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Am nächsten Morgen ging ich ganz unbewusst in Roland Zimmer.
Das Bett war ordentlich gemacht und die Morgensonne schien durch
die Fenster hinein. Alles sah noch aus wie immer, aber irgendwie
fühlte der Raum sich plötzlich leblos an. Als ob er
spüren würde, dass hier nun niemand mehr wohnte.
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Roland hatte mich einfach allein gelassen! Und plötzlich,
nach all den Wochen brach ich in Tränen aus. Ich heulte laut
drauf los und konnte gar nicht mehr aufhören. Warum war die
Welt bloß so ungerecht zu mir? Ich hörte nicht, wie
hinter mir die Tür geöffnet wurde und Roland das Zimmer
betrat. Als er mich so aufgelöst vorfand, wusste er nicht,
wie er reagieren sollte. "Oxana, alles okay bei dir?",
fragte er deshalb unsicher. Überrascht drehte ich mich in
seine Richtung und für einen Moment verstummte mein Weinen.
"Ich wollte bloß noch ein paar Sachen abholen",
erklärte er wie zur Entschuldigung, dass er mich in dieser
Verfassung überrascht hatte.
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Und sofort fing ich wieder laut an zu weinen. "Oxana, es
ist schon gut. Es ist alles gut", redete er tröstend
auf mich ein und drückte mich fest an seinen Körper.
In dieser Position verharrten wir einige Minuten. Immer wieder
sprach Roland tröstende Worte und strich mir beruhigend über
den Rücken. Doch ich konnte nicht aufhören zu weinen
und schließlich war Rolands Hemd an der Schulter völlig
durchtränkt von meinen Tränen.
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Es tat mir gut von einem Menschen im Arm gehalten zu werden, dem
ich vollkommen vertraute. Und obwohl er nichts Besonderes tat
oder sagte, versiegten meine Tränen. Langsam schob ich mich
von ihm zurück. Seine Hand umfasste noch immer meine Taille
und meinen Nacken und ganz unabsichtlich trafen sich unsere Blicke.
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Und dann tat ich etwas Dummes. Ganz vorsichtig führte ich
meine Lippen an Rolands Mund und küsste ihn. Ganz sanft und
langsam bewegte ich meine Lippen und plötzlich spürte
ich, wie er meinen Kuss zögerlich erwiderte.
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Doch dann zog er sich zurück. Schwer atmend sah er mir in
die Augen. Keiner sagte ein Wort. Wir ließen einander nicht
aus den Augen, als ob wir erahnen wollten, was unser Gegenüber
dachte.
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Und dann zog er mich wild an sich heran und küsste mich voller
Leidenschaft. Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, bis ich
seinen Kuss erwiderte und mich der Leidenschaft hingab. Wir ließen
uns auf das Sofa in der Fensternische fallen und Rolands Küsse
und Hände erforschten meinen gesamten Körper, so wie
meine es bei seinem taten.
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Hastig entledigten wir uns unserer Kleider und taumelten eng umschlungen
ohne unsere Lippen voneinander zu lösen zum Bett. Er fragte
nicht, ob ich es wollte, denn mein Verhalten sprach eine eindeutige
Sprache. Und dann schliefen wir miteinander.
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Unser Liebesakt war kurz und intensiv. Aber so schnell wie die
plötzliche Leidenschaft über uns hereingebrochen war,
flaute sie auch wieder ab. Und plötzlich wurde mir klar,
dass ich mit meinem besten Freund geschlafen hatte. Hastig suchte
ich meine Unterwäsche zusammen und kroch unter der Bettdecke
hervor. Wieder schossen mir die Tränen in die Augen und ich
begann leise zu schluchzen. Doch diesmal versuchte Roland mich
nicht zu trösten.
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Er suchte seine Kleider zusammen und zog sich hastig an. Er ignorierte
mich einfach und tat so, als ob nichts vorgefallen wäre.
