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Es wurde spät und Zeit aufzubrechen. Alleine die Fahrt zurück
nach Sierra Simlone Stadt würde fast eine Stunde in Anspruch
nehmen, trotzdem schien jetzt der richtige Moment, mich bei Roland
für diesen wunderbaren Tag zu bedanken. Zutraulich strich
ich ihm über die Schulter und setzte dazu an, ihm einen Wangenkuss
zu geben. Doch Roland drehte seinen Kopf so, dass meine Lippen
seinen weichen Mund trafen. Mir schein es, als ob wir in dieser
Position eine halbe Ewigkeit verharren würden. Ich blickte
in Rolands halb geöffnet Augen und versuchte zu ergründen,
was er gerade dachte. Meine eigene Vernunft riet mir dazu, mich
sofort von ihm zu lösen, doch sein durchdringender Blick
machte mich einfach machtlos.
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Schließlich lösten wir uns voneinander. Es blieb bei
diesem einen Kuss, der alles oder auch nichts bedeuten konnte.
War es ein rein freundschaftlicher Kuss? Oder steckte mehr dahinter?
Auf der Rückfahrt verhielten wir uns weiterhin wie die zwei
besten Freunde, die wir waren. Wir redeten, wir lachten. Ich setzte
Roland bei seinem Haus ab. Bei seiner Frau Brandi und seinen Kindern,
wie ich mir noch einmal deutlich in Erinnerung rief. Und trotzdem,
da war diese Knistern zwischen uns. Und so sehr ich mich auch
bemühte es zu ignorieren, so spürte ich doch, wie es
stärker und stärker wurde.
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Als ich nach Hause kam, waren die Kinder bereits im Bett und auch
Tristan war in seinem Zimmer. Also legte ich mich ins Bett und
schlief mit einem angenehm beschwingten Gefühl ein. Und mit
ebenso einem Gefühl wachte ich am Morgen wieder auf. Fröhlich
summend ging ich in die Küche und bereitete mit ein Brot
zu. Immer noch verschlafen kam Tristan aus seinem Zimmer, holte
sich eine Schüssel Müsli und setzte sich an den Tisch.
"Wo warst du denn gestern?", fragte er kauend. Alleine
bei den Gedanken an den Ausflug mit Roland musste ich lächeln.
"Ich war in Seda Azul", antwortete ich ihm. "Ich
musste einfach einmal einen Tag entspannen".
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"Und, war es schön?". Es war zwar eine ganz normale
Frage, trotzdem ließ mich Tristans Tonfall aufhorchen. "Ja,
es war schön", antwortete ich zögerlich und blickte
misstrauisch zu meinem Mitbewohner und Freund hinüber. "Ich
werde euch wohl mal einen Tag alleine lassen können".
"Vielleicht wären wir aber auch gerne mitgekommen?",
platzte Tristan mit seiner Erwiderung heraus. "Ich meine
damit nicht unbedingt mich, aber ich könnte mir vorstellen,
dass deine kleine Tochter nichts gegen einen Tag am Strand einzuwenden
gehabt hätte, insbesondere wenn man bedenkt, dass ihr Eltern
sich gerade scheiden lassen und ihre Schwester das Haus terrorisiert.
Aber das war nur so ein Gedanke von mir".
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Sofort vergaß ich Tristans vorwurfsvollen Ton und rügte
mich innerlich selbst dafür, dass ich nicht an Klaudia gedacht
hatte. "Sie ist hinter dem Haus", erklärte er,
noch ehe ich fragen konnte, wo Klaudia gerade war. "Schon
gestern saß sie dort und streichelte einen bemalten Backstein
und sprach mit ihm. Sie hätte fast geweint, als sie sah,
wie du weg gefahren bist, ohne auch nur zu fragen, ob sie mit
will". Mein schlechtes Gewissen wuchs mit jedem von Tristans
Worten. Eilig legte ich das Küchenmesser beiseite und trat
durch die Hintertür in den Garten.
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Als Klaudia mich die Treppe hinunter kommen sah, legte sie den
Backstein beiseite und drehte sich beleidigt von mir weg. Es tat
weh zu sehen, dass meine Tochter sich mir gegenüber in dieser
Art und Weise verhielt. Es reichte, dass Kinga wütend auf
mich war. Noch eine Tochter wollte ich nicht gegen mich aufbringen.
"Pummelchen, es tut mir leid. Ich hätte dich fragen
sollen, ob du mit ans Meer möchtest", entschuldigte
ich mich bei ihr. "Ich verspreche dir, dass wir dafür
etwas ganz Tolles zusammen unternehmen werden".
