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Albert reichte mir seine rechte Hand und führte mich die
letzten Schritte vor den Altar. "Ich liebe dich, Oxana",
flüsterte er mir zu und ich hauchte ein, "Ich liebe
dich auch", zurück. Aber Worte waren unnötig. Ich
wusste, dass er mich liebte. All die Hindernisse auf unserem bisherigen
Weg waren dafür Beweis genug.
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Der Klang der Orgel erstarb und der Priester begann mit dem Gottesdienst.
Ich versuchte aufmerksam jedem seiner Worte zu lauschen, allerdings
gelang mir das nicht vollständig. Immer wieder erwischte
ich mich dabei, wie ich Albert beobachtete und dabei glücklich
lächelte. Meine Gedanken schweiften ab in unsere Gemeinsame
Zukunft, zu unserer Liebe, unseren gemeinsamen Kindern, von denen
ich hoffte, dass es viele davon geben würde.
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"Das Brautpaar hat darum gebeten, ein eigens Gelöbnis
vortragen zu dürfen", verkündete der Priester,
"und eine solche Bitte konnte ich nicht abschlagen. Oxana,
wollen Sie bitte beginnen?". Ich hatte mir vorher eine Rede
zusammengestellt und sie auf einem Zettel notiert. Aber dieser
Zettel war jetzt unwichtig. "Albert, du bist die Liebe meines
Lebens. Gleich als ich in der Sierra Simlone ankam wusste ich,
dass ich mein Leben mit dir verbringen wollte. Das es so lange
gedauert hat, kann nur ein Zeichen für die Beständigkeit
unserer Liebe sein. Ich möchte meine Liebe mit dir Teilen
und dich glücklich machen, so wie du es jeden Tag aufs Neue
mit mir machst. Ich kann mir nichts schöneres Vorstellen,
als deine Frau zu werden".
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Aus den hinteren Reihen hörte ich ein tiefes Schluchzen und
erkannte es sofort als das von Onkel Franky, der sich vor Rührung
die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. "Oxana, alleine
wenn ich deinen Namen höre, überkommt mich eine Welle
des Glücks. Du bist eine wunderschöne, intelligente,
erfolgreiche junge Frau. Du meisterst jede Schwierigkeit und das
bewundere ich so an dir. Mit deiner Hilfe werde ich mit jedem
Problem fertig und im Gegenzug werde ich dir dabei helfen, jedes
deiner Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Gemeinsam werden
wir alles schaffen können, wenn wir nur an unsere Liebe glauben."
Alberts Worte gingen mitten in mein Herz und ich konnte meinen
Blick kaum von seinen Lippen lösen. Am liebsten hätte
ich ihn auf der Stelle geküsst.
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Doch das musste noch warten. "Nun ist es an der Zeit, die
Ringe zu tauschen", erklärte der Priester und Hans reichte
ihm die beiden goldenen Ringe, die er bis dahin in seiner Hosentasche
aufbewahrt hatte. Der Priester segnete die Ringe, die ein sichtbares
Symbol unserer Liebe sein würden und reichte den kleineren
der beiden dann Albert. Dieser nahm ihn entgegen und steckte ihn
mir an den Ringfinger meiner linken Hand an.
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Dann reichte der Priester mir den verbliebenen Ring und vor Aufregung
hätte ich ihn fast fallen lassen. Mit zitternder Hand streifte
ich den goldnen Ring auf Alberts Ringfinger. Zum Abschluss falteten
wir unsere Hände ineinander. Ich wollte Albert nie wieder
los lassen.
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Meine Großmutter lächelte überglücklich.
Sie hatte zwar kaum ein Wort dieser Zeremonie verstanden, aber
das war bei solch einem Ereignis nicht notwendig. Sie sah die
Glücklichen Gesichter von Albert und mir und das reichte
ihr, um selbst glücklich zu sein. Und auch mein Bruder strahlte.
Es schien ihn wirklich zu freuen, dass nun auch seine zweite Schwester
verheiratet war.
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Vorsichtig riskierte ich einen Blick zu Gerda. Ich befürchtete,
dass sie die Zeremonie nicht ganz so gut aufnehmen würde.
Immerhin heiratete ich gerade den Mann, mit dem sie selbst fast
20 verheiratet war. Aber in ihrem Blick erkannt eich nur aufrichtige
Freude und Zuneigung für Albert und mich.
