Aufgabe1
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„Dominik, beruhig dich“, beschwichtigte Mama ihn. „Du machst unserem Pummelchen ja noch Angst…und mir übrigens auch.“ Mama erkannte sofort, dass Papas Wort nicht nur so dahingesagt waren. Mein Vater war kurz davor, aus dem Haus zu stürmen. „Außerdem wird niemandem damit geholfen, wenn du Gernot oder gar Magda angreifst. Gott weiß, sie hätten es verdient. Aber dafür riskierst du nicht, womöglich noch von der Polizei verhaftet zu werden. Unser Mädchen braucht jetzt ihre Eltern, und zwar beide. Es ist ja klar, dass sie nicht zurück in ihr Haus kann, solange Magda dort ist. Und dieser Gernot wohnt ja auch gleich nebenan.“

 
 
 

Damit hatte Mama natürlich vollkommen Recht. Ich konnte Magda nicht gegenübertreten. Ich wusste, dass ich dafür nicht die Kraft haben würde. Ein Blick von ihr würde genügen, und ich würde weinend wie ein Häufchen Elend zusammenbrechen. Und Gernot wollte ich erst Recht nicht sehen. Allein an ihn zu denken zerriss mir schon das Herz. Als stimmte ich sofort zu, als Mama mir anbot, für ein paar Tage bei ihr und Papa zu bleiben. Ich durfte zu Mama ins Bett, während Papa es sich in einem Schlafsack so bequem machte, wie es auf dem harten Dielenboden eben möglich war. Und kaum hatte mein Kopf das Kissen berührt, war ich auch schon eingeschlafen. Liebevoll streichelte mir meine Mutter noch über das Haar, bevor sie das Nachtlicht löschte und sich zu mir ins Bett legte.

 
 

 

 

   
   
   

Während ich tief wie ein Stein schlief, bekam meine Mutter in dieser Nacht kaum ein Auge zu. Schon lange vor Sonnenuntergang lag sie wach im Bett, blieb aber so lange liegen, bis der Wecker auf dem Nachttisch sieben Uhr anzeigte. Hastig warf sie sich ihren Schlafrock über und verließ leise das Schlafzimmer. Ihr Ziel war das Telefon unten im Flur und sie wählte die Nummer meiner Tante Joanna. Obwohl es früh war, klang ihr Schwester bereits hellwach, als sie sich am anderen Ende der Leitung meldete. „Jojo, deine Tochter hat etwas furchtbares angestellt“, begann meine Mutter unvermittelt das Gespräch und erzählte ihrer Schwester, was gestern vorgefallen war. Meine Tante hörte ihr geduldig zu.

 
   
 

Doch leider erhielt meine Mutter nicht die Unterstützung, die sie sich von ihrer Zwillingsschwester erhofft hatte. „Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt unternehmen, Xana?“, fragte sie meine Mutter, nachdem diese geendet hatte. „Meine Magda und deine Klaudia sind beide erwachsene Frauen. Sie müssen das unter sich regeln und ich werde mich da nicht einmischen.“ „Aber du weißt doch ganz genau, wie sensibel Klaudia ist“, entgegnete meine Mutter scharf. „Und Magda ist dieses Mal wirklich zu weit gegangen. Ich hab nichts gesagt, als deine Tochter sich einfach bei Klaudia eingenistet hat und du es zugelassen hast. Aber jetzt verlange ich von dir, dass du deine Tochter wieder zurück nach SimCity beorderst. Klaudia muss vor ihr geschützt werden.“ Meine Mutter hatte sich regelrecht in Rage geredet. Doch meine Tante war nicht so entschlossen zu handeln, wie meine Mutter es sich gewünscht hätte. „Ich werde mir deinen Vorschlag durch den Kopf gehen lassen“, antwortete sie lediglich und verabschiede sich anschließend.

 
   
 

Ich schlief tief und fest und verbrachte eine traumlose Nacht. Doch kaum schlug ich meine Augen auf, kehrten die Bilder von Gernot und zurück. Ich konnte sie einfach nicht verdrängen und sie quälten mich. Ich kam mir so dumm vor und ich schämte mich, weil ich mich so hab hintergehen lassen. Deshalb wollte ich auch niemanden sehen. Meine Eltern hatten sich gestern zwar rührend um mich gekümmert, aber ich hätte das Mitleid in ihren Augen nicht länger ertragen können. Also schlich ich mich leise aus dem Haus und ging in den Pferdestall. Als junges Mädchen war ich oft hier gewesen, wenn ich allein sein wollte.

 
   
 

Lediglich eines der Pferde stand in seiner Box, Trixi, das Lieblingspferd meiner Mutter. Die übrigen Pferde waren draußen auf der Koppel, doch Trixi wartete noch darauf, dass meine Mutter in den Stall kam, um ihren morgendlichen Kontrollausritt hinaus in die Apfelplantagen zu machen. Als die Stute hörte, wie ich das Tor zum Stall öffnete, kam sie zur Öffnung ihrer Box getrabt und streckte den Kopf hinaus. Ich kam auf sie zu und streckte ihr eine Karotte entgegen, die ich auf dem Weg zum Stall aus dem Gemüsegarten geholt hatte. Mit ihren Weichen Lippen fraß sie das Gemüse aus meiner Hand. Die Berührung kitzelte meine Haut und für eine Sekunde huschte ein Lächeln über mein Gesicht. Doch im gleichen Moment kamen auch die Tränen wieder. Wieso war die Welt bloß so ungerecht? „Sei froh, dass du dich nicht mit so fiesen Leuten wie meiner Cousine und diesem Gernot herumplagen musst“, sagte ich zu Trixi und streichelte ihre Stirn. Allein ihr weiches Fell zu spüren, tröstete mich in ungeahnter Weise.

