Kapitel 6
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Und darum wollten sie auch nicht mehr lange mit der Hochzeit warten. Innerhalb von wenigen Wochen organisierten die beiden den ganzen Papierkram und ließen sich dann still und heimlich an einem der traumhaften weißen Strände von Isla Paradiso trauen. Nur der Standesbeamte und Thassilo wohnten der Zeremonie bei. Es war eine Trauung, wie ich sie mir auch für mich und Francesco gewünscht hätte. Klein und intim, nicht dieses Megaereignis, was wir in der Kathedrale gehabt hatten. Nur die Anwesenheit meiner Familie hätte mir zum Glück gefehlt.

 
 
 

Es ist wohl überflüssig hinzuzufügen, dass mein kleiner Neffe überglücklich war. Für ihn war es schon das Schönste auf der Welt gewesen, als seine Eltern kurz vor seiner Einschulung wieder zusammengefunden hatten. Aber mit der Hochzeit wurde sein Traum endgültig wahr. Endlich waren die drei eine Familie, die nichts mehr trennen konnte. Wir erfuhren noch am selben Abend von der Hochzeit übers Telefon. Ich freute mich sehr für Sky. Mamas Gefühle waren da getrübter. Nicht dass sie Tammy für eine schlechte Schwiegertochter gehalten hätte. Aber sie war traurig und enttäuscht darüber, dass sie, nachdem sie schon bei der Hochzeit meiner Schwester Kinga nicht anwesend sein durfte, nun auch noch von der Hochzeit ihres Sohnes ausgeschlossen wurde.

 
     
 

Daher fand die kirchliche Trauung einige Monate später in Rodaklippa statt und Mama war wieder besänftigt. Und Tammy sah man da in ihrem weißen Hochzeitskleid schon deutlich den Babybauch an. Sky und sie erwarteten ihr zweites Kind. Und im Gegensatz zum ersten Mal waren sie diesmal gut vorbereitet und konnten sich vorbehaltlos auf das kleine Wunder freuen.

 
     
 

Wenige Monate später erblickte der kleine Balduin das Licht der Welt. Und noch einmal zwei Jahre darauf, gesellte sich mit Lothar ein weiteres Brüderchen dazu. Damit war die kleine Familie komplett. Mama und ich flogen mehrmals im Jahr nach Isla Paradiso um Tammy und Sky zu entlasten, aber auch um einfach ein wenig Zeit mit unserer Familie zu verbringen.

 
   
 

Ein wenig beneidete ich Sky um sein Leben hier. Nicht nur war die Landschaft atemberaubend, sodass ich am liebsten ununterbrochen gemalt hätte, nein, das warme Meeresklima sagte mir unglaublich gut zu. Ich fühlte mich einfach frei und erholt. Ich unternahm stundenlange Spaziergänge an den kilometerlangen Sandstränden. Und wann immer ich dazu Lust hatte, stieg ich einfach ins Wasser. In Rodaklippa war das nur in einem sehr engen Zeitfenster im Hochsommer möglich. Und selbst da musste ich ständig befürchten, dass neugierige Fotografen mich im ungünstigsten Licht in meinem Badeanzug ablichteten. Auf Isla Paradiso musste ich mir darüber keine Sorgen machen. Die badende Lady von Rodaklippa erregte hier nicht mehr Aufsehen, als ein umfallender Sack Reis in China.

 
   
 

Und ich fand es herrlich, dass sich auf der Insel fast das gesamte Leben unter freiem Himmel abspielte. Überall fand man Innenhöfe und luftige Säulenhallen. Die stetige Meeresbriese sorgte dafür, dass es tagsüber nicht zu heiß wurde und abends konnte man dann wunderbar auf den Terrassen der zahlreichen Restaurants sitzen und das Essen in vollen Zügen genießen. Meine Aufenthalte bei Sky vergingen daher jedes Mal wie im Flug.

