Kapitel 4
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Ich hatte Magda noch nie so reumütig…und so aufrichtig erlebt. Sie meinte es wirklich ernst. Sie hatte all die Worte nicht nur gesagt, weil sie hier wohnen bleiben wollte. Ihr tat wirklich leid, was sie getan hatte. Aber sie hatte mir dennoch weh getan und mir fiel nichts ein, was sie tun könnte, damit ich mich wieder besser fühle. Aber sie konnte mir wenigstens die ganze Wahrheit über den Vorfall sagen, das war sie mir schuldig. „War es schwer Gernot dazu zu bekommen, mit dir zu schlafen?“, fragte ich und fürchtete mich doch vor der Antwort.

 
 
 

„Willst du das wirklich wissen, Claude?“, fragte sie und legte dabei ihre Stirn in Falten. Mein Herz hämmerte wie wild, doch ich nickte. „Ok, wenn es das ist, was du willst, dann“, antwortet Magda, „nein, es war nicht schwer. Ich wusste lediglich mein Handtuch fallen lassen und meine Arme um ihn legen. Mehr war nicht nötig. Er…er hat nicht mal einen Moment gezögert. Hätte er das getan…vielleicht hätte ich dann von meinem Vorhaben abgesehen. Aber alles lief dann noch leichter ab, als ich es geplant hatte.“ Bei diesen Worten füllten sich meine Augen mit Tränen. Gernots Liebe zu mir war also nicht einmal so stark gewesen, dass er kurz gezögert hätte.

 
     
 

Ich drehte mich weg, damit Magda meine Tränen nicht sehen konnte. Doch dafür war es natürlich längst zu spät. „Wenn ich es nur rückgängig machen könnte, ich würde es sofort tun“, beteuerte sie. Doch wir beide wussten, dass das nicht möglich war. Und vielleicht war es auch besser so. „Wenn es leicht für dich war, Gernot ins Bett zu kriegen, dann ist es doch nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er mich mit einer anderen Frau betrogen hätte“, schluchzte ich. „Auf der Welt laufen so viele schöne Frauen herum, wie konnte ich also ernsthaft glauben, dass er sich in eine hässlich, dicke Kuh wie mich verlieben könnte?“

 
    Popular - Wicked

 
 

Blitzschnell kam Magda um mich herum geeilt. „Claude, hör auf damit!“, sagte sie bestimmt. „Du bist nicht hässlich.“ Bei jedem Wort pikste sie mit ihrem Finger in meine Rippen. „Ich weiß, ich habe in der Vergangenheit öfter das Gegenteil behauptet, aber davon war kein Wort wahr. Du bist klug und fröhlich und begabt und ja, verdammt, du bist auch schön. Aber du traust dich nicht der Welt zu zeigen, wie schön du bist. Es stimmt, du hast ein paar Kilo zu viel auf den Rippen, aber das lässt sich schnell ändern. Und du versteckst dich immer hinter diesen langweiligen Kleidern und deiner nichtssagenden Frisur. Wie soll ein Mann da deine wahre Schönheit entdecken? Aber...aber ich werde dir dabei helfen, das zu ändern Claude. Wenn du mich lässt, dann werde ich dir helfen, deine verborgene Schönheit ans Tageslicht zu fördern. Und dann wird die ganze Welt entdecken, wie schön du bist und kein Mann wird dich je wieder verletzten. Und schon gar nicht dieser Vollidiot Gernot.“

 
   
 

Bis zu diesem Moment war mir nicht klar gewesen, dass ich viel mehr über Gernots Betrug enttäuscht war, als über Magdas. Ja, sie hatte etwas Schlimmes getan, aber niemand hatte Gernot gezwungen, auf ihr Angebot einzugehen. Und das warf natürlich die Frage auf, warum Gernot sich so leicht von ihr verführen ließ. Lag es vielleicht wirklich an mir? Tat ich zu wenig, um Männern zu gefallen? Magda legte behutsam ihre Hand auf meine Schulter. „Und Claude, möchtest du, dass ich dir dabei helfe, eine wunderschöne Frau zu werden? Das ist das Mindeste, was ich für dich tun kann.“ „Ja“, flüsterte ich benommen, ehe ich es mir noch anders überlegen konnte. Magda lächelte glücklich. Ich spürte, dass sie mich erneut umarmen wollte, doch diesmal hielt sie sich selbst zurück. Wir waren noch nicht wieder Freundinnen, aber ich spürte, dass es in Zukunft leichter werden würde.

