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Aber dann spürte ich die Macht, die mit so einer Axt verbunden
war. Kaum hielt ich sie in der hand, durchströmte die Energie
meinen ganzen Körper und ich hegte nur noch den einen Wunsch:
Fälle den größten Baum!
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Ich entließ einen Urschrei aus dem tiefsten Inneren meiner
Seele und warf die Axt von mir. Und sie traf ihr Ziel genau. Erst
die eine Axt, den die zweite, dann die dritte. Erst langsam legte
sich der Nebel des Rausches und ich realisierte, dass ich gerade
drei kiloschwere Äxte exakt in das Zentrum einer Zielscheibe
geschlagen hatte. Das nannte ich mal Anfängerglück.
Und das Anfängerglück sollte man bekanntlich nicht überstrapazieren,
als verzichtete ich auf eine Wiederholung dieses Spektakels.
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Leider kam das Ende dieses Urlaubs viel zu früh. Am letzten
Abend legte ich mich in die Hängematte und beobachtete die
Sterne am Himmel. Hier war alles so ruhig, so friedlich. Ich wollte
für immer die Harmonie spüren, die hier in der Luft
zu liegen schien. Denn in der Sierra Simlone warteten nur Probleme
auf mich. Mein Mann hatte mich verlasse, meine Tochter hasste
mich und ich durfte meinen besten Freund nicht mehr nahe sein.
Doch ich schob diese Gedanken beiseite. Nicht heute, heute wollte
ich einfach nur zufrieden sein.
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Noch vor Sonnenaufgang kletterte Klaudia unter der warmen Daunendecke
hervor und lief zum Fenster. Gestern Abend war es kalt geworden,
bitter kalt und das Thermometer an unserer Hütte hatte eindeutig
Frost angezeigt. Sie hatte so sehr auf Schnee gehofft, doch der
Blick aus dem Fenster enthüllte die gleiche grüne Landschaft,
wie an den vorherigen Tagen.
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Und mit den ersten Sonnenstrahlen kletterten die Temperaturen
auch wieder. Doch Klaudias Enttäuschung hielt nicht lange
an. Es hatte ja eh keinen Sinn Trübsal zu blasen, also konnte
man auch was Lustiges unternehmen. Und so kramte sie einen Baseball
hervor und wir vertrieben uns die Zeit, bis das Taxi kam, dass
uns zurück zum Flughafen bringen sollte, indem wir uns den
kleinen Ball gegenseitig zuwarfen.
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"Hättet ihr nicht länger weg bleiben können?
Oder am besten gar nicht wiederkommen?". Diese freundliche
Begrüßung durch Kinga ließ keinen Zweifel daran,
dass ich wieder Zuhause war. Und es hatte sich nichts verändert.
Gut, ich hätte damit rechnen müssen, aber in mir war
immer noch die Hoffnung, dass sich alles zum Guten wenden würde
und Kinga wieder das nette, liebe Mädchen von früher
wurde.
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Doch bis es so weit war, musste ich wohl noch viele Kämpfe
mit ihr austragen. Kämpfe, denen Klaudia am liebsten aus
den Weg gehen wollte. Da sie aber unvermeidlich schienen, versuchte
sie einfach aus der Schusslinie zu geraten. Und während ich,
kaum fünf Minuten in der Simlane, schon wieder mit Kinga
stritt, hockte sie sich in eine Ecke und blätterte durch
eine Märchenbuch. So schön der Urlaub auch war, sie
erkannte, dass sich Zuhause nichts geändert hatte. Und das
würde es auch nicht, also blieb ihr nur die Flucht in ihre
Phantasiewelt.
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"Mehr Spannung, Oxana!", forderte der Fintnesstrainer
mich auf. "Du muss dich viel weiter durchstrecken!".
Wenn das nur so einfach wäre. Ich konnte mich ja kaum in
dieser Position halten. Und dann wurde auch noch von mir verlangt,
dass ich richtig atmete und die Spannung hielt.
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"Spannung, Oxana. Spannung!". Der mit seiner Spannung!
Aus Ärger darüber, dass mein Trainer nie zufrieden war,
geriet ich ins Wanken und plumpste schließlich hin. Und
dem viel nichts anderes ein als zu lachen. Na warte, dem würde
ich es zeigen. Ich sprang auch und trat ihm gegen das Schienbein,
um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen. Oder zumindest versuchte
ich es, denn er erkannte sofort mein Vorhaben und wandelte es
zu seinen eigenen Gunsten um, indem er mir geschickt ein Beinchen
stellt.
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Doch anstatt erneut auf meinem Hintern zu landen, wurde ich von
seinen starken Armen aufgefangen. "Du weißt doch, dass
du mich nicht austricksen kannst, Oxana", grinste er mich
an. Doch ich grinste verschlagen zurück. "Das hab ich
aber, Charlie. Ich hatte immer die Absicht gehabt, von dir aufgefangen
zu werden". "Dafür musst du doch keine miesen Tricks
einsetzen".
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Sanft küsste ich seinen Hals. "Ist das Training dann
für heute beendet?", fragte ich und kraulte dabei seinen
Nacken. "Ja, für heute sind wir fertig...zumindest hier",
antwortete er und seine Augen begannen zu glitzern. Sofort schmiegte
ich mich enger an ihn und begann wieder damit, ihn zu küssen.
