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Constance verzog sich in ihr Zimmer und hockte sich unter den Schreibtisch. Sie wollte, dass ihr Papa glücklich war. Nur deshalb hatte sie nichts gesagt, als er ihr von den Auszugsplänen erzählte. Sie wollte nicht mit Brandi zusammen wohnen. Die Verlobte ihres Vaters war zwar nett zu ihr, aber dennoch beschlich das kleine Mädchen unweigerlich das Gefühl, dass diese Frau sie nicht wirklich wollte. Für sie war sie lediglich ein lästiges Anhängsel, das an ihrem Verlobten hängte. Und diese Frau sollte ihre neue Mutter werden?


Früher wäre mir aufgefallen, wie unwohl Constance sich fühlte. Doch ich hatte eigene Probleme, die mich blind für alles andere machten. Der Schock über Rolands Auszugserklärung ließ mich Albert und die Schwangerschaft fast vergessen. Allerdings nur für wenige Minuten, denn im nächsten Augenblick musste ich zur Toilette rennen und die wenigen Bissen des Hot Dogs, die ich runter gewürgt hatte, wieder an die Oberfläche befördern.


Ich konnte Constance nicht aufheitern. Dafür konnte Kinga es umso mehr. Die beiden waren seit ihrer frühsten Kindheit wie Schwestern aufgewachsen. Und keine der beiden wollte daran denken, dass sie sich bald trennen mussten. Also verbrachten sie so viel Zeit miteinander, wie es nur ging. In den frühen Morgenstunden ließ es sich wunderbar hinterm Haus Spielen. Und ein "Cowboy und Indianer" Spiel war in einer echten Wüste doppelt so lustig.


Und wenn die Sonne am Mittag erbarmungslos auf die Erde brannte, konnte man auch im Haus eine Menge Spaß machen. Zwar war es auch hier meist heiß und stickig, doch ein halbwegs kühles Zimmer ließ sich immer finden. Und eine wilde Kissenschlacht im Schlafzimmer des Vaters war gleich doppelt aufregend, weil der kleine Hauch von etwas Verbotenem mitschwang.


Und da beide wussten, dass ihnen nicht mehr viel gemeinsame Tage blieben, nutzten sie die Zeit bis tief in die Nacht. Mehr als einmal musste Dominik die beiden fast vom Puppenhaus wegzerren. Doch den beiden viel immer wieder eine neues Abenteuer ein, das ihre kleinen Puppen erleben konnten. Mal wurde eine Party gefeiert, mal musste die Feuerwehr das Kind vom Dach retten und manchmal bedrohte sogar ein Monsterteddy die mutigen Puppenhausbewohner.

 



Auch Roland und Tristan entdeckten ihren Sieltrieb auf ein Neues. Mit den Jahren waren wir alle älter und vernünftiger geworden, doch die beiden erinnerten sich wieder an die Anfangstage unserer Dreier-WG, in denen wir bis tief in die Nacht Schlambada in Unterwäsche tanzten oder wilde Kissenschlachten quer durch das ganze Haus veranstalteten.


Natürlich würde Roland nicht aus der Welt verschwinden, nur weil er ein paar Straßen weiter zog. Aber beiden war klar, dass sich ihre Freundschaft ändern würde, wenn Roland nicht mehr in der Simlane lebte. Also nutzten auch Tristan und er noch die letzten gemeinsamen Tage. Wie früher zogen die beiden los und machten die Clubs der Umgebung unsicher. Bei leckeren Cocktails schwelgten sie in Erinnerungen.


Und hinterher machten sie die Tanzfläche unsicher. Tanzen konnten beide. Es machte Spaß ihnen zuzusehen und auch die DJane fuhr zu Höchstleistungen auf, als sie die beiden in Aktion erlebte.


Verschwitzt aber glücklich faste Tristan Roland an den Schultern und führte ihn in einer Mini-Polonaise mit zwei Teilnehmern zur nächsten Fotokabine. "Los, rein mit dir. Wir brauchen eine Erinnerung an diesen Abend. Dann können wir unseren Kindern später beweisen, was für wilde Kerle wir doch waren", lachte Tristan und schob Roland in die Kabine. Und kurze Zeit später schob sich das frisch gedruckte Foto aus dem Automaten. Als Roland das Foto sah, machte er große Augen und deutete auf das Bild links oben. "Wann hast du dich denn Kopf über gestellt?", fragte er irritiert. "Und wie zum Teufel hast du das überhaupt angestellt". "Das mein Freund", erwiderte Tristan grinsend, "Wird wohl mein kleines Geheimnis bleiben".


