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Nein, ich brauchte Gewissheit. Aber dafür musste ich die beiden in einer eindeutigen Situation erwischen, die keinen Zweifel mehr daran ließ, dass die beiden mehr waren, als nur zwei Arbeitskollegen. Ich schlich mich also in Francescos Arbeitszimmer und durchsuchte den Kalender auf seinem Arbeits-PC. Das Passwort hatte ich nach wenigen Versuchen geknackt: Es war sein Geburtstag. |
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Francesco hatte viele Termine: Im Rathaus, in der Stadt oder auch außerhalb von Rodaklippa. Amy würde ihn zu vielen dieser Termine begleiten, aber meistens waren noch andere Angestellte aus dem Rathaus mit eingeplant. Diese Termine waren für mich uninteressant. Francesco würde sich in der Öffentlichkeit sicher diskret verhalten, so gut kannte ich ihn. Doch dann fand ich, was ich suchte. In sechs Tagen war spät abends ein „Mitarbeitergespräch“ eingetragen. Und Francesco und Amy waren die einzigen Teilnehmer. |
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An besagtem Tag fuhr ich zum Rathaus. Die Sonne war bereits untergegangen. Da ich die beiden auf frischer Tat ertappen wollte, kam es nicht in Frage, dass ich einfach durch den Haupteingang spazierte. Stattdessen kletterte ich an den Efeuranken hinauf auf den Balkon vor Francescos Büro. Ich wäre fast hinabgestürzt, als ich nach untern sah und erkannte, wie tief es hinunter ging. Doch ich nahm meinen ganzen Mut und all meine Kraft zusammen und kletterte weiter. |
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Irgendwie schaffte ich es, auf den Balkon zu klettern, ohne mir dabei den Hals zu brechen. Geräuschlos schlich ich zum Fenster und lugte in das Innere. Und da waren sie, mein Mann Francesco und seine Assistentin Amy. An der Szene, die sich mir bot, war zunächst nichts Auffälliges. Die beiden saßen an Francescos Schreibtisch und gingen immer wieder eine Stapel Papiere durch, die vor ihnen ausgebreitet waren. Ich merkte, wie sich die Anspannung in mir löste. Es war also doch nichts. Ich hatte mir alles nur eingebildet. |
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Doch es blieb ein ungutes Gefühl, das mich dazu bewog, noch länger zu spionieren. Lange Zeit passierte nichts. Doch dann änderte sich schlagartig die Stimmung. Beide standen auf und gingen hinüber zu Bar. Francesco nahm auf einem der Hocker Platz und Amy bereitet die Drinks zu. Dies allein hätte mich noch nicht so sehr beunruhigt. Scheinbar waren sie mit der Arbeit fertig und wollten den Abend noch ausklingen lassen. Unter Kollegen war das nichts Ungewöhnliches. Doch irgendetwas war hier anders. Ihre ganze Körpersprache war so locker, so vertraut. Und das gefiel mir gar nicht. |
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Und es wurde nicht besser. Sie tranken die Drinks, lachten, warfen sich immer wieder Blicke zu. Ich konnte nichts von ihrem Gespräch verstehen, aber so viel war sicher, über die Arbeit sprachen sie schon lange nicht mehr. Amy rückte ganz dicht an Francesco heran und legt dann ihre Arme um seinen Hals. Sie sprach und er lächelte. Und er sah so glücklich aus. |
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Und dann küsste er sie. Ganz sanft und liebevoll. Ein Blinder konnte sehen, dass es nicht der erste Kuss war, den keiner von beiden wirkte auch nur im Entferntesten überrascht. Francesco strich Amy eine ihrer dichten roten Locken aus dem Gesicht und dann flüsterte er ihr etwas ins Ohr. Ich konnte mir schon ausmalen, was er sagte. Kurz darauf umarmte sie meinen Mann innig und verließ das Büro. Wenige Minuten später beobachte ich vom Balkon, wie sie das Rathaus durch den Haupteingang verließ und in ein Taxi stieg. |
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Der kalte Abendwind zerrte an mir. Und dennoch war ich zunächst wie in Trance. Francesco setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und blättert durch einige Unterlagen. Offenbar wollte er noch weiterarbeiten. Mein Kopf hingegen war wie leergefegt. Ich wusste was ich gesehen hatte, doch das Ausmaß drang erst nach und nach zu mir durch. Francesco hatte eine Affäre. Er, mein Ehemann, hatte eine Beziehung zu einer anderen Frau. Und als mir das bewusst wurde, begann ich zu weinen. Ich stütze meinen Kopf gegen das raue Mauerwerk des Rathauses und schlug schluchzend mit geballter Faust immer wieder gegen die Wand. |
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Und dann erkannte ich zu meinem Entsetzen, dass ich auf dem Balkon gefangen war. Es war ein Wunder, dass ich heil hinaufgeklettert war. Runter würde ich es ganz sicher nicht in einem Stück schaffen, schon gar nicht in meiner jetzigen emotionalen Verfassung. Und langsam wurde es richtig kalt. Als blieb mir nichts anderes übrig, als an die Scheibe zu klopfen. Zunächst klopfte ich nur ganz vorsichtig. Francesco hört es nicht. Erst beim zweiten Versuch drehte er irritiert den Kopf zum Fenster. |