Er war schon fast aus der Tür raus, als er sich noch einmal
zu mir umdrehte und in meine verheultes Gesicht sah. "Es
tut mir leid, Oxana. Das war gerade ein riesiger Fehler. Ich hätte
es nie so weit kommen lassen dürfen. Ich liebe Brandi. Verstehst
du jetzt, warum ich von hier weg musste?". Schluchzend blieb
ich allein in dem Zimmer zurück.
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Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich meine Kleider
angezogen hatte. Die Sonne war lägst untergegangen und ich
saß noch immer schluchzend in Rolands Zimmer. "Hier
bist du also". Ich hatte Tristan nicht in das Zimmer kommen
sehen. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass er das Licht angeschaltet
hatte. "Wir haben uns Sorgen gemacht, als wir dich nicht
finden konnten. Dominik sieht ziemlich fertig aus, weiß
du das überhaupt?". Ich starte Tristan an und ich hörte
auch jedes Wort, doch irgendwie erreichte mich keines davon. Traurig
senkte ich meinen Blick und strich mit den Fingern über den
Stoff meiner Jeans.
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"Oxana, lass dir doch helfen. Wir machen uns alle Sorgen
um dich". Tristan hockte sich zu mir hinunter und griff nach
meiner Hand. "Wir wollen doch nur dein Bestes". "Mein
Bestes?!", fuhr ich Tristan völlig unvorbereitet an,
sodass er nach hinten taumelte und sich wieder aufrichteten musste
um nicht umzufallen. "Ihr wisst doch gar nicht, was das Beste
für mich ist! Ihr habt doch alle gar keine Ahnung, wie ich
mich fühle....was ich verloren habe". Augenblicklich
legte sich meine Wut und erneut wimmerte ich leise vor mich hin.
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Doch Tristan ließ sich nicht so leicht von mir abschrecken.
Er kniete sich erneut vor mich hin und griff meine Hand. "Dann
sag uns doch, was dir fehlt. Bitte, Oxana", seine Stimme
klang so voller Mitgefühl und tiefer Sorge, dass es plötzlich
aus mir heraus brach. "Ich habe Roland aus dem Haus getrieben",
schluchzte ich los. "Und heute morgen hab ich unsere Freundschaft
völlig zerstört, als ich mit ihm geschlafen habe. Und
Gerda wird nie wieder laufen können und das ist alles meine
Schuld!". Ich warf mich Tristan um den Hals. Ich krallte
mich regelrecht in seinen Rücken, doch er beschwerte sich
nicht. "Und dann ist da noch Dominik. Ich liebe ihn nicht.
Ich liebe ihn einfach nicht. Und Kinga liebe ich auch nicht. Ich
bin eine furchtbare Mutter. Was für eine Mutter liebt ihr
Kind nicht? Und jetzt bin ich schon wieder schwanger!". Ein
Weinkrampf folgte dem nächsten und ich brachte kein vernünftiges
Wort mehr heraus.
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Tristan hielt mich so lange fest, bis ich mich wieder einigermaßen
beruhigt hatte. Er ließ mich auf dem Sofa Platz nehmen und
setzte sich dann neben mich. Für einen Moment herrschte Schweigen.
"Du bist keine schlechte Mutter, Oxana. Und es stimmt auch
nicht, dass du Kinga nicht liebst", durchbrach Tristan schließlich
die Stille, was aber nur dazu führte, dass meine Augen sich
mit Tränen füllten. "Wenn du sie nicht lieben würdest,
dann hättest du nicht so lange durchgehalten. Du wärst
dann nicht all die Jahre mit Dominik zusammen geblieben, sondern
wärst schon längst zu Albert gegangen. Aber du wolltest
deinem Kind nicht den Vater nehmen".
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"Du weißt von Albert", keuchte ich überrascht.
Meine Augen waren weit aufgerissen und ich dachte, dass mein Herz
gleich aussetzten würde. "Seit wann? Woher?". Tristan
schaute verlegen auf den Boden. "Frank und ich haben Albert
und dich vor etwa sieben Monaten in Seda Azul gesehen. Wir waren
auf dem Gay Beach Festival und am Abend wollten wir ... alleine
sein. Hinter den Dünen erschien uns ein nettes Plätzchen,
aber....nun ja, dieses Plätzchen war leider schon besetzt....von
Albert und dir, du verstehst". Tristan war an sich kein verklemmter
Mensch, doch im Moment glühte sein Kopf hoch rot. "Ihr
wart nicht gerade leise und die Situation war eindeutig".
