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Die beiden setzten ihre Küsserei noch eine ganze Weile fort.
Es ging dabei durchaus etwas heftiger zu, aber zu Tristans Bedauern,
blieb es beim Küssen. Allerdings hatte Tristan auch nicht
damit gerechnet, dass er es schaffen würde mit Stev zu schlafen.
Vor allem, weil er noch heute Abend wieder abreisen musste. Sein
Chef hatte ihn angerufen und ihn gebeten, morgen wieder bei der
Arbeit zu erscheinen. Stev hingegen war sehr glücklich, über
den Verlauf des Tages. Beim abendlichen Lagerfeuer starrte er
Tristan unentwegt an und grinste dabei über das ganze Gesicht.
"Was hältst du davon, wenn du einfach mit zu mir kommst?",
schlug Tristan ganz unerwartet vor und starrte dabei ins Feuer.
"Du meintest doch ohnehin, du wüsstest nicht, wohin
du gehen wolltest. Und um ehrlich zu sein, würde ich es schön
finden, wenn wir uns nicht schon trennen müssten".
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"Ist das dein Ernst?", fragte Stev ungläubig. "Ich
meine, geht das denn überhaupt so? Hast du genug Platz? Was
werden deine Mitbewohner sagen?" "Lass das mal mein
Problem sein", entgegnete Tristan. "Also was ist jetzt,
kommst du mit mir mit?". "Ja?", antwortete Stev
zunächst unsicher, doch dann stand er auf und klopfte sich
den Sand von der Badehose. "Ja, ich komme mit. Klar komme
ich mit". Sein unsicherer Gesichtsausdruck wurde von einem
Lachen abgelöst und auch Tristan musste lächeln. Einen
One-Night-Stand hatte ihm dieser Kurzurlaub nicht beschert, aber
wenn er nur etwas mehr Arbeit investierte, konnte er mit Stev
sicher auf seine Kosten kommen.
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"Hier wohnst du also?", fragte Stev beeindruckt, als
er mit Tristan aus dem Taxi stieg. "Unter einem grünen
Holzhaus habe ich mir irgendwie etwas anderes vorgestellt. Das
hier ist ja ein halbe Villa". "Tja, Oxana weiß
halt, wie man vernünftig wohnt", entgegnete Tristan.
"Aber jetzt schnapp dir deinen Koffer und lass uns rein gehen".
Stev griff sich seine Koffer und schritt auf die Eingangstür
zu. Er freute sich zwar, bei Tristan unterzukommen, aber irgendwie
war er auch nervös. Schließlich kannte er diesen Mann
erst seit ein paar Tagen. Und dann gleich bei ihm einzuziehen
war ganz und gar nicht seine Art. Was, wenn er gerade die größte
Dummheit seines Lebens beging?
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Tristan führte Stev durch das Wohn- und Esszimmer bis in
sein eignes Schlafgemach. Der junge Mann stellte seinen Koffer
in der Ecke ab und betrachtete den nicht gerade großen,
aber doch wohnlich eingerichteten Raum. "Wenn du unter die
Dusche willst, dann findest du das Bad entweder hinter der Tür
im Wohnzimmer oder die mittlere Tür, wenn du aus dem Zimmer
nach links gehst". Stev nickte gedankenversunken und strich
die leicht zerknüllte Decke auf dem Bett glatt. "Und
wo schläfst du?", fragte er Tristan, als er mit dieser
Tätigkeit fertig war.
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"Na hier bei dir. Was dachtest du denn?". Tristan ging
auf Stev zu und strich ihm über die Wange. "Etwa in
einem Bett?", fragte dieser sichtlich verunsichert. "Klar,
ich habe nicht vor, auf mein Kissen zu verzichten. Aber wenn du
unbedingt willst, kannst du dich auch auf der Couch im Wohnzimmer
ausbreiten. Allerdings fände ich es viel schöner, wenn
du hier bei mir bleiben würdest". Stev schaute immer
noch verunsichert, aber ein Blick in Tristans grüne Augen
ließ ihn doch weich werden. "Gut", sagte er schließlich.
