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"Töchterchen, was ist den bloß los? Warum
willst du deinen Mann nicht sehen und zwingst mich dazu, ihn anzulügen?",
fragte meine Oma sofort, nachdem sie wieder in die Wohnung gekommen
war. Ich wusste nicht, was ich ihr antworten sollte. Doch mein
Schweigen ließ meine Oma nicht gelten. "Oxanka,
du wirst mir jetzt sofort sagen, was los ist. Ich bin zwar alt,
aber nicht dumm. Ich merke doch genau, dass hier etwas nicht stimmt.
Du wirst dich jetzt mit mir ins Wohnzimmer setzen und mir alles
bei einem starken Tee erzählen. Dann sehen wir weiter."
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Sie ließ mir keine andere Wahl. Also setzte ich mich zu
ihr und begann zu erzählen. Ich erzählte ihr von Albert.
Wie sehr ich ihn geliebt hatte und immer noch liebe und dass ich
für Dominik nichts empfand. Meine Oma hörte aufmerksam
zu. Und entgegen meiner Erwartung wirkte sie nicht entsetzt. "Ich
bin schwanger, babciu", schloss ich meine Geschichte.
"Ich trage ein Kind unter meinem Herzen. Und entweder
ist es von einem Mann, der bereits tot ist oder von einem Mann,
den ich nicht liebe. Verstehst du jetzt, warum ich von allem weg
wollte? Ich weiß einfach nicht, wie ich mich verhalten soll".
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"Es ist doch ganz klar, was du machen wirst, Töchterchen!",
antwortete meine Großmutter ohne lange zu überlegen.
"Du wirst zurück nach Sierra Simlone Stadt gehen.
Mit Dominik. Und gemeinsam werdet ihr dieses Kind großziehen."
Ich schaute meine Oma entsetzt an, denn für sie schien es
gar keine Alternative zu geben. Ich wollte ihr schon widersprechen,
doch sie schnitt mir rigoros das Wort ab. "Komm mir jetzt
nicht damit, dass du Dominik nicht liebst, Oxana. Das ist doch
kein Argument. Du hast schon ein Kind von diesem Mann und jetzt
erwartest du ein zweites. Du kannst nicht gehen. Und wenn du es
tust, dann machst du dich nur unglücklich. Willst du deine
Kinder etwa alleine großziehen, ohne Vater?"
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"Heirate Dominik, Oxanka. Er ist ein guter Mann und er
liebt dich. Er ist extra den weiten Weg hergekommen um dich zu
Suchen. Und ich hab in seinen Augen gesehen, wie sehr er sich
gewünscht hat, dich in seine Arme zu schließen. Aus
Liebe zu heiraten ist ein guter Grund, aber es ist nicht der Einzige.
Dominik hat in den letzten sechs Jahren bewiesen, dass er sich
um dich und euer Kind kümmern kann. Er war immer gut zu dir
und ich habe euch zusammen gesehen, Oxanka. Du hast für diesen
Mann sehr viel übrig. Vielleicht liebst du ihn noch nicht,
aber Liebe ist etwas, was wachsen kann. Der Samen ist bei euch
beiden bereits vorhanden. Und selbst wenn du ihn nicht lieben
kannst, so kannst du ihn doch respektieren und in ihm einen treuen
Vertrauten finden. Das kann manchmal viel wichtiger sein, als
Liebe, Oxanka".
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"Hättest du Opa geheiratet, wenn ihr Euch nicht
geliebt hättet", fragte ich etwas zu respektlos
gegenüber meiner Großmutter und bereute die Frage auch
schon im nächsten Moment. Doch zu meinem Erstaunen beantwortete
Oma einfach meine Frage. "Als ich deinen Großvater
geheiratet habe, war ich ein kleines, dummes Mädchen, gerade
einmal 20 geworden. Ich lebte in einem winzigen Dorf mit sechs
jüngeren Geschwistern. Das einzige, was ich wollte, war von
Zuhause weg zu kommen. Und als dein Großvater mir anbot
ihn zu heiraten und mit ihm in die Stadt zu kommen, habe ich nicht
lange überlegt. Versteh mich nicht falsch Oxanka. Ich hatte
mich durchaus verguckt in diesen großen, schlanken, gutaussehenden
Mann. Aber was mich anzog, waren seine Versprechen. Von wahrer
Liebe konnte man damals nicht sprechen."