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Hastig sprang er von seinem Stuhl auf und öffnet die Balkontür. Zitternd kam ich herein. „Klaudia, um Himmels Willen, was machst du hier?“, fragte er besorgt. „Und wie bis du auf dem Balkon gekommen? Ich bin schon seit Stunden im Büro. Wie lange stehst du schon da draußen?“ |
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Ich ging auf seine Frage nicht ein. Dazu fehlte mir die Kraft. „Du…du hast eine Affäre“, stotterte ich stattdessen. „Mit Amy. Warum, Francesco? Warum?“ Die Tränen liefen meine Wangen hinunter. Für einen kurzen Moment weitete Francesco erschrocken die Augen. Doch dieser Ausdruck verschwand schnell wieder. Ich erkannte, dass er es abstreiten, dass er mir eine Ausrede auftischen wollte. Doch das ließ ich nicht zu. Diesmal nicht! |
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„Lüg mich bitte nicht an, Francesco. Ich habe euch eben zusammen gesehen. Und ich habe euch schon vorher reden gehört…am Telefon. Ich habe Gespräche von Amy aufgeschnappt. Ich wusste schon lange, dass da etwas zwischen euch ist, aber ich wollte es einfach nicht wahrhaben. Ich wollte nicht glauben, dass du mich so hintergehen könntest. Aber jetzt habe ich mit eignen Augen gesehen, wie ihr euch geküsst habt. Mehr Beweise brauche ich nicht. Also warum Francesco? Warum?“ |
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Mit jedem Wort zittert meine Stimme mehr und obwohl ich es nicht wollte, musste ich schluchzen. Francesco drehte sich von mir weg, fasst sich an den Kopf und streift nervös im Büro umher. „Was soll ich dir darauf antworten, Klaudia?“, presst er schließlich hervor. „Ja, ich habe eine Affäre mit Amy. Du hast es gesehen. Es ist wahr.“ |
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„Aber warum?“, fragte ich erneut. Er schwieg eine ganz Weile. Dann drehte er sich langsam zu mir um und blickte mich gequält an. „Weil sie mir guttut. Weil ich sie gerne um mich habe. Sie ist witzig, intelligent. Es breitet mir Freude, wenn sie in meiner Nähe ist. Ich kann geistreiche Konversationen mir ihr führen. Ich kann mir ihr über die Arbeit sprechen. Ich…ich habe so etwas noch mit keiner anderen Frau erlebt.“ |
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Diese Worte raubten mir den Atem. Ich hatte immer gewusst, dass zwischen mir und Francesco nie die große Liebe geherrscht hatte. Aber ich hatte geglaubt, dass wir uns auf unsere eigene, seltsame Art irgendwie doch liebten. Denn ich liebte ihn ganz sicher…aber er mich nicht. Und das hatte er ganz offensichtlich noch nie getan, wurde mir jetzt schmerzlich bewusst. „Wie lange schon?“, schluchzte ich. „Klaudia, das ist doch unwi…“ „Wie lang?!“, unterbrach ich ihn. Und schlussendlich antwortet er: „Monate. Vielleicht auch schon seit über einem Jahr. Ich kann nicht mehr genau sagen, wann aus der reinen Arbeitsbeziehung mehr geworden ist. Es war ein schleichender Prozess. Ich habe es nicht darauf ankommen lassen.“ |
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„Du musst es beenden.“ Meine Worte sollten eine Aufforderung sein, doch sie waren nicht mehr als ein trauriges Flehen. Wieder sagte Francesco nichts und lief unruhig im Raum umher. Vor dem Kamin kam er schließlich zum Stehen. Er schwieg lange, bevor er sprach: „Nein, Klaudia, ich werde es nicht beenden. Ich werde Amy nicht aufgeben. Viel zu lange habe ich ohne diese…Gefühle gelebt. Und es war ok, als ich sie nicht kannte. Doch jetzt wo ich weiß, dass man so fühlen kann, will ich das nicht mehr aufgeben.“ |
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Entsetzen zeichnete mein Gesicht. So sollte es nicht laufen. Er solle sich jetzt von Amy lossagen. Mir, seiner Frau, die Treue schwören. „Und was heißt das?“, fragte ich und wusste, dass mir die Antwort nicht gefallen würde. „Das heißt, dass wir so tun werden, als ob es dieses Gespräch nie gegeben hätte. Du wirst vergessen, was du gesehen hast. Wir werden nach Hause fahren und so tun, als ob nichts geschehen sei. Und wir werden beide unser Leben wie bisher leben.“ |
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Alles in mir schrie, dass dies der falsche Weg war. Ich wusste, dass mich diese Lösung unglücklich machen würde. Auf Dauer würde ich daran zerbrechen. Ich wusste es und daher ergriff ich den einzigen Ausweg, der mir noch blieb, auch wenn er das endgültige Aus meiner Ehe bedeuten würde. „Ist es dann nicht besser, wenn wir uns trennen?“, fragte ich und kam auf ihn zu, streckte meinem Arm nach ihm aus. „Hätten wir so nicht beide die Chance, irgendwann glücklich zu werden?“ Er wich zurück, bevor ich ihn berühren konnte. „Klaudia, du weißt, dass eine Scheidung für uns als Lord und Lady von Rodaklippa nicht in Frage kommt. Für einfache Menschen wäre das eine Option, aber nicht für uns.“ |
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