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Kinga grinste selbstzufrieden und lief zu zwei Gestalten, die rauchend auf der anderen Straßenseite standen. Ich blieb wie angewurzelt zurück. Dominik hatte tatsächlich wieder geheiratet. Wie war es möglich, dass ich völlig ahnungslos geblieben war, dass er eine neue Frau gefunden hatte. Und jetzt bekamen sie sogar ein gemeinsames Kind. Wie konnte er mir das bloß antun?


In der Nacht ging ich tatsächlich noch rüber zu Charlie. Doch als ich in seinen Armen lag, spürte ich, dass ich ihn nicht liebet und ihn auch nie geliebt hatte. Ja, wir hatten ein paar schöne Wochen miteinander verbracht, doch mehr wollte ich gar nicht. Im Grunde wollte ich immer noch Dominik. Kingas Worte gingen mir nicht mehr aus dem Kopf. Ich war wirklich dumm gewesen, mich mit einem Mann einzulassen, der so viel jünger war als ich. Nein, diese Beziehung hatte keine Zukunft und ich musste sie beenden.


Charlie nahm die Trennung recht locker. Alleine das zeigte mir schon, wie dumm ich war, wenn ich wirklich an eine ernsthafte Beziehung mit diesem halben Jungen gedacht hatte. Und Dominik war jetzt für mich verloren. Um nicht ganz in Liebeskummer zu versinken, stürzte ich mich voller Eifer in die Arbeit, so wie ich es immer tat. Ich konnte nur von Glück reden, dass es auf der Farm immer genug zu tun gab. Dennoch schweiften meine Gedanken immer wieder zu Dominik ab. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich unterbewusst immer irgendwo gehofft, dass er mir doch noch verzeihen würde, dass er zu mir zurück kam und wir wieder die Familie werden würden, die wir früher waren. Doch dieser Zug war nun endgültig abgefahren.


Während ich gedankenverloren das Feld für die kommende Aussaat vorbereitet, stürmte plötzlich Goya, die mich immer zu den Weiden und Felder begleitete, laut bellend auf die Straße zu. Ich machte mir darüber zunächst keine weiteren Gedanken. Wahrscheinlich hatte sie lediglich einen Wüstenhasen entdeckt und schlug ihn nun in die Flucht. Doch dann ertönte eine Fahrradklingel und Klaudia fuhr winkend den staubigen Feldweg entlang.


"Pummelchen, was machst du den hier?", fragte ich überrascht. "Stimmt Zuhause etwas nicht?". Hier draußen hatte ich leider keinen Handyempfang und Klaudia würde sicherlich nicht nur zum Spaß die Fahrt von der Stadt bis raus zu unseren Feldern unternehmen. Immerhin waren es mehrere Kilometer, die sie zurücklegen musste. "Nein, alles in Ordnung, Mami", erklärte sie zögerlich, kratze sich dann aber unbeholfen am Kopf. "Nun rück schon mit der Sprach raus", forderte ich sie auf, denn so verhielt sie sich immer, wenn sie etwas auf dem Herzen hatte. "Ich hab doch bald Geburtstag und...und ich wollte fragen, ob ich auch eine Feier für meine Freunde ausrichten darf. Ich lade auch nur ganz wenig ein", fügte sie hastig hinzu, als ob sie Angst hätte, dass ich sonst ablehnen könnte.


"Aber Schatz, du darfst so viel Kinder einladen, wie du möchtest", erklärte ich ohne zu zögern. Klaudia hatte nicht viele Freunde und ich war nur froh, wenn sie sich mit Kindern in ihrem Alter umgab. Viel zu oft verbrachte sie ihre Freizeit nämlich mit uns Erwachsenen. "Echt Mami? Das ist voll supi! Darf ich auch Jungs einladen? Ich muss nicht, aber vielleicht will Hannes ja kommen?". "Klar Pummelchen, lade so viel Jungs ein, wie du möchtest. Es ist doch dein Geburtstag". Klaudia war sichtlich begeistert und fing an aufgeregt herumzuhüpfen. Es war schön, meine Tochter wieder so ausgelassen zu sehen.


Sie verbrachte den Rest des Tages bei mir draußen auf den Feldern. Und in diesem Fall war es mir sogar lieber, wenn sie bei mir blieb und nicht alleine die lange Fahrt über die Landstraße zurück nach Sierra Simlone Stadt antrat. Als die Sonne hinter dem Horizont versank, war ich nur noch damit beschäftigt, die Rinder für die Nacht zu versorgen. "Pummelchen, warum hast du mir eigentlich nichts von der Hochzeit deines Papas erzählt?", fragte ich schließlich, als ich fast fertig war. Klaudia schwieg zunächst und streichelte mit zusammengekniffenen Lippen Goyas Kopf. "Ich wollte nicht, dass du traurig bist, Mami", flüsterte sie schließlich.


Ich legte den Rechen zur Seite und kam auf meine kleine Tochter zu. "Schatz, es ist nicht deine Aufgabe, dich um mich Sorgen zu machen. Ich bin deine Mutter und ich bin groß. Ich werde schon damit fertig, wenn du mir von deinem Papa und seiner neuen Frau erzählst". Klaudia nickte stumm. "Und ich habe auch nichts dagegen, wenn du dich gut mit deiner Stiefmutter verstehst. Wenn du sie magst, dann kannst du das ruhig tun und mir das sagen. Ich bin dir deswegen nicht böse". "Okay, Mami. Und in Zukunft werde ich dir immer alles erzählen", versprach sie mir sichtlich erleichtert.