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"Und früh genug musste ich dann feststellen, dass
diese Versprechen Versprechen blieben. Gut, ich war in der Stadt,
aber von dem Luxus und dem schönen Leben das dein Großvater
mir versprochen hatte, war nichts zu sehen. Wir kamen in eine
Stadt, die noch immer vom Krieg zerstört war. Und die feuchte
Kellerwohnung, in die wir ziehen mussten, war nicht das Zuhause,
was ich mir erhofft hatte. Zum Glück fanden wir schnell eine
Bleibe bei Bekannten deines Opas. Aber uns blieb nur ein Schlafsofa
in der winzigen Küche. Von Privatsphäre konnte man da
kaum sprechen. Es ist fast schon ein Wunder, dass ich bei den
wenigen intimen Momenten mit deinem Vater schwanger wurde. Aber
Dariuszs Geburt machte es nur noch schlimmer. Wir hatten keinen
Platz, das Kind schrie ununterbrochen, das Geld war knapp und
deine Tante Kasia kündigte sich bereits an. Da hatte ich
einfach genug. Ich packte meine wenigen Sachen, nahm deinen Vater
und setzte mich in den Zug zurück zu meinen Eltern."
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"Dein Großvater versuchte drei Monate lang mich
zur Rückkehr zu bewegen. Doch ich blieb stur und wies ihn
ab. Bis deine Tante Kasia auf die Welt kam. Plötzlich saß
ich da, mit zwei kleinen Kindern und ohne Mann. Doch ich schämte
mich zu sehr, um zu deinem Großvater zu gehen. Es war damals
meine Großmutter, Gott hab sie selig, die mich am Kragen
packte und mir eine Ohrfeige verpasste, als ich vor Verzweiflung
nicht mehr weiter wusste. 'Du dummes Gör', schrie sie mich
an, 'geh zurück zu deinem Mann'. Und das tat ich dann auch.
Dein Großvater machte mir keinen Vorwurf, sondern schloss
mich einfach in seinen Arm und versprach mir, dass er alles dafür
tun würde, dass ich nie wieder einen Grund hätte ihn
zu verlassen. Da erkannte ich, wie sehr er mich liebte und das
auch ich ihn lieben könnte, wenn ich es nur zuließ.
Und wir wurden glücklich, Oxanka, das weißt du ganz
genau."
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Bei ihren letzten Worten begannen ihre Augen verräterisch
zu glitzern. Doch meine Oma wischte die Tränen schnell beiseite,
bevor sie jemand sehen konnte. "Gib Dominik eine Chance,
Oxanka. Gib ihm eine echte Chance und er wird dich nicht enttäusche".
"Danke, babciu". Ich ging zu ihr hinüber
und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. "Er ist
bei deiner Tante, Töchterchen. Geh zu ihm und kehrt gemeinsam
zurück in euer Heim. Ich möchte dass meine Enkel und
Urenkel glücklich werden".
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"Brodlowska, da bist du ja. Gott sei Dank". Dominik
sprang vom Sofa auf, gleich als ich das Wohnzimmer in Tante Kasias
Wohnung betrat und ein schüchternes "Hallo" hauchte.
Dominik hätte mich am liebsten fest an sich gedrückt,
doch mein Verhalten der letzten Tage und Wochen hatte ihn vorsichtig
gemacht. Als ergriff diesmal ich die Initiative und umfasst seine
Hand. "Lass uns wieder nach Hause gehen, Dominik". Das
brauchte ich ihm nicht ein zweites Mal zu sagen.
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Dominik und ich blieben noch über Nacht in Warschau. Doch
gleich am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns von meiner
babcia, Tante Kasia und Onkel Kazik und buchten einen Flug nach
SimVegas. Spät am Abend trafen wir dann endlich in der Simlane
ein. Kinga kam sofort auf uns zugestürmt, als sie den Wagen
vorfahren sah. "Papa, Mami! Da seid ihr ja wieder. Hast du
dich in der Kur gut erholt Mami?" Kur? Ich sah Dominik fragend
an, doch der zuckte nur entschuldigend mit den Achseln. "Irgendetwas
musste ich ihr doch erzählen, wo ihre Mami abgeblieben ist".
