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Klaudia war immer noch bei ihren Großeltern. Ob Anan und
Glinda schon alles wussten? Mein Schwiegervater hatte schon gestern
durchblicken lassen, dass er wusste, dass etwas zwischen Dominik
und mir nicht in Ordnung war, aber hatte er da schon wirklich
gewusst, dass Kinga nicht sein leibliches Enkelkind war? Ich fürchte,
in dem Fall wäre er nicht so nett zu mir gewesen. Ich fürchtete
mich davor, jetzt mit meinen Schwiegereltern zusammen zu treffen,
trotzdem verließ ich die Simlane und ging mit flauem Magen
das kurze Stück zu ihrem Haus. Bereits aus der Ferne erkannte
ich meinen Schwiegervater, der die Morgenzeitung ins Haus holte,
so, als ob es ein Tag wie jeder andere wäre.
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Ich verlangsamte meinen Schritt. Ich wusste, dass es dumm war,
aber irgendwie wollte ich die Begegnung hinauszögern und
sei es nur um ein paar Sekunden. Doch Anan entdeckte mich sofort
und begrüßte mich mit eben jenem traurigen und enttäuschten
Blick, vor dem ich mich gefürchtet hatte. "War Dominik
gestern noch hier? hat er euch alles erzählt?", fragte
ich beschämt. Anan nickte. "Er war kurz hier gewesen
und hat mit mir gesprochen. Danach hat er sich ein Taxi gerufen
und ist einfach davon gefahren. Du verstehst sicher, dass er nicht
will, dass du weißt wo er jetzt ist". Ich nickte stumm.
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"Wenn er wieder anrufen sollte, kannst du ihm dann bitte
sagen, dass es mir leid tut?", bat ich meinen Schwiegervater.
"Ich wollte ihn nie verletzen. Ich wollte euch alle nicht
verletzen, aber irgendwie hatte sich alles verselbstständigt
und ich sah keinen Weg zurück mehr". Anan lächelte
bekümmert. "Ich werde es ihm ausrichten. Aber Dominik
ist Verletzt und Enttäuscht und das sehr. Ich bin mir nicht
sicher, ob er dir wird verzeihen können, Kind". Ich
biss mir auf die Unterlippe und kämpfte mit den Tränen.
Eigentlich hatte ich das schon selber gewusst, es aber aus dem
Mund eines anderen zu hören, machte es auf einmal viel realer.
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Anan sah, wie ich um meine Fassung rang. "Ach, komm her,
Kind", sagte er deshalb einfach, zog mich zu sich heran und
schloss mich in den Arm. Es tat so gut, einfach nur von jemandem
gehalten zu werden. "Oxana, wir machen alle Fehler",
flüsterte er in mein Ohr. "Wir sind Menschen und manchmal
treffen wir falsche Entscheidungen. Dich dafür zu verurteilen,
würde es auch nicht besser machen. Dominik ist mein Sohn
und ich wünsche ihm nur das Beste, aber du bist auch meine
Tochter, Oxana. Seit 15 Jahren liebe ich dich nun wie mein eigenes
Kind und du hast mehr als einmal bewiesen, was für ein guter
Mensch du bist. Und auch wenn das, was du getan hast falsch war,
gehörst du immer noch zur Familie. Und gib die Hoffnung nicht
auf, dass alles gut werden kann".
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Mein Schwiegervater hatte Recht. Vielleicht würde ja doch
noch alles gut werden? Vielleicht konnte Dominik mir ja verzeihen?
Ich musste ihm einfach Zeit geben. "Was macht die denn hier?",
hörte ich Glindas schrille Stimme. Ich seufzte schwer und
löste mich von Anan. Meine Schwiegermutter kam aus dem kleinen
Gemüsegarten wütend auf mich zugelaufen. "Hast
du falsches Biest meinem Nicky nicht schon genug angetan? Ich
hatte ihn doch gleich gewarnt, was für ein durchtriebenes
Luder du bist! Und jetzt versuchst du dich auch noch bei meinem
Mann einzuschmeicheln. Aber so eine wie dich wollen wir hier nicht
haben! Nimm dieses Kind und verschwinde von unserem Grund und
Boden. Du bist hier nicht mehr willkommen".
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"Dieses Kind? Dieses Kind!?". Mir platze der Kragen.
So viel Jahre hatte ich mich von Glinda schikanieren lassen. Aber
jetzt ging sie zu weit. Es war eine Sache, wenn sie mich beleidigte,
aber sie hatte kein Recht dazu, auch meine Kinder schlecht zu
machen. "Dieses Kind heißt Klaudia und sie ist deine
Enkeltochter. Du hast sie gehalten als sie ein Baby war, du hast
ihre Windel gewechselt und sie ist bei dir ein und aus gegangen,
als ob hier ihr zweites Zuhause wäre. Und das soll jetzt
alles vorbei sein? Du hast sie ja wohl nicht mehr alle, Glinda.
