|
In einem der am Park gelegenen Plattenbauten befand sich auch
ein Restaurant, das meine Großeltern und ich früher
gelegentlich aufgesucht hatten. Es bot kein überteuertes
Edelessen, sondern einfach gute, polnische Hausmannskost. Ich
brauchte nicht lange um Dominik zu überzeugen dort zu Essen
und bestellte für uns beide.
|
|
Ich bestellte mir "Ryba po Grecku" mit einer Gurken-"Mizeria"
als Beilage und Dominik nahm ein einfaches Schnitzel mit warmen
Rotebeeten. Es schmeckte zwar nicht ganz so gut wie hausgemacht,
aber es war trotzdem lecker. "Wie geht es eigentlich Sky?
Du hast mir kaum etwas über ihn erzählt. Er ist doch
jetzt schon vier, nicht wahr?", fragte ich beim Essen nach
Dominiks Sohn. "Und was macht Ingrid überhaupt? Den
Salon führt ja jetzt ihre frühere Teilhaberin. Ich finde
es nett, dass sie dir erlaubt hat, mich nach Warschau zu begleiten."
"Nun...ähm", Dominik begann sie zu räuspern.
"Ingrid und ich… wir sind nicht länger verheiratet.
Die Scheidung ist schon seit ein paar Wochen durch. Deshalb ist
es ihr wohl ziemlich egal, dass ich hier bin".
|
|
Ich brauchte eine Weile um zu begreifen, was er gesagt hatte.
Aber seltsamerweise war ich nicht so überrascht, wie ich
vielleicht hätte sein sollen. "Klaudia hat davon nie
etwas erwähnt", erwiderte ich deshalb relativ gelassen.
"Nun, das liegt daran, dass sie auch nichts davon weiß.
Ingrid und ich haben das eher still geregelt. Nur Pa weiß
bescheid. Mir graut es jetzt schon davor, wenn ich daran denke,
es Mutter zu sagen". Dominik nahm verlegen einen Bissen von
seinem Schnitzel und vermied es mich direkt anzusehen. "Aber
warum?", platzte es dann einfach aus mir heraus.
|
|
Irgendwie kam mir gar nicht in den Sinn, dass diese Frage unangebracht
sein könnte. Immerhin war Dominik mein Ex-Mann. "Nun",
erklärte er", wir haben einfach nicht zueinander gepasst.
Es war nicht so, wie bei dir und m...wir haben einfach nicht zueindnder
gepasst." Wieder nahm er einen Bissen und kaute ihn gründlich
durch um Zeit zu schinden, damit er über seine nächsten
Worte nachdenken konnte. Dann blicke er mich wieder an. "Ingrid
hatte einfach andere Erwartungen. Sie wollte raus in die große
Stadt, Spaß haben. Ein Ehemann und ein Kind haben irgendwie
nicht in ihr Konzept gepasst. Sie...sie hat einen andere...einen
Jüngeren. Bei dem ist sie jetzt auch. Und Sky ist bei ihren
Eltern, aber sie hat ihn schon seit Wochen nicht besucht."
|
|
"Es tut mir leid", beteuerte ich ihm und ich meinte
es wirklich aufrichtig. "Das muss es nicht", winkte
er ab. "Es ist halt so gekommen, wie es gekommen ist. Ich
hab einen Sohn, den ich um keinen Preis hergeben will. Und hey,
jetzt bin ich wieder auf dem Markt. Glaub mir Brodlowska, ich
muss nur einmal mit Sky über den Spielplatz spazieren und
schon hab ich fünf Frauen an der Hand. Es hat durchaus seine
Vorteile, allein erziehender Vater zu sein". Dominik grinste
mich schelmisch an und hob auffordern seine linke Braue. Für
einen kurzen Moment hatte ich mir wirklich Sorgen um ihn gemacht,
doch wie ich sah, waren diese vollkommen unbegründet. Dominik
würde gut zurecht kommen.
|
|
Gestärkt konnte es dann auch auf die Eisbahn gehen. Ich drückte
dem Mann vom Verleih 20 Zloty in die runzelige Hand und suchte
die passenden Schuhe für mich und Dominik heraus. Während
Dominik noch damit kämpfte, die Schlittschuhe anzuziehen,
wagte ich mich aufs Eis. Es war tatsächlich schon 21 Jahre
her, dass ich das letzte Mal auf dem Eis stand, aber ich schlug
mich wacker und nach zwei, drei Runden klappte es auch ganz gut.