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"Warum hast du nie etwas gesagt?", fragte ich tief beschämt.
"Es ging mich nichts an, Oxana. Du bist eine erwachsene Frau
und ich finde nicht, dass ich mich ungefragt in dein Liebesleben
einmischen sollte." "Es war so schwer, mit niemandem
darüber reden zu können. Oh, Tristan, ich habe Albert
so sehr geliebt. Aber ich konnte doch nicht seine Ehe mit Gerda
zerstören. Und ich konnte Kinga doch nicht den Vater nehmen.
Ich habe erst versucht, meine Gefühle zu ignorieren, doch
irgendwann konnte ich nicht mehr. Mit jedem unserer heimlichen
Treffen wusste ich, dass ich ihn mehr als alles andere auf dieser
Welt liebte. Wir wollten sogar heiraten." Bis jetzt war ich
relativ ruhig geblieben, doch jetzt flossen wieder die Tränen.
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"Und jetzt ist er tot, Tristan. Und ich konnte mit niemandem
darüber sprechen. Ich dachte fast ich würde durchdrehen
und etwas Dummes machen." Bei diesen Worten keuchte Tristan
erschrocken auf. "Dass Dominik sie so um mich bemüht,
macht es nur noch viel schlimmer. Jedes Mal wenn ich ihn sehe,
werde ich daran erinnert, was ich mit Albert hätte haben
können. Und jetzt bin ich auch noch schwanger". "Und
du weißt nicht, wer der Vater ist". Tristans Feststellung
traf es auf den Punkt. "Beide könnten der Vater sein",
schluchzte ich. "Und ich weiß nicht, was schlimmer
wäre, ein Kind von Albert, das mich jeden Tag schmerzhaft
an ihn erinnert, oder noch ein Kind von einem Mann, den ich nicht
liebe".
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Darauf wusste Tristan natürlich auch keine Antwort, aber
die hatte ich auch nicht erwartet. Und erstaunlicherweise fühlte
ich mich plötzlich viel besser. Es tat so gut, sich nicht
mehr verstellen zu müssen. "Und jetzt zeig dich den
Kindern und Dominik, damit sie sich nicht weiter um dich sorgen",
forderte Tristan mich auf und zog mich vom Sofa hoch. "Danke
für deine Hilfe, Tristan", bedankte ich mich bei ihm.
"Dafür sind Freunde doch da". Eigentlich war damit
alles geklärt, doch ich trat unruhig von einem Bein auf das
andere, sodass Tristan gleich merkte, das mir noch etwas auf der
Seele brannte. "Darf ich heute bei dir im Bett übernachten?",
fragte ich unsicher, als er wissen wollte, was los war. Sein fröhliches
Lachen überwältigte mich. "Und ich dachte, du hättest
noch eine weitere Bombe im Gepäck".
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Ich blieb so lange wach, bis Dominik alleine ins Bett ging. Ich
wartete noch eine Weile und ging dann rüber in Tristans Zimmer
und legte mich zu ihm. Doch einschlafen konnte ich nicht. "Schläfst
du?", fragte ich deshalb leise mitten in der Nacht. "So
wie du dich herumwälzt würdest du selbst einen Komapatienten
aufwecken", erwiderte er verschlafen. Ich wusste noch immer
nicht, was ich wegen des Kindes unternehmen sollte, das langsam
in meinem Bauch heran wuchs. "Vielleicht solltest du einfach
mal Abstand von all dem hier nehmen und wegfahren. Mit all den
Menschen und Erinnerungen hier wirst du nie eine vernünftige
Entscheidung treffen können. Aber jetzt lass mich bitte schlafen,
Süße". Damit drehte er sich auf die andere Seite
und schlief sofort wieder ein.
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