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Eine Snackbar fanden die beiden gleich in ihrer Nähe. "Bist
du ehrlich ganz alleine hier?", fragte Tristan, während
sie ihr Teriyaki Mahi-Mahi verspeisten. "Ja", bestätigte
Stev. "Ich hab vor einigen Wochen meinen Abschluss in Biotechnologie
an der Uni in Paderbrunensis gemacht. Und jetzt wollte ich einfach
mal entspannen. Ich bin einfach in den Bus gestiegen und hier
her gefahren, ohne groß nachzudenken. Um ehrlich zu sein,
habe ich überhaupt keinen Plan, was ich weiter machen will.
Im Moment habe ich nicht einmal eine Wohnung, da ich nach dem
Studium das Wohnheim verlassen musste. Na ja, etwas Geld ist noch
übrig und wenn das erst einmal alle ist, dann suche ich mir
irgendwo einen Job. Ich will erst einmal was komplett anderes
machen, als ich gelernt habe. Kannst mir glauben, die Arbeit im
Labor hängt einem nach ein paar Monaten echt zum Hals raus."
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"Das kann ich nachvollziehen", bestätigte Tristan.
"Ich Arbeite für eine Ölgesellschaft und der Job
ist meist auch alles andere als abwechslungsreich. Tja, wenn ich
du nur nicht so viel Geld verdienen würde.... Aber jetzt
mal was anderes. So ganz alleine hier rumzuhängen ist doch
irgendwie auch öde. Hast du nicht Lust, dich meinem Kumpel
Hans und mir anzuschließen? Wir wollten noch so ein, zwei
Tage hier bleiben". "Aber nur mit euch abhängen,
ja?", fragte Stev skeptisch. "Ich bin doch sicher vor
weiteren deiner genialen Anmachsprüche?" Tristan zog
eine Schnute, lachte dann aber sofort wieder. "OK, geht klar.
Von jetzt an lasse ich dich in Ruhe. Aber wenn du deine Meinung
noch mal ändern solltest, sag nur bescheid. Meine richtig
guten Sprüche konnte ich noch gar nicht zum Besten geben".
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Also war es beschlossene Sache. Hans hatte nichts einzuwenden,
als Tristan mit Stev im Schlepptau wieder bei den Strandtüchern
auftauchte. Hans fand Stev selber ganz niedlich und da dieser
ja anscheinend nicht an Tristan interessiert war, so konnte er
ja seine Chancen ausloten. Stev genoss es auch richtig, nicht
mehr alleine unterwegs zu sein. Ruhe und Einsamkeit waren vielleicht
für ein, zwei Tage gut, auf Dauer brauchte er aber doch Gesellschaft.
Außerdem kannten Tristan und Hans sich hier aus. Die Rollschuhbahn
hätte Stev beispielsweise nie alleine entdeckt, so versteckt
wie sie lag. Allerdings bereute anschließend insbesondere
Hans, dass er sich zum Fahren nicht umgezogen hatte. Seine aufgescheuerten
Knie sprachen Bände.
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Ansonsten verbrachten sie den Tag damit, in der Hängematte
zu faulenzen, am Strand nach Muscheln zu suchen und sich regelmäßig
zu wenden, um eine gleichmäßige Bräune zu erreichen.
Selbst das war zu dritt lustiger als alleine, musste Stev eingestehen.
Außerdem ließ es sich mit den beiden anderen wunderbar
anderen Männern hinterher zu schauen und anschließend
die Beurteilungen auszutauschen. Nur gut, dass keiner den dreien
dabei zuhörte.
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Am Abend stand dann ein Besuch in der Stranddisco an. Nur zu gerne
hätte Hans einmal selber mit Stev getanzt, doch dazu hatte
er keine Gelegenheit. Tristan und Stev klebten auf der Tanzfläche
wie zwei Kletten aneinander. Zudem musste Hans feststellen, dass
Stev Tristan gar nicht so abgeneigt war, wie es zunächst
den Anschein hatte. Zumindest beobachtete Hans immer wieder, wie
Stev seine Hand auf Tristans Brust legte und sie dort länger
verweilen ließ, als es beim Tanzen normal gewesen wäre.