Auch wenn Dominik nicht ihr leiblicher Vater sein sollte, so bleibt
Klaudia doch deine Enkelin. Und genauso ist es mit Kinga! Hass
mich, wenn du willst. Gib mir an allem die Schuld, ich habe es
verdient. Aber lass deine Wut nicht an deinen Enkeltöchtern
aus. Hast du mich verstanden, Glinda!?"
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Glindas Gesicht lief purpurrot an. Dann schnaufte sie und ging
ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen ins Haus. "Es
tut mir leid, Kind", entschuldigte Anan sich bei mir für
seine Ehefrau. "Glinda wird sich wieder beruhigen. Du kennst
sie doch. Ich gehe dann und hole Klaudia. Und zögere nicht,
mich anzurufen, wenn ich auf die Kleine aufpassen soll. Denn du
hattest Recht mit jedem deiner Worte. Die zwei bleiben unser Enkel,
egal was passiert."
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Ich war dankbar dafür, dass mein Schwiegervater immer noch
zu mir hielt. Das war nicht selbstverständlich. Er war schon
lange mehr für mich, als bloß Dominiks Vater. Meine
beiden Väter waren tot und da ist Anan im Laufe der Zeit
ganz von alleine zu einem Ersatzvater für mich geworden,
den ich nicht mehr missen wollte. "Mami, warum war Oma so
böse?". Klaudias Frage riss mich aus meinen Gedanken.
Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihr die Wahrheit
oder eine Notlüge erzählen sollte. Aber vom Lügen
hatte ich genug und früher oder später kamen Lügen
immer ans Tageslicht, dass hatte ich in den letzten Tagen gelernt.
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Ich beugte mich zu ihr hinunter. "Oma ist böse, weil
Mami etwas sehr schlimmes gemacht hat, Pummelchen. Du weißt
doch, dass man nicht lügen darf? Mami hat sich daran nicht
gehalten und sehr vielen Menschen damit wehgetan". "Was
hast du denn angestellt", fragte Klaudia mit so besorgter
Stimme, dass es mich zweifeln ließ, ob ich wirklich erst
eine Siebenjährige vor mir stehen hatte. "Ich habe deinen
Papi angelogen. Und er ist jetzt sehr böse auf mich. Er wird
erst einmal nicht nach Hause kommen, Kleines. Aber das ist ganz
bestimmt nicht die Schuld von dir oder deiner Schwester. So etwas
darfst du nicht glauben, Pummelchen. Daran ist Mami ganz alleine
Schuld. Und auch wenn dein Papi erst einmal nicht da ist, darfst
du nicht vergessen, dass er dich trotzdem ganz doll lieb hat".
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"Aber er kommt doch wieder, oder Mami?". Ich strich
Klaudia über den Kopf und drückte sie an mich. "Ich...ich
bin mir nicht sicher". Es kostete mich viel Überwindung,
Klaudia so offen zu antworten. Noch mehr Überwindung kostete
es mich, ihr den wahren Grund dafür zu nennen, warum Dominik
verschwunden war. "Du weißt doch, dass die Papas den
Mamas die Babys in den Bauch legen." Klaudia nickte. "Und
ich habe deinen Papa erzählt, dass er mir Kinga in den Bauch
gelegt hätte. Aber das war ein Lüge. Ein anderer Mann
hat das gemacht, Onkel Albert, der von den Fotos. Und deinen Papa
so anzulügen, war das Schlimmste, was ich machen konnte.
Und ich bin mir auch nicht sicher, ob dein Papa dich in meinen
Bauch gelegt hat. Vielleicht, aber nur vielleicht, war es Onkel
Albert. Und darüber ist dein Papa auch sehr traurig."
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"Heißt das, dass Papi vielleicht gar nicht mein Papa
ist?". "Ja", hauchte ich kraftlos. "Aber auch
wenn er dich nicht in meinen Bauch gelegt hat, wird er dein Papi
bleiben." Ich drückte Klaudia fest an mich und sie schlang
ihre Arme um meinen Hals. Obwohl eigentlich ich sie trösten
wollte, war es doch so, dass sie mir Trost spendete. "Aber
du bist meine Mami, ja?", fragte sie ganz ernst. "Ja,
das bin ich", antwortete ich und eine dicke Träne kullerte
dabei über meine Wange. "Und das wird auch nie jemand
ändern können".
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Der Duft von gegrillten Würstchen stieg Stev in die Nase.
"Wo hast du denn Hans gelassen?", fragte er Tristan,
der schwer damit beschäftigt war, die Bratwürste zu
wenden und ihnen eine gleichmäßige Bräune zu verleihen.
Beim Sonnenbaden hatte er die Technik ja bereits erfolgreich angewendet.
"Ach der, der hat gestern wohl noch irgendwen aufgegabelt.
Er meinte nur, ich soll mir keine Sorgen machen und dann ist er
mit dem Typen verschwunden. Bestimmt genießen die beiden
gerade ein Frühstück nackt im Bett". Schmunzeln
musste Tristan feststellen, wie Stev leicht rot wurde.