   
   
   

Ich verbrachte fast den ganzen Vormittag im Stall. Ich erzählte Trixie was vorgefallen war und auch wenn mir klar war, dass sie natürlich nichts von meinen Problemen begriff, fühlte ich mich erleichtert. Anders als bei meinen Eltern, hatte ich das Gefühl, dass ich mir alles von der Seele reden konnte, dafür aber in keinster Weise bemitleidet oder gar verurteilt wurde. Dennoch wollten die Tränen nicht so recht aufhören zu fließen, denn ein Problem blieb ja immer noch: Magda wohnte zusammen mit mir in einem Haus und ich musste nicht, wie ich es ertragen sollet, sie jemals wieder zu sehen. Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als die Tür des Stalls zur Seite gerollt wurde und Papa  eintrat. „Ich hab mir schon gedacht, dass du hier bist, Spätzchen“, sagte er liebevoll, auch wenn ich den Kummer in seiner Stimme heraushören konnte.

 
   
 

„Im Haus wartet Besuch auf dich“, setzte er fort. Ich drehte mich um und sah ihn erschrocken an. Mein Vater erriet auf Anhieb meine Gedanken. „Keine Angst, Spatz. Wären Gernot oder Magda hier aufgetaucht, ich hätte sie längst zum Teufel gejagt, verlass dich darauf.“ Erleichtert atmete ich aus. „Nein, es ist dein anderer Mitbewohner, Jamie. Ich hab gesagt, ich werde fragen, ob du ihn sehen willst. Er scheint wirklich besorgt um dich zu sein. Vielleicht solltest du mit ihm sprechen.“

 
   
 

Am liebsten hätte ich meinen Vater zurück ins Haus geschickt, um Jamie wieder weg zu schicken. Es war eine Sache vor meinen Eltern zuzugeben, betrogen worden zu sein. Es aber auch noch vor dem eignen Mitbewohner einzugestehen, war etwas ganz anderes. Ich wusste nicht, ob ich die Kraft dazu haben würde. Aber auf der anderen Seite war Jamie auch ein guter Freund…mein bester sogar, wenn man bedachte, wie sehr ich mich in Magda und Gernot getäuscht hatte. Vielleicht war es also gar nicht so verkehrt, mit Jamie zu sprechen. Ich ging ins Haus meiner Eltern und fand Jaime im Wohnzimmer vor, wo er mit meinem jüngeren Bruder gerade an der Konsole spielte.

   
   
 

Als er mich sah, legte er das Game-Pad sogleich zur Seite und entschuldigte sich bei meinem Bruder. Damit wir uns in Ruhe unterhalten konnten gingen wir hinaus in den Obsthain neben dem Haus. Ein Blick in mein Gesicht genügt um zu bestätigen, dass Magda ihm die Wahrheit gesagt hatte. „Sie hat also wirklich mit deinem Freund geschlafen. Ich wollte es erst nicht glauben als sie es mir gesagt hat.“ Traurig schüttelte er den Kopf. „Es tut mir sehr leid für dich, Klaudia.“

 
     
 

Wieder drohten mich die Tränen zu übermannen, die eben erst getrocknet waren. Ich musste mich zusammenreißen, um nicht vor Jamie zu weinen. Doch dann wurde mir bewusst, was er gesagt hatte. „Magda hat dir also einfach so erzählt,  was sie getan hat? Liebst du sie denn nicht immer noch?“ Jamie zuckte mit den Schultern. „Wir hatten Spaß zusammen. Vielleicht wäre auch mehr draus geworden, aber offenbar war es nicht das, was Magda wollte. Ich kann damit leben, aber was sie dir angetan hat, war echt böse. Was ich nur nicht verstehe ist, warum sie es getan hat.“

 
 

Nun, darüber hatte ich mir inzwischen auch meinen Kopf zerbrochen und war nur zu einem Schluss gekommen. „Sie wollte sich dafür rächen, dass wir sie nicht darüber aufgeklärt haben, dass du der Sohn ihres Ex-Freundes bist. Indem sie meinen Freund verführt hat, konnte sie sich mit einem Schlag an uns beiden rächen.“ „So ein Verhalten ist doch echt kindisch“, schnaubte Ron. „Und das sage ich, wo ich doch der jüngste von uns allen bin. Durch dieses Spielchen hat sich doch nichts gewonnen, aber dich und mich als ihre Freunde verloren…und vielleicht noch mehr. Wie gedenkst du, jetzt mit ihr zu verfahren? Wirst du sie auf die Straße setzten?“

   
   
   

Der Gedanke war mir bislang gar nicht gekommen. Aber konnte ich das überhaupt? Immerhin hatten wir beide für den Umbau des Hauses zusammengelegt. Es war nicht mehr nur mein Haus, sondern auch Magdas. Ich hatte nicht das Recht, sie hinaus zu werfen. Ich äußerte meine Bedenken Jamie gegenüber. Doch dieser legte seien Stirn in Falten und sah mich fragend an. „Ist es wirklich euer gemeinsames Haus? Ich meine, du hast es gekauft und du bist im Rathaus als Besitzerin eingetragen. Es ist schön, dass Magda dich finanziell unterstützt hat, aber habt ihr nach dem Umbau etwas an den Besitzverhältnissen verändern lassen?“ Ich schüttelte den Kopf, was Jamie ein Lächeln entlockte. „Na, dann würde ich mal behaupten, du kannst Magdas verräterischen Hintern jeder Zeit auf die Straße setzten. Es ist dein Haus, du kannst also machen, was du willst.“ Unsicher sah ich Jamie an. Er hatte Recht. Ein Wort genügte und ich konnte Magda los sein. Aber war ich wirklich stark genug um das auch zu tun?

 
 

 

 

 
   

 

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kor. 22.06.2014