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Der Priester fuhr in der Zeremonie fort, denn noch waren wir nicht
am Ende angekommen. Noch fehlte die eine entscheidende Frage und
dann würden Albert und ich endlich verheiratet sein. "Was
Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht trennen. Das
ist ein Grundsatz unserer heiligen Kirche und deshalb ist die
Entscheidung zur Ehe auch von solcher Wichtigkeit. Deshalb stelle
ich dir Albert jetzt die Frage:"
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"Willst du, Albert Kappe, vor Gott und seiner Gemeinde, die
hier anwesende Oxana Brodlowska zu deiner Ehefrau nehmen, sie
lieben und ehren, in guten wie in schlechten Zeiten, so antworte
mit 'Ja'". Albert ergriff meine Hand und sah mir tief in
die Augen. "Ja, ich will", antwortete er mit seiner
tiefen, kräftigen Stimme und ich schwebte in den siebten
Himmel.
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"Und willst du, Oxana Brodlowska, den hier anwesenden Albert
Kappe zu deinem Ehemann nehmen, ihn lieben und ihm gehorchen,
in guten, wie in schlechten Tagen, bis das der Tod Euch scheidet,
so antworte mit 'Ja' ". Ich blickte in Alberts strahlenden
grünen Augen und lächelte ihn verliebt an. Ja, ich wollte
ihn heiraten und bis an mein Lebensende mit ihm zusammen leben.
Ich öffnete meine Lippen und..."Pieeeeep".
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Was war den das eben? Ich räusperte mich verwirrt und versuchte
es ein zweites Mal. "Pieeeeep". Und wieder nur derselbe
Ton. Ich musste doch nur ein einfaches 'Ja' sagen. Mehr war nicht
zu tun. Doch als ich meinen Mund erneut formte, drang wieder nur
diese "Pieeeeeep" heraus. Ich wurde langsam panisch.
Albert schaute mich verständnislos an. Die Gäste im
Hintergrund begannen aufgeregt zu murmeln. Ich versuchte zu sprechen,
doch alles, was meinen Mund verließ, war dieses Piepen,
dieses schreckliche Piepen.
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Dieser schreckliche langgezogene Piepton, den ich schon einmal
gehört hatte. Wie aus weiter Ferne drangen plötzlich
die Erinnerungen auf mich ein. Das Krankenhaus, die panischen
Schwestern, die Kommandos des Arztes, die Kaffeetasse, die auf
den Fliesen zerbrach, Alberts zuckender Körper und dieses
Piepen, dieses furchtbare Piepen!
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Panisch riss ich meine Augen auf. Es dauerte einige Sekunden,
bis ich realisierte, dass es nur ein Traum gewesen war. Nichts
davon war real gewesen. Es gab keine Hochzeit, keine Ringe, keinen
Albert. Albert war tot. Im Halbdunkel des Schlafzimmers konnte
ich Dominik erkennen, der ruhig neben mir im Bett schlief. Ich
war also einem Alptraum entflohen, um im nächsten aufzuwachen.
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Ich konnte nicht länger neben Dominik liegen bleiben. Ich
wollte nur noch weg. Im Dunklen tastete ich mich in Wohnzimmer
und setzte mich mit angezogenen Beinen auf die Couch. Es waren
nun schon drei Wochen vergangen seit Albert.......seit er mir
so grausam entrissen worden ist. Doch es wurde nicht leichter,
ganz im Gegenteil.
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"Brodlowska! Hey, alles in Ordnung bei dir?", Dominik
stand plötzlich vor mir und starte mich besorgt an. Als er
das Wohnzimmer betrat, fand er mich auf dem Sofa vor, wie ich
geistesabwesend den ausgeschalteten Fernseher anstarte. Er muss
mich schon mehrere Mal angesprochen haben, doch erst jetzt nahm
ich ihn war. Trotzdem antwortete ich ihm nicht, sondern schaute
nur ausdruckslos in sein Gesicht.
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Als ich weiterhin keine Anstalten machte irgendetwas zu erklären
oder überhaupt zu reagieren, setzte er sich zu mir. "Brodlowska,
es ist gerade mal halb vier morgens. Komm zurück ins Bett.
Bitte!". Ich starte weiter die Wand an. "Du musst damit
aufhören, Brodlowska. Du kannst doch nicht ständig in
der Nacht allein im Dunkeln sitzen. Das ist nicht gut für
dich". Er klang besorgt, doch zu mir drang dies nicht hindurch.
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"Komm wieder mit mir mit". Er streckte seinen Arm aus
um mich an der Schulter zu fassen und mich sanft zurück in
das Schlafzimmer zu geleiten.
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Doch als ich die Berührung seiner Hand spürte, zuckte
ich erschrocken zusammen und zog mich von ihm zurück. Mein
Gesichtsausdruck muss entsetzt gewirkt haben, denn Dominik hatte
Mühe, seine Fassung zu bewahren. In seinen Augen mischten
sich Sorge, Angst, Wut, Resignation und Enttäuschung. Vor
allem Enttäuschung. Doch ich konnte darauf keine Rücksicht
nehmen.
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