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Bratwürstchen zum Frühstück waren schon etwas seltsam
und mit vollem Magen ins Wasser sollte man eigentlich auch nicht
steigen. Aber was soll’s, schließlich war Tristan
hier um Urlaub zu machen und da durfte alles auch mal anders vonstatten
gehen. Die beiden warfen ihre Klamotten in den Sand und sprangen
direkt in die Fluten. Schade, dass keiner der beiden einen Ball
dabei hatte, aber sie planschten einfach so im Wasser herum, bis
der Salzgeschmack im Mund einfach nicht mehr auszuhalten war.
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Die Stranddusche löste das Salzproblem im Handumdrehen und
ein Slush-Eis aus der Strandbar vertrieb auch den letzten Salzgeschmack.
Da am Vormittag am Strand noch nicht sehr viel los war, entschieden
die beiden, einfach nur am Strand zu liegen und sich von der Sonne
bräunen zu lassen. Und endlich hatte Tristan die Gelegenheit,
bei Stev ein wenig auf Tuchfühlung zu gehen. Gestern in der
Disco hatte er genau bemerkt, wie Stev immer wieder den Körperkontakt
zu ihm gesucht hatte. Zumindest glaubte er, es bemerkt zu haben.
Und als er Stev anbot, ihm den Rücken einzucremen, hatte
dieser rein gar nichts dagegen einzuwenden, selbst als Tristan
den Bund seiner Badehose anhob, um auch das letzte Stückchen
seiner Haut gründlich vor den gefährlichen UV-Strahlen
zu schützen.
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"Du hast eine wirklich schöne Haut", schmeichelte
er Stev und strich ihm über dessen Oberarm, um seiner Aussage
mehr Nachdruck zu verleihen. Augenblicklich wurde Stev wieder
rot und schaute verlegen auf den Boden. Tristan erkannte schmunzelnd,
dass sein Gegenüber sich in einem inneren Konflikt befand.
Einerseits hatte ihm Tristans Kompliment geschmeichelt und es
schien ihm zu gefallen, von diesem Mann begehrt zu werden. Andererseits
zeigte seine ablehnende Körperhaltung, dass er auf Tristans
Flirtversuch nicht weiter eingehen wollte. Warum das so war, verstand
Tristan noch nicht so ganz. Aber er würde der Sache noch
auf den Grund gehen.
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Beim Sonnenbad ließ er Stev noch in Ruhe. Dieser las vergnügt
in einem Buch, während Tristan die Wellen und die anderen
Männer ab Strand beobachtete. Zwischendurch aßen sie
wieder einen Happen in der Strandbar und entdeckten dann einen
Whirlpool. Zu ihrer beider Freude war dieser mit Süßwasser
gefüllt, sodass sie nicht lange zögerten und hinein
stiegen. Tristan begann erst herumzualbern und Stev nass zu spritzen,
doch dann entschloss er sich, einen erneuten Flirtversuch zu wagen.
Er ließ seinen Arm am Beckenrand entlang wandern, bis seine
Hand Stevs Hals erreichte und ihn sanft im Nacken streichelte.
Stev genoss es sichtlich, allerdings nur so lange, bis ihm bewusst
wurde, welchen Eindruck sein zufriedenes Seufzen bei Tristan hinterlassen
könnte. Augenblicklich zog er sich zurück.
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"Tristan, es...es tut mir leid“, stammelte er und wurde
erneut rot. "Was ist denn los mit dir", fragte Tristan
"Gefalle ich dir überhaupt nicht? Wenn ja, dann sag
es, dann lasse ich jeden weiteren Versuch sein. Aber um ehrlich
zu sein, habe ich nicht das Gefühl, dass es so ist".
Langsam schob er sich zu Stev, bis ihre Gesichter sich fast berührten
und sah ihm dabei tief in die Augen. "Also, was ist es dann?",
bohrte er weiter. Stev verzog sein Gesicht. Tristan merkte, wie
unangenehm es ihm war, aber er wollte einfach wissen, was Sache
ist. "Du...du gefällst mir Tristan", antwortete
er schließlich. "Du hast mir schon am ersten Tag in
der Bar gefallen. Aber dann habe ich Panik gekriegt. Das passiert
mir ständig, wenn auch nur die Chance besteht, dass ein Typ
mich gut findet. Ich habe Angst verarscht zu werden und dann laufe
ich einfach lieber weg. Und obwohl wir uns jetzt schon so viel
besser kennen, habe ich immer noch Angst, dass du dir nur einen
Scherz mit mir erlaubst".
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"Keine Angst, Stev, ich habe nicht vor, dich zu verarschen.
Vertrau mir einfach." Tristan schob sich noch ein wenig enger
an Stev heran und küsste ihn zärtlich auf die Lippen.
Dabei hielt er ununterbrochen Augenkontakt mit dem jungen Mann,
um seine Reaktion direkt ablesen zu können. Er sah eine leichte
Furcht in Stevs Augen, aber er erkannt kein deutliches Zeichen
von Abneigung. Also küsste er ihn noch ein Mal, diesmal länger
und intensiver. Er fühlte, wie Stev sich in seinen Armen
entspannte und begann, seine Küsse zu erwidern. Und als er
fühlte, wie Stevs Zunge Einlass in seinen Mund forderte,
wusste er, dass er sein Ziel erreicht hatte.
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