand ihr Gespräch mit anhören konnte. „Ja, wenn ich es dir doch sage, Cathy, er hat mich heute wieder mit einem Blumenstrauß überrasch“, sprach die zu der Person am anderen Ende der Leitung. „Das macht er jetzt schon seit einigen Wochen. Und du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön die Blumen sind. Die müssen ein vermögen gekostet haben.“ |
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„Und letzten Monat hat er mir diese Halskette geschenkt. So wunderschön, sage ich dir…Aber Cathy, ich sagte dir doch schon, er ist mein Vorgesetzter! Außerdem ist er verheiratet…Und ich weiß, dass er gut aussieht. Sehr sogar. Diese wundervollen himmelblauen Augen. Welche Frau würde da nicht schwach werden.“ |
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Plötzlich wurde ich hellhörig. Vorgesetzter? Verheiratet? Himmelblaue Augen? Und die Stimme der Frau kam mir auch so bekannt vor. War das nicht Amy March-Tracy, die persönliche Assistentin von Francesco. Aber was redete sie da bloß? Sprach sie etwas von meinem Mann? Aber warum um Himmels Willen sollte Francesco ihr Geschenke machen? Das ergab doch alles keinen Sinn. |
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Geräuschlos erhob ich mich und starrte durch den Türspalt der Kabine. Ja, es bestand kein Zweifel, das war die Assistentin meines Mannes. Und ihre nächsten Worte versetzen mir einen weiteren Stich. „Er will, dass ich ihn dieses Wochenende nach SimNorsk begleite. Angeblich sollten wir dort einen Bericht für den Stadtrat ausarbeiten. Aber ganz ehrlich, dafür müssten wir nicht extra in ein Hotel fahren und das ganze Wochenende dort verbringen. Ich glaube, er hat da etwas anderes im Sinn. Nun gut, Cathy, ich muss jetzt auflegen. Auf meinem Schreibtisch wartet noch ein ganzer Berg Arbeit. Und eigentlich hätte ich dir das alles auch gar nicht erzählen dürfen. Aber ich bin so glücklich und es musste einfach mal raus. Ich melde mich später wieder bei dir“. |
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Sie legt auf. Dann blickte sie in den Spiegel und fuhr sich mit den Fingern durch die feurig leuchtenden Locken. Ein Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Ganz offensichtlich gefiel ihr, was sie im Spiegel sah. Ein letzter Blick und dann verließ sie den Raum. |
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Als ich mir sicher sein konnte, dass Amy nicht mehr zurückkehren würde, verließ ich schwankend die Kabine. Wie betäubt schritt ich zum Waschbecken und wusch mir minutenlang die Hände. Das konnte doch alles nicht wahr sein. Hatte Francesco etwa eine Affäre mit seiner Assistentin? |
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