Eifersüchtig war er deswegen nicht. Tristan hatte diesen
Braunschopf ohnehin als erster entdeckt. Und es gab ja auch noch
andere Männer auf der Tanzfläche.
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Die Sonne war längst unter gegangen. Zuvor hatte sie den
Himmel in ein kräftiges Orange getaucht. Doch für die
Schönheit solcher Naturschauspiele hatte ich kein Auge. Selbst
ohne die wärmenden Strahlen blieb die Luft angenehm warm.
Und trotzdem fror ich. Ich zitterte am ganzen Körper und
auch das wärmende Feuer im Kamin schaffte es nicht, die Kälte
aus meinem Körper zu vertreiben. Den ganzen Tag hatte ich
im Esszimmer gesessen und die Eingangstür angestarrt. Wie
sehr hatte ich mir gewünscht, dass sie aufschwang und Dominik
vor mir stand, breit grinsend, als ob nichts passiert wäre.
Doch sie blieb verschlossen.
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Die Tür zu Kingas Zimmer schwang auf. Sie kam auf mich zu,
ihr Gesicht Tränen verschmiert. Ich wusste, dass sie geweint
hatte. Ich habe ihr Schluchzen immer wieder durch ihre Zimmertür
hindurch gehört. Ich hatte überlegt zu klopfen, doch
was hätte ich ihr schon sagen können? Nein, es war gut,
wenn sie sich erst einmal ausweinen konnte. Es gab ohnehin nichts
was ich hätte sagen oder tun können, um ihren Schmerz
zu lindern. Sie war wütend auf mich, ihr Blick voller Zorn.
Ich verstand es, schließlich hatte ich nicht nur Dominik,
sondern auch sie betrogen. "Ich gehe jetzt zu Papa",
sagte sie trotzig und versuchte sich an mir vorbei zu drängeln.
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Es dauerte eine Weile, bis ihre Worte meinen Verstand erreicht
hatten. Als ich begriff, was sie vorhatte, griff ich nach ihrem
Handgelenk und hielt sie zurück. "Das kannst du nicht
machen, Kinga", erklärte ich müde. "Lass deinem
Vater Zeit. Er wird sich schon bei dir melden, wenn er dazu bereit
ist. Außerdem weißt du doch gar nicht, wo er ist".
"Lass mich los, Mutter", schrie Kinga und entriss mir
ihre Hand. "Du hast mir gar nichts zu sagen. Ich werde Papa
schon finden. Und dann werde ich bei ihm bleiben. Er hasst nur
dich, Mutter, nur dich! Mich wird er nicht fortschicken. Ich werde
bei ihm bleiben können".
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Ich hoffte, dass sie Recht behielt. Ich hoffte, dass Dominik sie
weiterhin so lieben würde, als wäre sie seine leibliche
Tochter. Ich hoffte, dass nicht Kinga für meinen Fehler bezahlen
musste. Aber ich hoffte eben nur, ich wusste es nicht. Ich konnte
nicht sagen, wie Dominik reagierte und in diesem Moment war es
das Wichtigste für mich, meine Tochter zu beschützen.
"Du wirst nirgendwo hin gehen, Kinga", erklärte
ich entschieden. Doch Kinga blieb trotzig. "Ich gehe wohin
ich will! Mit dir bleibe ich keinen Augenblick länger unter
einem Dach!" "Ich bin deine Mutter und du wirst tun,
was ich dir sage. Geh auf dein Zimmer, Kinga! Geh sofort auf dein
Zimmer!". Ich schrie meine Tochter an, so sehr wie ich sie
noch nie zuvor angeschrien hatte. Und es tat mir weh, aber ich
sah keinen anderen Ausweg.