 
 

 

 

   
   
   

Tammy, Sky und meine Neffen waren wirklich glücklich auf Isla Paradiso. Aber als mein Bruder die Möglichkeit erhielt, in einer Kanzlei in Rodaklippa zu arbeiten, musste er dennoch nicht lange überlegen, ob er das Angebot annehmen sollte. Und so zogen er und seine Familie wieder zurück in den Norden der SimNation, in ein schönes, gelbes Haus am Stadtrand. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass meine Eltern nicht glücklicher sein konnten, ihren Sohn und ihre Enkel wieder in ihrer Nähe zu wissen.

 
   
 

„Der Ausblick ist ja fantastisch!“, stellte ich fest, als ich meinen Bruder und meine Schwägerin zum ersten Mal in ihrem neuen Heim besuchte. „Ihr hab das Meer ja direkt vor der Haustür.“ „Schade nur, dass es nicht ganz so kristallklar ist, wie auf Paradiso“, entgegnete Tammy. „Und kalt ist es! Ich habe gestern mal einen Zeh in die Brandung getaucht und bin fast erfroren. Ich werde mich wohl erst wieder an die hiesigen Temperaturen gewöhnen müssen.“

 
   
 

Ja, Tammy hatte Recht, der Sommer war vorbei und mit jedem Tag wurde es kälter und kälter. Aber an dem Tag, als Sky und sie ihre Einweihungsparty gaben, zeigte sich der Oktober von seiner goldensten Seite. Die Bäume hatten einen Großteil ihrer bunten Blätter bereits verloren. Und was als ein Spiel von Thassilo und Balduin begonnen hatte, mündete in eine gemeinsame Blätterschlacht aller Anwesenden, mich und die übrigen anwesenden Erwachsenen eingeschlossen.

   
   
 

Es machte riesig Spaß, auch wenn wir hinterher alle dreckige Hände hatten. Die Kinder tobten noch länger draußen, während sich die Erwachsenen ins Innere des Hauses begaben, ein paar Drinks tranken und dann ausgelassen zur Musik tanzten.

 
     
 

Die Feier war schon in vollem Gange, als es an der Tür klingelte. Thassilo machte auf und entdeckte ein dunkelhaariges Mädchen in seinem Alter. Er bat sie herein und im besseren Licht der Küche begann er zu erkennen. „Lotta, bist du das?“, fragte er verblüfft. Das Mädchen kniff die Augen zusammen, nickte aber. Dann erkannte auch sie ihr Gegenüber. „Thassilo? Nein, das kann doch nicht sein. Du bist…erwachsen geworden.“ Thassilo grinste verlegen. „Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen? Drei Jahre?“, fragte Karlotta. „Eher vier“, entgegnet Thassilo. "Immer, wenn wir Weihnachten in Rodaklippa waren, warst du mit deiner Oma unterwegs. Letztes Jahr in Paris und davor in Rom, nicht wahr?“ Karlotta nickte. „Und zu uns nach Paradiso hast du es leider nie geschafft.“ „Tja, ich bin halt eine viel beschäftigte Frau.“

 
 

„Dann erzähl mal, Lotta, was hast du so getrieben und was hat sich hier in Rodaklippa alles getan, als ich weg war?“, fragte Thassilo meine Tochter gleich weiter aus. „Ach, so dies und das, nichts Aufregendes“, antwortete diese. „Aber das wichtigste: Lotta nennt mich hier keiner mehr.“ Thassilo zog überrascht die Augenbrauen hoch. „Meine Freunde nennen mich jetzt Liz. Du weißt schon, als Abkürzung meines zweiten Vornamens Elisabetta. Ich weiß selbst nicht, wann das begonnen hat. Nur Mama nennt mich immer noch Lottchen.“ Sie verdrehte die Augen. „Ich kann es ihr einfach nicht abgewöhnen.“

   
   
   