"Ich warne dich aber schon mal vor, ich klaue nachts gerne
die Decke".
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Tristan durfte in dieser Nacht seine Decke behalten. Da es schon
recht spät war, gingen beide auch gleich ins Bett. Obwohl
Tristan ihn schon etliche Male nur mit Badehose am Strand gesehen
hatte, war es Stev doch unangenehm, sich nur in Pyjamahose vor
Tristan zu zeigen. Also schlüpfte er schnell unter die Bettdecke
und verkroch sich ganz an den Rand des Bettes. Tristan hatte es
zwar geschafft, Stev ins Bett zu bekommen, aber das hatte er sich
darunter nicht vorgestellt. Ein flüchtiger Gutenachtkuss
war auch schon das einzige, was er von Stev erhielt. Aber er wollte
geduldig sein. Schließlich würde sein niedlicher Braunschopf
vom Strand noch einige Tage hier bleiben. Und so schlief er zu
zweit in einem Bett und doch alleine ein.
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Als ich am Morgen in die Küche tapste, entdeckte ich zu meiner
Freude, dass Tristan wieder da war. Überglücklich fiel
ich ihm um den Hals. "Ich war doch nur drei Tage weg",
beklagte er sich scherzhaft. Das war mir klar, aber es kam mir
trotzdem wie eine Ewigkeit vor. "Was hat Dominik denn jetzt
angestellt?", fragte er neugierig. "Soll ich ein Hünchen
mit im rupfen, dass er einfach so abgehauen ist? Ich mach das,
wenn du willst". Ach, es tat so gut, dass Tristan wieder
da war. Jetzt hatte ich endlich jemanden, mit dem ich über
alles reden konnte.
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Ich erzählte ihm gleich alles. Einen Teil kannte er schon,
dass machte es leichter. Meine Affäre mit Albert war kein
Geheimnis für ihn, ebenso Klaudias ungeklärte Vaterschaft
und meine fehlende Liebe zu Dominik am Anfang, in den Jahren vor
unserer Heirat und selbst lange Zeit danach. Eigentlich war nur
neu, dass auch Kinga Alberts Tochter war und das Dominik alles
herausgefunden hatte. Obwohl er mein Freund war, konnte er es
nicht lassen, sich während meiner Erzählung immer wieder
fassungslos die Haare zu raufen. "Du machst vielleicht Sachen,
Oxana." Er schüttelte den Kopf, aber sein Blick zeigte
deutlich, dass er mir keine Vorwürfe machte. "Und du
bist dir sicher, dass Dominik nicht doch noch zurück kommt?"
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"Ach, Tristan, ich würde mir nichts mehr wünschen
als das. Aber glaubst du ernsthaft, dass er mir noch eine Chance
gibt, nach dem, was ich ihm angetan habe? Ganz ehrlich, würdest
du mir verzeihen, wenn ich 14 Jahre lang behauptet hätte,
Kinga wäre deine Tochter?". Tristans Gesichtsausdruck
war antwort genug. "Na siehst du". Trotzdem war Tristans
Wirkung auf mich erstaunlich. Zum ersten Mal seit Tagen konnte
ich wieder lächeln, auch wenn es ein eher trauriges Lächeln
war.
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"Weißt du, was du jetzt brauchst, Oxana? Eine riesige
Portion Eis mit ordentlich Schlagsahne!". Tristan ging zum
Kühlschrank und holte eine Packung Schokoladeneis aus dem
Tiefkühlfach. Er packte den Inhalt auf einen Teller und dekorieret
ihn hier und da mit einem kleinen Sahnehäubchen. "Wir
zwei setzen uns jetzt an den Tisch und verputzen diese Kalorienbombe.
In einer solchen Situation wirkt Schokolade wahre Wunder. Ihr
Frauen habt da so Rezeptoren im Hirn, die Schokolade als Glückshormon
erkennen. Tja, und wir schwulen Männer scheinen diese Dinger
auch abbekommen zu haben. Du kannst gar nicht glauben, wie oft
mich Schokolade schon aus tiefstem Liebeskummer geholt hat".