"Oh, sieh mal", rief Tristan aufgeregt. "Die alte Blubberblasen-Maschine ist auch noch da. Los, lass sie uns ausprobieren". Mehr brauchte es nicht, um Roland zu überreden. "Hier haben wir uns damals kennen gelernt", erinnerte er sich. "Du trugst damals diesen lustigen Anglerhut". "Und du deine schwarze Kappe. Du sahst damit zum Anbeißen aus. Aber du hattest nur Augen für Oxana. Ich dachte schon, ich müsste nackt vor dir tanzen, nur um bemerkt zu werden". Roland sah Tristan schief an und brach dann in schallendes Gelächter aus. "Gott sei Dank hast du das gelassen. So schüchtern wie ich damals war, wäre ich wahrscheinlich in Ohnmacht gefallen".


Die beiden blubberten noch eine ganze Weile vor sich hin, machten schließlich aber Platz für die anderen Gäste, die auch ein paar Bläschen machen wollten. Da beide aber noch keine Lust hatten in die Simlane zurückzukehren, entschieden sie sich für eine Karaoke-Einlage. Bei Liedern von Madonna und Gloria Estefan trieben sie ihre Stimmen bis ans Äußerste und fingen sich mehr als einen verwunderten Blick von den anderen Clubgästen ein. Doch den beiden war es egal. Erlaubt war, was Spaß machte und ihr Gesangsduett machte auf alle Fälle Spaß.


Mit trockener Kehle fanden sie dann erneut den Weg zur Bar, wo der Abend auch schon begonnen hatte. "Zwei Zombies", bestellte Roland hechelnd und ließ sich auf den Barhocker plumpsen. "Wo schaust du den hin", fragte er, als er Tristans hypnotisierenden Blick bemerkte. Seiner Blickrichtung folgend entdeckte er auch den jungen Mann, der Tristans Interesse geweckt haben musste. "Ja, der sieht nicht mal schlecht aus", gab er seinen Kommentar ab. "Nicht schlecht ist ja wohl etwas untertrieben", erwiderte dieser. "Und hast du schon seine äußerst knappen Shorts bemerkt? Heiß kann ich da nur sagen".


Und ehe Roland es sich versah, stand Clark, so hier der scharfe Unbekannte, neben ihnen und Tristan flirtete, was das Zeug hielt. Und Clark schien alles andere als abgeneigt, wie Roland und insbesondere Tristan erfreut feststellen mussten. "Macht es dir was aus, wenn du gleich alleine nach Hause fährst?", fragte er Roland schließlich unauffällig ohne Clark dabei aus den Augen zu verlieren. "Dann lass ich euch zwei Hübschen mal lieber allein", grinste Roland zur Antwort, leerte sein Glas in einem Zug und machte sich lachend auf den Heimweg.

 



Auch ich versuchte noch so viel Zeit wie möglich mit Roland zu verbringen, bevor er die Simlane verließ. In seiner Nähe fühlte ich mich einfach wohl und geborgen und für einen kurzen Augenblick konnte ich bei ihm meine ganzen Probleme vergessen. Wir unterhielten uns viel oder benutzten mal wieder die alte Dartscheibe, die schon in diesem Haus hing, als ich vor sieben Jahren hierher zog. Doch leider war Roland nicht ganz so aufgeschlossen mir gegenüber, wie er es früher gewesen war. Meine Bettaktion von vor einigen Nächten ist nicht spurlos an unserer Freundschaft vorbei gegangen.


Und dann war es soweit. Das neue Haus von Roland, Constance und Brandi war bezugsfertig. Constance war ganz traurig, als sie in das Taxi steigen musste, das sie in ihr neues Zuhause, am anderen Ende von Sierra Simlone Stadt bringen würde. Tristan winkte den beiden noch solange zum Abschied, bis das Auto in der Dunkelheit verschwunden war. Kinga hatte sich gleich unter ihre Bettdecke verkrochen und hoffte, dass es gleich Morgen würde und sie Constance in der Vorschule traf. Ich beobachtete alles durch das Fenster. Einen Abschied konnte ich jetzt auf keinen Fall überstehen.

 

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