 

 


Klaudias neuner Geburtstag rückte immer näher und ich kümmere mich um die Feier, die ich ihr erlaubt und versprochen hatte. Ich schrieb also Einladungen, dekorierte den Garten und backte eine Beerenpaste für sie und die übrigen Kinder.


Ich war so mit den Vorbereitungen beschäftigt, dass ich nicht mitbekam, wie Kinga und ihre beiden Freunde, das Geschwisterpaar Farina und Alexander, durch die Hintertür ins Haus spazierten. Doch anders als sonst verzogen sie sich diesmal nicht in Kingas dunkles Zimmer, sondern schlichen sich in das Zimmer ihrer Schwester. "So ein krass hässliches Zimmer hab ich echt noch nie gesehen", spöttelte Alex und fegte einige Teddybären von einem Regal. "Passt zu dem ganzen spießigen Haus", pflichtete seine Schwester ihm bei. "Krass hässlich trifft es ganz gut", bestätigte Kinga und da die Teddybären schon auf dem Boden langen, trat sie einfach gegen das Puppenhaus, das unter lauten Krachen nachgab. Ihre beiden Freunde erhoben keinen Einspruch bei dieser mutwilligen Zerstörung. Ganz im Gegenteil beschwerte Alex sich sogar, dass Kinga ihm nichts mehr zum Zertreten übrig ließ.


Ich wusste nicht, ob es nur Zufall war, oder ob Kinga ihre Schwester ganz gezielt am Tag ihrer Geburtstagsfeier ärgern wollte. Auf alle Fälle beschloss sie mit ihren zwei Gefährten einfach in Klaudias Zimmer abzuhängen. Und dabei entwickelten die drei ganz tolle Ideen. "Ich hab zuhause noch ein paar Spraydosen herumliegen. Vielleicht sollten wir das Zimmer ja einer kleinen Umgestaltung unterziehen. Deine kleine Schwester würde sich sicher freuen", schlug Alex vor und die drei begannen fies zu lachen.


Farina hatte derweil Klaudias weiteres Spielzeug entdeckt und fand sichtlich ihren Spaß daran, hier und da ein paar Plastikteile abzubrechen. Plötzlich ging die Tür auf und Klaudia stand im Zimmer. "Was macht ihr hier drin?", fragte sie verunsichert und entdeckte dann auch schon das zerstörte Puppenhaus. "Kinga, warum hast du das gemacht?", begann sie bitterlich zu weinen. Alex begann sie nachzuäffen und Kinga und Farina konnten sich vor lachen kaum mehr aufrecht halten.


Das war zuviel für Klaudia und sie lief weinend aus dem Zimmer und direkt in meine Arme. Ich konnte sie unter all dem Schluchzen kaum verstehen und begriff nur die Worte Kinga und Puppenhaus. Ich hastete in ihr Zimmer und sah direkt, was geschehen war. "Wer hat das gemacht?", fragte ich wütend und blickte die drei der Reihe nach an.


Doch eine Antwort erhielt ich nicht. Alex und Farina grinsten sich nur einen, was mich erst recht zur Weißglut trieb. "Es ist einfach so von allein kaputt gegangen", beteuerte Kinga gespielt unschuldig. "Wir können da gar nichts für. Wir waren nur ganz zufällig hier".


Mir riss nun der Geduldsfaden. "Kinga, bist du jetzt komplett übergeschnappt", schrie ich meine Tochter an, die aber immer noch breit grinste und sich einen Spaß daraus machte, mich in den Wahnsinn zu treiben. "Boh, deine Mutter ist echt genau so krass ätzend wie du sie immer beschrieben hast. Kein Wunder, dass du es hier nicht länger aushältst", mischte sich das blonde Mädchen ein. "Aber sie hat eine echt geilen Arsch", fügte der Junge hinzu und fasst mir im nächsten Moment ungeniert an den Hintern.


Das war zu viel für mich. Ich konnte damit umgehen, dass Kinga keinen Respekt vor mir hatte, aber drei Halbstarke dieser Art waren einfach zu viel für mich. Zu meinem Glück kam in genau diesem Moment Tristan in Klaudias Zimmer. "Raus hier, alle drei, aber sofort!", brüllte er meine Tochter und ihre Freunde an. Und anders als bei mir, schienen seine Worte Wirkung zu zeigen. Tristans Gesicht spiegelt puren Zorn wieder und scheinbar hatten Alex und Farina keine Lust sich diesem Zorn auszusetzen. "Komm, King, lass uns von hier abhauen. Die Vibs hier sind echt mies", erklärte Farina und schlurfte mit ihrem Bruder aus dem Raum.


"Danke Tristan, ich weiß nicht, was ich ohne dich gemacht hatte". Immer noch verstört trat ich aus Klaudias Zimmer und schritt mit wankenden Knien auf meinen Mitbewohner zu. Dieser leget beruhigend seine Hände auf meine Schultern. "Dafür bin ich doch da". Nicht zum ersten Mal war ich sehr dankbar, dass ich einen so treuen und zuverlässigen Freund hatte. Ohne seine Hilfe hätte die Situation heute wirklich eskalieren können.


Aber zum Glück war noch einmal alles gut verlaufen. Ich fand Klaudia zusammengekauert hinter dem Sessel im Arbeitszimmer. Als sie mich sah, kam sie hervorgekrabbelt und warf sich mir um den Hals. "Alles in Ordnung, Pummelchen", beruhigte ich sie, doch Klaudia schluchzte jetzt erst richtig los. "Kinga und ihre Freunde sind weg und sie werden sicher auch nicht wieder kommen. und jetzt wisch dein Tränen weg und komm mit raus. Deine Gäste treffen bestimmt gleich ein".

 

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