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Zu meinem Glück war meine jüngere Tochter nicht halb
so nachtragend wie Kinga. "Was wollen wir denn zusammen machen?",
fragte sie sofort begeistert und vergessen war der Ärger,
den sie verspürt hatte. "Was du möchtest, Pummelchen",
antwortete ich ihr. "Wenn du magst, können wir auch
ans Meer fahren. Oder wir fahren in einen Freizeitpark nach SimVegas.
Du darfst dir alles aussuchen."
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"Können wir etwas zusammen mit Papa machen?". Diese
Frage überrumpelte mich, auch wenn ich sie eigentlich hätte
voraussehen müssen. "Du kannst natürlich gerne
etwas mit deinem Papa unternehmen. Aber ich bleibe dann lieber
zu Hause, Pummelchen", erklärte ich ihr. Dann nahm ich
ihre kleine Hand und sprach weiter: "Dein Papa und ich sind
jetzt nicht mehr verheiratet. Ich glaube nicht, dass er mich sehen
möchte". Ich hatte erwartet, dass Klaudia geschockter
reagierte, aber sie nahm es erstaunlich gut auf. "Ist schon
in Ordnung, Mami. Die Eltern von Mechthild sind auch geschieden
und sie sagt, dass ist gar nicht sooo schlimm. Und ich kann mit
Papa ja auch etwas machen. Aber jetzt will ich etwas mit dir unternehmen".
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Klaudia wollte sich etwas Tolles überlegen und ich war froh,
dass es meiner Tochter wieder besser ging. Ich hatte fast schon
das Gefühl, dass doch noch alles gut werden würde, doch
dann ertönte auch schon der ohrenbetäubende Krach aus
Kingas Zimmer. Ich überlegte, ob ich an ihre Zimmertür
klopfen sollte, sie bitten sollte, endlich diesen Krach abzustellen
und mit mir zu reden. Doch dann wurde mir bewusst, dass es ohnehin
keinen Sinn gehabt hätte.
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Ich konnte sie verstehen. Nicht nur, weil ich es war, die sie
belogen hatte. Ja, ich wusste, dass sie zu Recht wütend war,
aber ich wusste auch, wie sie sich fühlen musste. Sie hasste
mich, so wie ich meinen Dad gehasst hatte. Und ich wusste nur
zu gut, dass dieses Gefühl nicht plötzlich verschwinden
würde. Ich hatte es schon an dem Tag in ihren Augen gelesen,
als sie die Wahrheit über ihren Vater erfahren musste. Gedankenverloren
wusch ich den Staub von meinen Händen. Dabei blieb mein Blick
auf meinem Ehering haften. Roland hatte vollkommen Recht, es war
Zeit, den Ring abzunehmen. Ich war nicht länger verheiratet,
also gab es keinen Grund mehr, ihn zu tragen. Fast acht Jahre
lang hatte ich den Ring nicht einmal abgenommen und jetzt zog
ich ihn einfach von meinem Finger und legte ihn in mein kleines
Schmuckkästchen.
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Am Abend kam Roland mich besuchen und auch an den nachfolgenden
Abenden war er immer wieder ein Gast in meinem Haus. Meist quatschten
wir einfach nur miteinander oder sahen zusammen mit Tristan DVDs
und spielten Darts. Unser Kuss am Meer war fast wieder vergessen.
Aber eben nur fast. Jedes Mal, wenn ich Roland ansah, spürte
ich dieses leichte Kribbeln. Und mehr als einmal erwischte ich
mich bei dem Gedanken was wäre, wenn er nicht nur mein bester
Freund wäre?
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Doch solche Gedanken schob ich hastig wieder beiseite. Es war
nicht so, als ob einer von uns beiden wirklich geflirtet hätte.
Wir waren gute Freunde, sehr gute Freunde, doch manchmal war es
so, als ob wir die Grenzen unserer Freundschaft zu weit erkundeten.
Es geschah ganz zaghaft, wenn Roland zum Beispiel seinen Arm um
mich legte, oder wenn meine Hand fast unbewusst zu seiner Hüfte
fand. Sobald uns bewusst wurde, dass wir zu weit gegangen waren,
kehrten wir sofort wieder um, aber ich spürte, wie mir diese
Umkehr von Mal zu Mal schwerer fiel.