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Kinga tat, was ich ihr befohlen hatte. Ich konnte zwar all den
Trotz und die Wut in dem Blick erkennen, den sie mir zuwarf, aber
sie widersprach mir nicht. Sie war kein Kind mehr und vielleicht
erkannte sie ja, weshalb ich eben so reagiert hatte. Allerdings
bezweifelte ich das. Ich war müde, so unendlich müde.
Aber ich wusste, dass ich in dieser Nacht wieder kein Auge zubekommen
würde. Dafür war ich zu aufgewühlt. Wenn Kinga
schon so aufgebracht reagierte, wie sollte ich dann erst Klaudia
erklären, was passiert war?
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Dingdong! Dingdong! Erschrocken riss ich meine Augen auf. Wie
spät war es? Draußen schien bereits die Sonne. Ich
muss irgendwann doch noch eingenickt sein. Als ich das letzte
Mal auf die Anzeige des Weckers sah, war es kurz vor sechs gewesen.
Dingdong! Die Türklingel, da war das Geräusch schon
wieder. Hastig richtete ich mich auf um zu erfahren, wer da vor
der Tür stand.
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Mein Herz setzte aus, als ich Gerda vor der Tür stehen sah.
Konnte es sein, dass sie es schon gehört hatte? War es möglich,
dass sie erfahren hatte, dass ich nicht nur eine Affäre mit
ihrem Mann gehabt hatte, sondern auch noch ein, womöglich
sogar zwei Kinder mit ihm hatte? Die Affäre mit Albert hatte
sie mir verziehen, aber würde sie mir auch das verzeihen
können? Ich bat meine Freundin herein, was bleib mir auch
anderes übrig? Sie lächelte zuerst, doch dann wurde
sie stutzig. "Oxana, ist etwas passiert? Du siehst heute
nicht gut aus“.
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Also wusste sie noch nichts. Erstaunlicherweise war ich nicht
erleichtert, denn jetzt musste ich ihr alles beichten. Aber es
war sicher besser, wenn sie es von mir erfuhr, als wenn sie es
irgendwo auf der Straße aufschnappte. Aber wie sollte man
so etwas seiner Freundin beichten? "Gerda, du weißt,
dass ich Albert geliebt habe". Es war mehr eine Feststellung
als eine Frage. "Dominik wusste es nicht. Ich wollte nicht,
dass er es jemals erfährt, doch das hat er nun. Und nicht
nur das, Gerda, er hat noch mehr heraus gefunden." Ich schloss
meine Augen, als ob ich dadurch Gerdas Reaktion entkommen könnte,
aber ich konnte ihr dabei nicht ins Gesicht blicken. "Kinga
sie ... sie ist nicht Dominiks Tochter. Albert ist ihr Vater".
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Stille. Keine Reaktion war auf Gerdas Gesicht erkennbar. Nur langsam
bewegte sie sich nach hinten und sank auf das Sofa, den Blick
immer starr nach vorne gerichtet. Ich dachte jeden Moment in Ohnmacht
fallen zu müssen. Das Schweigen war schlimmer als jedes Geschrei,
dass sie hätte von sich geben können. "So lange
also schon", murmelte sie. "Ich wusste, dass er fremdging.
Ich habe es die ganze Zeit gewusst. Aber ich dachte immer, es
wäre nur Sex und er würde mich lieben. Aber er hat schon
damals mit dir geschlafen und...und er hat dich geliebt, nicht
mich".