Ich konnte mir aber ein Lachen nicht verkneifen, als ich Dominiks
tollpatschige Versuche beobachtete, sich überhaupt auf dem
Eis halten zu können.
|
|
"Da braucht wohl jemand Hilfe", lachte ich und fuhr
auf ihn zu. "Ach was", gab er großspurig von sich
"Ein ganzer Kerl wie ich wird sich doch nicht von so zwei
lächerlichen Eisenkufen bezwingen lasse". Aber noch
während er sprach, rutschte sein rechtes Bein weg und auch
noch so heftiges Rudern mit den Armen half nicht dabei, ihm vor
dem Sturz zu bewahren. Er stöhnte wehleidig, doch von mir
konnte er kein Mitleid erwarten. "Ein ganzer Kerl wie du,
wird das doch locker wegstecken", spöttelte ich und
fuhr grinsend an ihm vorbei.
|
|
Doch ich zog nur eine kurze Runde und hielt bei ihm an. Dominik
reichte mir seine beiden Hände und ich zog ich hoch. Hand
in Hand führte ich ihn dann auf das Eis und konnte mir das
grinsen über seine ungeschickten Bewegungen kaum verkneifen.
Dominik blickte mich böse an. "Jemand dem ein Pudel
auf dem Kopf explodiert ist, sollte sich nicht über andere
lustig machen". Hatte Dominik etwa gerade meine Frisur beleidigt?
"Na, wenigstens hab ich noch Haare auf dem Kopf!", konterte
ich. Dominik fuhr sich mit seinem Handschuh über seine inzwischen
recht spärliche Haarpracht. "Tja, die hat Ingrid mir
wohl vom Kopf gefressen. Kaum war ich mit ihr verheiratet, fielen
sie auch schon von meinem Kopf, wie im Herbst das Laub von den
Bäumen". Die Grimasse, die er dabei verzog war so witzig,
dass ich nicht anders konnte als laut los zu lachen und er stimmte
mit ein, was darin resultierte, dass wir uns beide fast aufs Eis
gelegt hätten.
|
|
|
Leider war uns nur dieser eine wundervolle Nachmittag vergönnte.
Der Zustand meiner Großmutter verschlechterte sich rapide
von einem Moment auf den anderen. Innerhalb kürzester Zeit
war sie nicht mehr in der Lage aufzustehen und lag nur noch schwer
atmend in ihrem Bett. Der Arzt gab uns keine Hoffnung mehr und
so konnten wir nichts anderes tun als an ihrem Bett zu beten und
für sie da sein, wenn sie ihre letzte Reise antrat. Es geschah
alles ganz friedlich. Sie hab ein letztes Mal ihre Brust, senkte
sie und dann war einfach alles nur noch still. Onkel Kazik gab
Tante Kasia Trost und auch wenn Dominik auf der anderen Seite
des Bettes saß, so wusste ich doch, dass er für mich
da war.
|
|
Die Beerdigung fand zwei Tage später im engsten Kreis der
Familie statt. Meine Großmutter wurde direkt neben dem Grab
meines Großvaters beerdigt, so, wie sie es sich immer gewünscht
hatte. Der kalte weiße Schnee verlieh der ganzen Situation
eine so würdevolle Atmosphäre, dass man fast das Wort
„schön“ in den Mund nehmen wollte.
|
|
Ich wusste, dass meine Großmutter ein langes erfülltes
Leben gehab hatte. Sie war stolze 87 Jahre alt geworden und auch
wenn sie zum Schluss nicht mehr Herr über ihren Verstand
war, so schien sie doch glücklich bis zum letzten Augenblick.
Ich war froh, dass ich mich noch einmal von ihr verabschieden
konnte, aber es tat trotzdem so weh, sie gehen lassen zu müssen.
|
|
"Ich weiß, wie sehr du sie geliebt hast". Ich
drehte mich um und blickte meine Zwillingsschwester an. "Joanna",
hauchte ich fassungslos. Sie schaffte es nicht, mir dauerhaft
in die Augen zu sehen. Immer wieder schweifte ihr Blick zum Boden.
"Tobias und ich haben sofort beschlossen zu kommen, als wir
von ihrem Tod erfahren haben. Wegen dem Schnee konnte unser Jet
aber nicht rechtzeitig landen, deshalb sind wir direkt zum Friedhof
gekommen. Bitte glaub mir, Oxana, ich wäre früher gekommen,
viel früher, wenn ich gekonnt hätte. Aber ich bin froh,
dass du bei ihr warst. Das hat sie bestimmt glücklich gemacht".
|
|
Ich konnte kaum glauben, was ich da hörte. War das wirklich
die Schwester, die mich bereitwillig in den Tod geschickt hätte,
nur um ihre eigenen Pläne verfolgen zu können? Diese
Frau war so skrupellos und vollkommen ohne Gefühl gewesen.