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"Papi, guck was ich Tolles kann!". Noch bevor Dominik
seine kleine Tochter richtig begrüßen konnte, führte
sie ihm einen Radschlag vor, der auch ganz passabel gelang. "Hey,
super, Pummelchen!", klatschte Dominik begeistert. Das ganze
Spektakel wurde nicht nur neugierig von Anan, Klaudias Großvater,
beobachtet, sondern auch von einigen zufälligen Passanten.
Doch das störte Klaudia nicht im Geringsten. Bald würde
sie Etwas mit ihrer Mutter unternehmen, was, das blieb allerdings
noch die große Frage, und das Wochenende durfte sie bei
ihrem Vater verbringen.
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"Geh schon mal rein, Pummelchen", forderte Dominik sie
auf. "Ich hab dir ein paar Süßigkeiten raus gestellt,
also greif ruhig zu. Ich will mich noch ein wenig mit Opa unterhalten".
Dominik brauchte dies nicht zu wiederholen und Klaudia hüpfte
vergnügt zu Dominiks Wohnung. Anans Blick folgte seiner Enkelin
und blieb schließlich an der schäbigen Wohnungstür
haften. "Wann suchst du dir endlich ein vernünftiges
Zuhause, Junge", tadelte er seinen Sohn nicht zu ersten Mal.
"Dieser Appartementkomplex scheint doch jede Minute in sich
zusammen zu fallen. Du hast doch das Geld". Dominik lachte
einfach nur. "Mir gefällt es hier. Ich bin nah bei den
Kindern und du weißt doch, wie schwierig es ist, etwas in
Sierra Simlone Stadt zu finden. Und ich hab nicht vor zu bauen".
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"Ich danke dir, dass du Kinga her gebracht hast", wechselte
Dominik das Thema. "Du redest also immer noch nicht mit Oxana?",
fragte Anan bekümmert. "Nein. Es gibt nichts zu reden",
erwiderte Dominik. "Wir sind geschieden und ich möchte
einfach mit ihr abschließen. Ich kann immer noch nicht begreifen,
wie sie mich so lange belügen konnte. Aber ich will nicht
über sie sprechen, Pa". Anan akzeptieret die Entscheidung
seines Sohnes, auch wenn er sich gewünscht hätte, dass
er sich wieder mit mir vertragen könnte. Aber diese Endscheidung
konnte nur Dominik treffen. Er würde sich da raus halten.
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Anan verabschiedete sich kurz darauf. Als Dominik seine Wohnung
betrat, saß Klaudia am Esstisch und kramte in einer Schüssel
mir Süßigkeiten. Doch als sie ihren Vater sah, sprang
sie sofort auf. "Wollen wir etwas spielen?", fragte
sie ungeduldig. "Klar, Pummelchen", antwortete Dominik.
"Aber wo ist eigentlich deine Schwester abgeblieben? Wolltet
ihr nicht zu zweit kommen?". "Die ist doch nur doof",
erklärte Klaudia. "Die schließt sich nur in ihr
Zimmer ein und hört ganz furchtbare Musik."
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"Aber das mit der Musik ist immer noch besser, als wenn sie
sich ständig mit Mami streitet". Für einen Moment
wirkte Klaudia sehr betrübt, doch dann zuckte sie mit den
Schulter und platze mit der Neuigkeit heraus, die sie allen mitteilen
musste: "Mami und ich machen dafür was ganz Tolles zusammen.
Vielleicht fahren wir sogar weg!". Dieser Begeisterung konnte
auch Dominik nicht widerstehen und wuschelte seiner Tochter durchs
Haar. "Komm, lass uns jetzt ein Spiel raussuchen, Pummelchen".
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Die Auswahl an Spielen in Dominiks neuem Haushalt war nicht gerade
riesig und so kramte Klaudia das Majong-Spiel hervor, das sie
inzwischen regelmäßig mit ihrem Papa spielte. Während
Klaudia die Steine kräftig durchmischte, versank Dominik
in Gedanken. Kinga war nun schon seit einigen Wochen nicht mehr
bei ihm gewesen. Zunächst hatte sie immer eine Erklärung
dafür gehabt, doch diesmal hielt sie nicht mal mehre eine
Ausrede für nötig. Hatte er etwa irgendetwas getan,
das sie glauben ließ, er würde sie nicht mehr lieben,
nur weil sie nicht seine leibliche Tochter war? Für ihn war
sie nach wie vor seine Prinzessin und er würde ihr das auch
gerne sagen. Aber dazu müsste sie zu ihm kommen oder wenigstens
am Telefon mit ihm sprechen. Doch selbst das hatte Kinga schon
lange nicht mehr getan.
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