Ich zweifelte, ob Schokolade wirklich helfen würde, aber
Tristan ließ einfach nicht locker.
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"Hey, was passiert ist, ist passiert. Du kannst nicht ungeschehen
machen, was du Dominik angetan hast. Und wenn du das Eis nicht
isst, dann schmilzt es bei den Temperaturen hier gleich davon.
Und die Schokoflecken kriegst du nie wieder aus dem Teppich raus,
das sag ich dir". Ich holte also zwei kleine Teller und Löffelchen
aus dem Küchenschrank und setzte mich an den Tisch zu Tristan,
der mir sofort eine ordentliche Portion auflud und sogleich begann,
sein eigenes Eis zu verschlingen. Und ich weiß nicht, ob
es wirklich am Eis lag, aber plötzlich hatte ich das Bedürfnis,
in Mitleid zu versinken und allen anderen die Schuld an meinem
verpfuschten Leben zu geben, nur nicht mir. Tristan hörte
einfach nur zu und bestärkte mich in meiner Meinung, dass
ohnehin meine Schwiegermutter an allem die Schuld hatte. Man,
tat das gut. Zu Schade, dass ich nur zu gut wusste, dass es nicht
so war.
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Aber für den Moment war ich glücklich. Und bevor ich
in meinen alten Kummer zurück fallen konnte, öffnete
sich Tristans Zimmertür und ein halb bekleideter Mann trat
ins Esszimmer. "Ich...ich will nur schnell ins Bad und mich
fertig machen", stammelte er verlegen als er mich entdeckte
und verschwand hastig im Badezimmer. Überrascht sah ich Tristan
an. "Wer war das?", fragte ich. "Der?", fragte
Tristan grinsend zurück. "Das war Stev. Ich hab ihn
am Strand kennen gelernt. Er wohnt vorübergehend bei uns.
Ich hoffe, dass ist in Ordnung für dich? Ist der nicht niedlich?"
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"Niedlich? Ja, niedlich trifft es ganz gut", antwortete
ich verunsichert. "Meinst du nicht, dass er ein wenig jung
ist? Der könnte doch fast mein Sohn sein". Tristan zog
eine Grimasse. „Aber nur, wenn du schon mit 12 ein Kind
bekommen hättest. So jung ist Stev gar nicht. Und hey, ich
bin nicht so alt, wie du mich gerade machst", Tristan sah
mich beleidigt an. Ich hob beschwichtigend die Hände. "Schon
gut, schon gut. Und ich denke, es geht schon in Ordnung, wenn
er hier bleibt. Ein wenig Ablenkung wird uns vielleicht allen
gut tun."
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"Ich will ja nicht neugierig sei, aber bist du jetzt mit
ihm 'zusammen'?". Ich stocherte verlegen in meinem Eis herum.
Tristan grinste. "Du meinst, ob ich in ficke?". Ja,
genau das meine ich, trotzdem wurde ich knallrot bei Erwähnung
dieses Wortes. Es war eine Sache es zu tun, darüber zu sprechen
eine ganz andere. "Noch nicht", antworte Tristan. "Aber
ich habe vor, das demnächst zu ändern". "Und
was ist mit Frank? Seid ihr etwas nicht mehr zusammen". Ich
war ehrlich gesagt verwirrt. Erst letzte Woche hatte ich nämlich
mit Frank an diesem Tisch gefrühstückt. Tristan schien
meine Verwirrung aber nicht zu teilen. "Ja, Frank und ich
sind immer noch zusammen. Warum fragst du?"