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Beschämt setzte ich mich neben sie. "Ich weiß,
dass es dadurch nicht besser wird, aber wir haben damals nur dieses
eine Mal miteinander geschlafen. Ich hätte es niemals so
weit kommen lassen dürfen, aber es ist passiert. Albert hat
nie erfahren, dass Kinga seine Tochter ist. Ich konnte es ihm
nicht sagen. Ich konnte doch nicht zulassen, dass wegen mir deine
Ehe zerbricht, Gerda. Ich habe versucht Albert zu vergessen, aber
ich schaffte es nicht. Trotzdem war Kinga schon lange zu Dominiks
Tochter geworden. Selbst wenn dieser schreckliche Unfall nicht
gewesen wäre, wenn Albert und ich doch noch zusammen gekommen
wären, ich hätte ihm die Wahrheit nie gesagt."
Gerda blickte mich an. Noch immer konnte ich nicht feststellen,
was in ihr vorging. "Es war wirklich nur das eine Mal?",
fragte sie schließlich. "Ich schwöre es, Gerda,
bei allem was mir heilig ist".
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"Albert und ich haben erst ein Jahr vor eurem Unfall begonnen
uns wieder zu treffen". Auch wenn Gerda von mir und Albert
wusste, fiel es mir schwer in ihrer Gegenwart von meiner Beziehung
zu ihm zu sprechen. Auch wenn sie mir versichert hatte, dass sie
mir diese Beziehung nicht zum Vorwurf machte, fühlte ich
mich schuldig. "Und in eben dieser Zeit bin ich zum zweiten
Mal schwanger geworden. Mein Gefühl hat mir immer gesagt,
dass Dominik Klaudias Vater ist. Dieses Gefühl war so stark,
dass ich es nie angezweifelt habe. Aber wenn ich ehrlich zu mir
selbst bin, Gerda, dann kann ich nicht mit Gewissheit ausschließen,
dass nicht doch Albert der Vater ist". Gerda faltete die
Hände vor ihrem Gesicht zusammen und schloss die Augen. Ich
hatte alles gesagt, was es zu sagen gab. Ich konnte nicht erwarten,
dass sie mir erneut so großzügig verzieh, auch wenn
ich es mir sehr gewünscht hätte. Ich wollte nicht auch
noch sie verlieren.
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"Es tut mir leid, Gerda", fügte ich deshalb leise
hinzu. "Es tut mir leid, dass ich dir über all die Jahre
die Wahrheit verschwiegen habe. Aber ich dachte, so wäre
es das Beste für alle. Für dich, für deine Kinder,
für meine Kinder, für Dominik. Ich hatte nie vor, euch
zu verletzen". Gerda erhob sich langsam vom Sofa. "Ich
werde dann jetzt gehen", sagte sie, ohne auf mein Geständnis
einzugehen. Sie war schon halb zur Tür raus, als sie sich
wieder umdrehte. "Jetzt hätte ich fast vergessen, warum
ich hier bin", sie lächelte geistesabwesend. "Miranda
heiratete in zwei Monaten. Du und Dominik, ihr seid eingeladen.
Und Kinga und Klaudia natürlich auch. Schließlich sind
es...es sind ihre Schwestern. Aber...aber ich sollte jetzt wirklich
gehen".
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Es zerriss mir mein Herz, Gerda in diesem verwirrten Zustand zu
sehen. Aber ich wusste nicht, was ich dagegen unternehmen sollte.
Ich hatte schon genug angerichtet und mit jedem Versuch es besser
zu machen, wurde es nur noch schlimmer und schlimmer. Das einzige
was mir jetzt bleib, war es zu beten. Ich blickte in den Spiegel
und sah mein müdes Gesicht. Jeder konnte sehen, dass ich
litt und das wollte ich nicht. Ich war ja selber Schuld und ich
wollte kein Mitleid. Mit ein wenig Make-up überdeckte ich
die Spuren meiner Verzweiflung so gut es ging. Trotzdem blickte
mich immer noch dieselbe, verzweifelte Frau im Spiegel an. Aber
ich musste da durch. Das Leben würde weiter gehen und der
nächste Schritt bestand darin, Klaudia über die neue
Situation aufzuklären.
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