Thassilo grinste. „Liz“, sagte er und ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. „Klingt gut.“ „Und wie sieht es bei dir aus? Haben dir die Insulaner auch einen Spitznamen verpasst?“ Thassilo schüttelte lachend den Kopf. „Nein. In der Schule wurde ich meist Thass genannt, manchmal auch Silo. Aber die meisten benutzen einfach meinen vollen Namen. Ist mir auch Recht so.“ „Na, da werden wir uns aber was für dich überlegen müssen“, meinte Karlotta. „Mir und meinen Mädels wird schon was Passendes einfallen.“

 
   
 

„Da bin ich ja mal gespannt“, lachte Thassilo. „Lust auf ein Stück Pizza?“ Dagegen hatte Karlotta nichts einzuwenden. Die beiden setzten sich an den Tisch in der Küche und nahmen sich jeweils ein großes Stück. „Wirst du wieder zu uns auf die Schule gehen?“, fragte Karlotta wenig damenhaft mit vollem Mund. „Ja, sobald die Herbstferien vorbei sind, bin ich wieder da“, entgegnet mein Neffe. „Ich bin ja gespannt, wer von den alten Leuten noch alles da ist. Geht Shamika immer noch mit dir in eine Klasse?“ Und den Rest des Abends verbrachten die beiden damit, sich in Sachen Schule, Mitschüler und Lehrer auf den neusten Stand zu bringen.

 
   

 

 

   
   
 

Die Herbstferien gingen schneller vorbei, als es Karlotta lieb war. Bald schon musste sie wieder im muffigen Klassenzimmer sitzen und verstaubte Bücher wälzen. Immerhin gab es ja die Pausen, in denen sie mit ihren Freudinnen quatschen konnte. In der Mittagspause saß sie mit Shamika und Annabelle an einem der Tische auf dem Pausenhof und ließ sich ihr Mittagessen schmecken. Nun ja, schmecken war vielleicht übertrieben, aber man wurde satt und der Kantinenchef hatte auch schon mal schlechter gekocht.

     
 

Sie hatte gerade den letzten Bissen lustlos in sich hineingeschoben, als sie Thassilo über den Schulhof schlendern sah. Sofort winkte sie ihrem Cousin zu und der gesellte sich bereitwillig zu der Mädchengruppe. „Thass, da bist du ja. Na, wie ist es wieder an der alten Schule zu sein?“ Thassilo verzog das Gesicht und kratzte sich am Hinterkopf. „Hhm, irgendwie hatte ich es lustiger in Erinnerung. Hatte die Lehrer schon immer so einen Stock im A****? Aber da muss ich wohl durch.“ Er und Karlotta begannen zu lachen.

   
   
 

„Mädels“, wandte sich Karlotta an die beiden anderen Mädchen, „ihr erinnert euch bestimmt noch an meinen Cousin Thassilo. Er ist mit seinen Eltern wieder nach Rodaklippa gezogen und wie ihr seht, geht er auch wieder auf unsere Schule.“ „Ich geh jetzt in die 9b“, erklärte er den Mädchen, die sich von ihren Plätzen erhoben hatten. „Shamika und Annabelle, richtig?“ Beide nickten. „Ich hätte euch fast nicht erkannt. Ihr habt euch in den letzten fünf Jahren alle so krass verändert.“

 
     
 

„Du hast dich aber auch verändert, Thassilo“, säuselte Shamika. „Du bist ja richtig braun gebrannt und dein Haar ist jetzt viel länger. Du siehst aus wie ein richtiger Surfer. Ich wette, du bis auf Isla Paradiso ständig auf den Wellen geritten.“ Unweigerlich schwoll Thassilos Brust bei diesem Kompliment an. „Ja, ich habe das ein oder andere Wochenende auf dem Brett verbracht“, bestätigte er stolz. „Das musst du uns dann unbedingt mal zeigen“, mischte sich nun auch Annabelle in das Gespräch ein. „Du siehst bestimmt toll aus nur in Badehose auf dem Brett. Die anderen Jungs hier sind ja alle so langweilig.“

 

 

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kor. 12.08.2023