 
 

 

 

 
   
 

Damit aber wirklich Frieden in die Celia Gade einkehren konnte, musste Magda sich auch mit Jamie aussprechen. Den ganzen Morgen wartete sie in ihrem Zimmer darauf, dass Jamie aufstand und sich zum Joggen fertig machte. Gerade als er das Haus verließ, fing sie ihn ab. „Jamie, ich möchte dir alles erklären“, begann sie, „und mich bei dir entschuldigen.“ Doch daran hatte Jamie wenig Interesse. „Was gibt es da noch zu reden?“, fauchte er sie an. „Du kommst ja offensichtlich mit allem durch. Du schläfst mit Gernot, weinst ein paar Tränen, und schon hat Klaudia dir verziehen. Bei mir wirst du es nicht so leicht haben. Ich hab erkannt was für ein hinterlistiges Biest du bist.“

   
   
   

Jamies Worte trafen Magda sehr. „So denkst du also von mir?“, fragte sie flüsternd und berührte unsicher die Lippen mit der einen Hand, während sie sich die andere schützende um den Bauch legte. Jamie nickte eifrig. „Das wollte ich nicht“, sagte sie schließlich. „Als ich erfuhr, dass du Rons Sohn bis, da sind mir die Sicherungen durchgebrannt. Du verstehst das vielleicht nicht, und vielleicht willst du es gar nicht hören, aber ich habe deinen Vater wirklich geliebt. Und zu erfahren, dass er mir so etwas Wichtiges wie seinen eigenen Sohn - dich - verschweigt, hat mir deutlich gezeigt…“

 
   
 

„…dass er nicht dasselbe für dich empfindet wie du für ihn“, beendete Jamie ihren Satz. Die Wut war plötzlich aus seiner Stimme verschwunden. Beschämt legte Magda ihre Hand vors Gesicht. „Hat…hat er je von mir gesprochen? Dir gegenüber meine ich?“, fragte sie. Doch Jamie musste ihre Frage verneinen. „Ich wusste zwar, dass er sich regelmäßig mit einer Frau traf, aber er hat nie von dir gesprochen. Er…er hat vermutlich keine Zukunft für euch beide gesehen.“ Magda schluckte schwer. „Das hab ich mir schon gedacht. Und ich war wütend, enttäuscht und beschämt. Und dann tauchst plötzlich du auf. Ein gutaussehender, junger Mann. Und ich dachte, ich könnte Ron endlich vergessen. Und dann stellte sich raus, dass du sein Sohn bist. Das war einfach zu viel für mich.“

 
   
 

„Ich weiß, das ist keine Entschuldigung dafür, was ich Klaudia angetan habe. Ich habe mich kindisch verhalten. Mit diesem kindischen Verhalten habe ich schon deinen Vater verprellt. Hätte ich anders darauf reagiert, dass er mir seinen Sohn verheimlicht hatte, vielleicht wären wir dann noch zusammen. Aber wenn ich deine Erzählung so höre, dann bestand da wenig Hoffnung. Und auch dich habe ich durch mein kindisches Verhalten verloren. Du kannst ja nichts dafür, dass du sein Sohn bist. Und dadurch bist du ja auch kein anderer Mensch als vorher geworden. Und trotzdem wollte ich dich so weit wie möglich von mir stoßen und dich genau so leiden lassen, wie ich gelitten habe. Aber mit Gernot zu schlafen, das hat eigentlich mich am meisten verletzt. Wie konnte ich nur so tief sinken und Sex als Rachemittel einsetzen? Ich ekle mich noch heute vor mir selbst wegen dieser Tat.“

   
   
 

„Oh nein, jetzt rede ich ja doch wieder nur über mich. Das wollte ich nicht, Jamie, ehrlich nicht. Du sollst wissen, dass es mir leid tut, dich verletzt zu haben. Ich weiß, wir waren nicht mehr zusammen, aber ich wollte dich trotzdem damit verletzten, dass ich so schnell mit einem anderen schlafe. Und das war dir gegenüber nicht fair. Ich kann dich nicht bitten, den Vorfall zu vergessen. Und ich kann ihn auch nicht ungeschehen machen. Aber ich bitte dich, dass wir wenigstens versuchen, gut miteinander auszukommen. Ich kann verstehen, dass du das nicht für mich machen willst. Aber mach es wenigstens für Klaudia. Ich hab ihr schon genug weh getan. Ich will nicht, dass sie auch noch unter der angespannten Situation bei uns in der WG leidet. Und bevor du fragst, ja, ich habe schon überlegt auszuziehen und Klaudia somit von mir zu befreien. Aber sie ist alles, was ich habe. Sie ist meine Familie, mehr als meine richtige Familie es jemals für mich war. Ich möchte das nicht verlieren.“

 
     
 

Jamie seufzte schwer und richtete den Blick in den wolkenverhangenen Himmel. „Oh man, du machst es einem ja wirklich nicht leicht, dich zu hassen. Vielleicht hat Klaudia ja doch nicht komplett den Verstand verloren, als sie dir erlaubte, bei uns wohnen zu bleiben. Gut, ich werde mich zügeln. Und ich werde versuchen zu vergessen, was du Klaudia und mir angetan hast. Aber ich bin nicht so naiv wie deine Cousine. Wenn ich entdecke, dass du ein falsches Spiel mit uns treibst, dann fliegst du schneller aus der WG, als du gucken kannst.“