"Warte...warte", forderte er mich atemlos auf. "Ich
bin total verschwitzt. Lass mich erst unter die Dusche springen
und dann komme ich zu dir in den Whirlpool".
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Auch ich verschwand im Waschraum, machte mich ein wenig frisch
und zog meinen Bikini an. Als ich in den Wellnessbereich des Fitnessstudios
kam, saß Charlie bereits im Whirlpool und erwartete mich.
Er verfolgte aufmerksam, wie ich in das Wasser stieg und stürzte
sich sofort gierig auf mich. Ich wollte ihn, aber jeden Moment
hätte jemand herein platzen können. Es war, als ob Charlie
meine Gedanken lesen konnte. "kein Angst, Oxana, es ist keiner
da. Ich habe das Fitnessstudio heute schon früher schließen
lassen". Mehr brauchte ich nicht, um mich endgültig
fallen zu lassen.
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Als die Sonne untergegangen war, wurde es leider Zeit für
mich aufzubrechen. Charlie löschte überall die Lichter
und begleitete mich hinaus. "Übernachtest du heute Nacht
wieder bei mir?", fragte er. Ich musste grinsen. "Hast
du immer noch nicht genug?". "Von dir niemals".
Die Röte schoss mir in die Wangen. Ich war nur froh, dass
er es bei diesem fahlen Licht nicht sehen konnte. "Ja",
antworte ich schließlich, "sobald die Mädchen
schlafen, komme ich zu dir rüber". Damit war Charlie
durchaus einverstanden und verabschiedete sich mit einem langen,
innigen Kuss von mir.
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Ich war so in Gedanken an Charlie und unsere bevorstehende gemeinsame
Nacht vertieft, dass ich die Person auf dem Gehweg erst bemerkte,
als ich fast schon in sie hinein gelaufen wäre. "Oh
Gott, Mutter, du bist so peinlich!". Es war Kinga, die vor
mir stand. Ihre Arme waren vor ihrer Brust verschränkt und
ihr Gesicht zeigte, deutliche Missbilligung. "Schlimm genug,
dass du dich mit einem Mann abgibst, der zehn Jahre jünger
ist als du, aber musst du auch noch auf offener Straße mit
ihm rum machen?"
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"Jetzt du nicht so überrascht", schnaufte sie verächtlich,
als sie meinen erschrockenen Blick sah. "Glaubst du wirklich,
ich würde es nicht merken, wenn du dich über Wochen
Nacht für Nacht aus dem Haus schleichst, um dich von deinem
Macker durchnudeln zu lasse?". "Kinga, nicht in diesem
Ton", fuhr ich sie an, aber genauso gut hätte ich eine
Wand anschreien können. Kinga hatte sich schon längst
meiner Kontrolle entzogen. "Warum tust du das, Mutter?",
fragte sie wütend. "Willst du damit Dad eins Auswischen?"
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Dominik eins auswischen? Warum sollte ich so etwas tun wollen?
Seit unserer Trennung vor zwei Jahren hatten wir kaum noch Kontakt,
aber ich sah keinen Grund, mich an meinem Ex-Mann rächen
zu wollen. Kinga erkannte meinen verwirrten Gesichtsausdruck und
begann triumphierend zu grinsen. "Dann hat der Giftzwerg
es dir als gar nicht erzähl", lachte sie böse.
"Umso besser, dann kann ich das ja tun".
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"Dad hat geheiratet. Genau an diesem Wochenende als du mit
Gerda, dieser vertrockneten Pflaume, auf dieser Rinderauktion
warst. Du kennst die Braut sogar, es ist nämlich deine Frisörin,
diese kleine rothaarige Ingrid. Vielleicht kannst du ja jetzt
Familienrabat bei ihr einfordern. Oder vielleicht wäre ich
an deiner Stelle etwas vorsichtig. Es könnte ja sein, dass
Dads Neuer ja ganz zufällig die Schere ausrutscht, wenn sie
seiner Ex-Frau die Haare schneidet".
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"Und deine Lieblingstochter stand bei der Trauung ganz vorne
in der ersten Reihe. Ich hätte dem Giftzwerg ja ein wenig
mehr Loyalität dir gegenüber zugetraut, aber vermutlich
hat sie ja endlich erkannt, dass was für eine verlogene Intrigantin
du doch bist. Die halbe Woche liegt sie mir schon damit in den
Ohren, wie toll die Feier doch war. Als ob mich das interessieren
würde!"
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"Oh, das Beste habe ich ja noch gar nicht erwähnt. Die
Hochzeit wurde ziemlich eilig einberufen, weil Ingrid da ein kleines
Geheimnis gehütet hat. Obwohl, Geheimnis kann man die Monsterkugel,
die sie vor sich her schleppt, wohl kaum nennen. Ja, Mutter, du
hast richtig gehört, dein ach so geliebter Dominik wird Vater.
Der Giftzwerg freut sich auch schon. Es wird übrigens ein
Junge. Dad ist wohl stolz wie Oskar. Es wird ein Jung, also endlich
jemand, der die glorreiche Blech-Dynastie fortsetzen kann. Ich
krieg's Kotzen. Oh, und du kannst dir sicher sein, dass Omilein
hellauf begeistert ist von ihrer neuen Schwiegertochter. Tja Mutter,
du hast jetzt wohl voll verkackt".
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