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Nachdem ich auch noch Tristan begrüßt hatte, der sich
hundertmal dafür entschuldigte, dass er Dominik meinen Aufenthaltsort
verraten hatte, ging ich hinaus in den Zitronenhein. Ich musste
einfach sehen, wie es den Bäumen ging. Aber alles war in
bester Ordnung. Ich schnitt zwar hier und dort ein paar Zweige
ab, aber ansonsten hatte Dominik sich wunderbar um alles gekümmert.
Und das tat er nun schon seit so vielen Jahren. Babcia hatte Recht,
Dominik war wirklich ein Mann, auf den man sich verlassen konnte.
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Also faste ich einen Entschluss. Ich warf die Laubschere auf den
Boden und lief ins Haus. Dominik stand in der Küche und verstaute
die zahlreichen Würste, die meine Großmutter uns mitgegeben
hatte. "Kommst du mal bitte mit?", bat ich ihn und führte
ihn Hand in Hand in Rolands altes Zimmer. "Was wollen wir
den hier?", fragte Dominik verwundert als wir in dem dunklen,
nun vollkommen leeren Raum standen. "Ja, Dominik. Meine Antwort
ist Ja".
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Dominik zog verwirrt die Augenbrauen hoch. "Ja? Ja wozu?".
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. "Vor etwa vier
Jahren hast du mir hier eine Frage gestellte, Dominik. Damals
war das noch Kingas Babyzimmer gewesen und wir standen zusammen
an ihrer Wiege. Und du hast mir eine Frage gestellt. Ich habe
nie geantwortet. Bis heute und meine Antwort ist Ja". Ich
konnte die Zahnräder, die ihn Dominiks Gehirn arbeiteten,
förmlich sehen. Und plötzlich riss er die Augen auf,
als er verstand, auf welches Ereignis in diesem Zimmer ich anspielte.
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Ohne Vorwarnung lief er davon und ließ mich verwirrt stehen.
Aber nur für einen kurzen Augenblick, denn er kam sofort
völlig außer Puste zurück und fiel vor mir auf
die Knie. "Der letzte Antrag ist schon so lange her",
hechelte er, "dass ich lieber noch einen zweiten mache. Lass
mir nur fünf Sekunden, um wieder Luft zu schnappen. Na gut,
sagen wir zehn." Ich ließ ihm so viel Zeit, wie er
wollte. Schließlich hatte er auch lange genug auf mich warten
müssen.
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Und dann streckte er seine Hand vor und präsentierte den
wunderschönen Ring mit dem glitzernden Diamanten, den ich
schon vor vier Jahren hätte annehmen sollen. "Oxana
Brodlowska, willst du diesen schönen und teuren Ring und
mich als unwiderstehlich gut aussehenden Mann gleich dazu?".
Ich nahm den Ring und steckte ihn mir an den linken Mittelfinger.
Er passte perfekt. "Ja, ich will", antwortete ich schließlich
ohne lang zu überlegen. "Ich will euch beide, den Ring
und dich".
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Dominik küsste mich zärtlich und umarmte mich dann.
"Ich hatte schon befürchtet, dass ich diesen Ring völlig
umsonst gekauft hätte", gab er zu und ich hörte
deutlich, wie ernst er es damit meinte. "Ich liebe dich,
Brodlowska. Und ich werde dir ein guter Ehemann sein und Kinga
ein noch besserer Vater, als ich es bisher war ".
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"Nicht nur Kinga, sondern auch deiner anderen Tochter; oder
deinem Sohn, so genau weiß ich das noch nicht". Und
erneut an diesem Abend schaffte ich es, Dominik sprachlos zu machen.
"Du meinst, du bist schwanger?", fragte er überglücklich.
"Wir bekommen noch ein Kind?". "Ich weiß
es seit dem Arztbesuch bei Schwester Mphenikohl. Ich bin etwa
in der achten Woche", bestätigte ich und Dominik brach
in Jubel aus. "Dann ist es ja auch nicht verwunderlich, dass
du dich in den letzten Wochen so seltsam verhalten hast. Junge,
Junge, Frauen sind während der Schwangerschaft echt unberechenbar.
Und du ganz besonders, Brodlowska".
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