 

 

 

 
   
 

Somit herrschte Waffenstillstand in der Celia Gade und alles deutete darauf hin, dass auch der Frieden nicht mehr weit war. Umso überraschter war ich, als am nächsten Tag ein Taxi vor unserem Haus hielt und meine Tante Joanna hinausstieg. Durch den strömenden Regen lief sie die wenigen Meter auf das Haus zu. Da ich sie schon durchs Küchenfenster gesehen hatte, wartete ich in der geöffneten Tür auf sie. „So ein Mistwetter“, fluchte sie leise und fuhr sich mit den Fingern durch das feuchte Haar, um ihre Frisur wieder zu richten. „Das ist ja eine Überraschung“, stotterte ich. Meine Tante lächelte freundlich und reichte mir die Hand. „Deine Mutter hat mich angerufen, damit ich mal nach dem Rechten schaue“, erklärte sie. Sie wusste also, was vorgefallen war.

 
     
 

„Wie geht es dir, Klaudia?“, fragte sie sichtlich besorgt. „Es geht schon“, antwortete ich, klang wohl aber nicht sehr überzeugend. „Deine Mutter bat mich, etwas wegen Magda zu unternehmen. Ich muss gestehen, dass ich erst abwarten wollte, wie du mit der Situation umgehst, Klaudia. Hättest du meine verwöhnte Tochter auf die Straße gesetzt, dann wäre mein Eingreifen nicht nötig. Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass sie immer noch unter deinem Dach wohnt. Also bin ich hier, um die Sache für dich zu erledigen. Sag mir wo Magda ist und du musst sie nie wieder sehen.“

 
   
   

Erschrocken sah ich meine Tante an. „Nein, Tante Joanna, das ist nicht nötig“, beteuerte ich. „Ich habe mich mit ihr ausgesprochen. Ja, ich wollte erst, dass sie auszieht. Aber jetzt ist es anders. Ich glaube wirklich, dass sie sich geändert hat. Sie hat begriffen, dass sie einen Fehler gemacht hat und ihr tut es wirklich leid. Ich möchte, dass sie hier bleibt. Das möchte ich wirklich, Tante.“

   
   
 

Meine Tante wirkte überrascht. Und doch meinte ich auch so etwas wie den Anflug eines spöttischen Lächelns in ihrem Gesicht zu erkennen. „Nun gut“, sagte sie schließlich. „Wo versteckt sich denn mein süßes Töchterchen?“ Ich wies meine Tante ins Wohnzimmer, wo Magda gerade am Esstisch saß und ein Butterbrot verspeiste. Dabei hörte sie Musik von ihrem MP3-Player, was dazu führte, dass sie das Kommen ihrer Mutter bislang nicht bemerkt hatte. Doch das änderte sich schlagartig, als Tante Joanna sich leise an sie heranschlich um sich dann mit einem lauten und zuckersüßen „Hallo Magdalein, Mami ist zu Besuch“ bemerkbar zu machen. Magda verschluckte sich heftig, als sie die Stimme ihrer Mutter erkannte, und hustete wild.

     
 

Hastig sprang sie vom Stuhl auf. „Mutter, was willst du denn hier?“, fragte sie entsetzt. Doch sie hatte ihre Frage noch kaum beendet, als eine saftige Ohrfeige ihre Wange traf. Magda hatte noch nicht einmal genug Zeit, um den Kopf zur Seite zu reißen.

   
   
 

Entsetzt drückte sie ihre Hand gegen die heftig pulsierende Wange. Doch dann ließ sie kraftlos ihre Arme an ihrem Körper herunter gleiten und schaute bekümmert zu Boden. „Das habe ich wohl verdient“, flüsterte sie leise. „Ja, das hast du“, erwiderte ihre Mutter energisch. „Und noch viel mehr. Ich an Klaudia Stelle hätte dich nicht so einfach davon kommen lassen.“

 
     
 

Doch mit einem Mal änderte sich ihre Stimme. „Ich habe gehört, dass du nun als Sängerin in einer Band arbeitest?“, fragte meine Tante so freundlich, wie es ihr möglich war. Doch nicht nur ihre Stimme veränderte sich. Ihr ganzer Körper schien sich sichtlich zu entspannen und sie stützte ihren Arm locker an der Hüfte ab. Magda war jetzt umso mehr verwirrt, aber sie begann bereitwillig von ihrer Arbeit zu erzählen. Plötzlich lachte ihre Mutter sogar. „Ich bin wirklich überrascht, Magda. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass du so lange durchhältst. Ich hatte erwartet, dass du schon vor Wochen bettelnd bei deinem Vater und mir angekrochen kämest, nachdem wir dir den Geldhahn zugedreht hatten. Aber schau dich an, du hast es tatsächlich ohne unsere Hilfe geschafft.“

 

 

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kor. 12.07.2014