Und jetzt stand sie doch vor mir und ich sah deutlich, wie sehr
sie der Tod unserer babcia mitnahm. "Sie weiß,
dass du an sie gedacht hast", erwiderte ich und legte meine
Hand auf die Schulter meiner Schwester. "Es tut mir leid,
Oxana", flüsterte sie und mir war klar, dass damit so
viel mehr gemeint war, als nur die vertane Gelegenheit, sich von
unserer Großmutter zu verabschieden. Ich nickte lediglich
und plötzlich war uns beiden klar, dass es Zeit war, mit
den Fehlern der Vergangenheit abzuschließen.
|
|
|
In der Simlane übernahm mein Bruder die traurige Aufgabe,
meine Kinder vom Tod ihrer Urgroßmutter in Kenntnis zu setzen.
Es fiel im selbst nicht leicht. Auch er hatte sie sehr gern gehabt,
auch wenn sie nicht seine leibliche Großmutter war. Nachdem
er die Nachricht selbst verdaut hatte, überquerte er die
Straße zu unserem Haus und sah Klaudia bereits durch die
Latten des Zauns am Pool sitzen. "Ist Kinga auch da?",
fragte er zunächst, doch Klaudia musste die Frage verneinen.
Ihre große Schwester war wider einmal ausgeflogen, ohne
ihr bescheid zu geben. "Was ist den los, Onkel Orion",
fragte sie besorgt, als sie seine Mine sah, aber auch mit ihren
knapp dreizehn Jahren konnte sie sich schon vorstellen, was passiert
war.
|
|
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Klaudia hatte ihre
Uroma kaum gekannt. Sie waren sich lediglich zwei Mal begegnet.
Und dennoch fühlte sie plötzlich einen schrecklichen
Verlust. Die Situation überforderte Orion etwas. Er hatte
keine Erfahrung mit Kindern und auch wenn Klaudia äußerlich
wie ein Teenager wirkte, war sie gerade in solch einer Situation
noch voll und ganz ein Kind. Behutsam nahm er ihre Hand und drückte
sie an sich, so dass sie sich an seiner Schulter ausweinen konnte.
"Wenn du heute lieber nicht allein sein magst, dann komm
zu Mona und mir", flüsterte er ihr ins Ohr. "Ich
hab es heute auch lieber, wenn noch jemand da ist".
|
|
Und Klaudia zögerte nicht lange und ging gleich mit ihrem
Onkel mit. Zusammen warfen sie ein paar Körbe und ihre Tante
Desdemona grillte am Abend Hotdogs. Es war viel besser, als alleine
zuhause zu bleiben und ständig an den Tod der Uroma zu denken.
Und es war auch eine sehr gut Ablenkung von dem Ärger, den
sie mit Kinga hatte. Ja weniger Zeit sie alleine mit ihrer Schwester
verbringen musste, desto besser.
|
|
|
"Oh, Gott, es gießt ja wie aus Eimern! wir werden klitsch
nass!", schrei ich entsetzt und lief Dominik hinterher. Mein
Bus nach Sierra Simlone Stadt würde erst in einigen Stunden
fahren und Dominik wollte mich ein wenig in der Stadt herum führen.
"Los, hier können wir uns unterstellen", rief er
und hastete die Treppe zu einem Hauseingang hoch. Wir waren vor
etwa einer Stunde in SimVegas gelandet, nachdem wir einen Tag
nach der Beerdigung Warschau wieder verlassen hatten. Von Schnee
war in der SimNation natürlich weit und breit keine Spur.
Dafür prasselte aber ein kalter unangenehmer Regen vom Himmel.
|
|
Wir landeten in einem kleinen Schmuckladen. Die Verkäuferin
war so freundlich, uns für die Zeit des Schauers Unterschlupf
anzubieten. Der Laden war recht gemütlich eingerichtet und
ein Feuer im Kamin sorgte dafür, dass meine durchnässte
Kleidung langsam zu trocknen begann. In einer Ecke am Fenster
stand ein Schachbrett und Dominik und ich begannen eine kleine
Partie. Ein Blick gen Himmel verriet, dass es so bald wohl nicht
aufhören würde zu regnen.
|
|
|