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Warum ich fragte? War das jetzt ernst gemeint? "Nun, ich
hatte immer angenommen, wenn hier jemand bei dir einzieht, dann
wäre das Frank. Und jetzt steht da ein Typ unter der Dusche,
mit dem du offensichtlich schlafen willst und der jetzt hier wohnt
und es ist eindeutig nicht Frank". Tristan kratzte sich verlegen
an der Nase. "Weißt du, Frank und ich sind zwar zusammen,
aber das heißt nicht, dass wir nicht mal auch mit anderen
Männern ins Bett gehen. Normalerweise bemühe ich mich
darum, dass du davon nichts mit bekommst. Immerhin weiß
ich von deinem Vater und was du von seinen wechselnden Liebschaften
hieltst. Und was Frank angeht, ich liebe ihn, aber ich will nicht
mit ihm zusammen ziehen. Er wohnt doch nur zwei Straßen
weiter. Wenn ich ihn also sehen will, dann bin ich gleich bei
ihm und ansonsten habe ich einfach meine Ruhe. Daran will ich
auch nichts ändern. Frank weiß das". Nun gut,
ich wollte mich nicht in Tristans Liebesleben mischen. Wenn es
für Frank und Tristan in Ordnung war, dann war das gut so.
Nur hatte ich das ungute Gefühl, dass Stev nichts von dieser
Vereinbarung wusste.
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Aber auch das war nicht meine Angelegenheit, entschied ich. Immerhin
war Stev erwachsen und konnte selbst auf sich aufpassen. Und was
Liebesangelegenheiten anbetraf, war ich wohl kaum ein geeigneter
Ratgeber. Ich nutze die Zeit, in der Stev unter der Dusche stand,
um mich selber herzurichten. Man sah mir meinen Schlafmangel zwar
immer noch deutlich an, aber das wollte ich wenigstens mit ordentlicher
Kleidung, Frisur und Make-up überspielen. "Oxana",
stellte ich mich also meinem neusten Mitbewohner vor, als dieser
fertig hergerichtet und bekleidet aus dem Bad trat. "Stev.
Stev Füller", erwiderte er meine Begrüßung.
"Danke, dass ich hier wohnen kann. Ich war praktisch obdachlos,
als Tristan mich aufsammelte". Stev machte einen netten Eindruck,
aber bevor ich ihn weiter kennen lernen konnte, klingelte es an
der Tür.
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Ich war doch mehr als erstaunt, Dominiks jüngeren Bruder
Dennis auf der Veranda stehen zu sehen. "Hi, Oxana",
begrüßte er mich zurückhaltend. "Ich bin
nur hier, um ein paar Sachen für Dominik abzuholen".
"Er wohnt also jetzt bei dir in La Siesta?". Erst wollte
Dennis sich um eine Antwort drücken, doch schließlich
nickte er. "Ja, tut er. Aber er will dich im Moment nicht
sehen und auch nicht mit dir reden. Gib mir einfach seine Sachen
und dann bin ich auch gleich wieder verschwunden".
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Ich holte einen alten Karton von Dachboden und ging mit Dennis
ins Schlafzimmer. "Was braucht Dominik denn alles?",
fragte ich meinen Schwager. Unterbewusst wollte ich dadurch erfahren,
ob Dominik vorhatte, länger weg zu bleiben, oder ob er nur
ein paar Tage zum nachdenken brauchte. "So dies und das,
Unterwäsche, saubere T-Shirts und Hosen. Und seine Arbeitskleidung
will er auch haben". Seine Arbeitskleidung also auch. Das
hieß, er hatte nicht vor, bald wieder nach Hause zu kommen.
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Und als ich so in den Sachen meines Mannes wühlte und sie
in den Karton packte, wurden meine Augen zunehmend feuchter. Und
als ich dann auch noch die Fliege von seinem Hochzeitsanzug entdeckte,
war es ganz vorbei. Ich fing laut an zu schluchzen. Alles war
aus. Ich hatte meine Ehe kaputt gemacht und denn Mann vergrault,
den ich doch so sehr liebte. Dennis stand hilflos neben mir und
wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Und da er keinen
Weg wusste, mir zu helfen, nahm er einfach den Karton mit Dominiks
Sachen und verabschiedet sich hastig. Ich blieb allein in meinem
Schlafzimmer voller Erinnerungen und heulte mir die Seele aus
dem Leib.
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