Kapitel 1
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Als der Frühling kam, lebten somit fünf Frauen in der Baracke. Romina, Kinga, Gertrude, Tabea und Heidemarie. Kinga hatte nie eine Rückmeldung bekommen, ob ihre Entscheidung, die drei aufzunehmen, richtig war. Da sich aber niemand beschwerte, ging sie davon aus, dass alles im Lot sei. Dafür fanden die fünf Frauen immer wieder sperrmüll vor der Hütte und hatten sich ihre Baracke bald auch recht gemütlich eingerichtet.

 
 
 

Eines Nachmittags kam Gerd, ein Typ, mit dem sich Tabea frühere eine Baracke geteilt hatte, wütend aus dem Wald gelaufen und ging auf sie los. "Du dumme Kuh, du hast mich doch bei Prof. Elena verpetzt! Aber das werde ich dir heimzahlen!"

 
 
   
 

Wenn man bei jemandem mit falschen Anschuldigungen vorsichtig sein sollte, dann war es Tabea. Sie brauchte gar nichts zu sagen, sondern ballte lediglich ihre Fäuste und knurrt Gerd wütend an. Der wich erschrocken zurück und hob beschwichtigend die Hände. "Ist ja gut, ist ja gut. Vielleicht...vielleicht hab ich mich ja auch geirrt. Das kann doch passieren. Ich hau dann mal lieber wieder ab".

 
   
 
 

Romina beobachtet die ganze Szene schmunzelnd. Tabea konnte sich wirklich behaupten. Im Stillen bewunderte sie ihre Mitbewohnerin dafür. "So, jetzt aber wieder an die Arbeit, Mädels", wies sie Tabea und Gertrude an, die beide ihre Schaufeln wieder in die Hand nahmen und das Grundstück umgruben. Den genauen Sinn dieser Arbeit verstand selbst Romina nicht, aber eines Morgens standen zwei Schaufeln an die Wand gelehnt neben dem Eingang mit dem Hinweis "benutzen" drauf. Und jetzt durften Tabea, Gertrude und Heidemarie abwechselnd die Erde neben der Baracke umbuddeln.

 
 

 

 

 
 
 
 

In den Wintermonaten war der Unterricht in der Lehrbaracke wie üblich verlaufen. Kinga und Romina besuchten, die gewohnten Fächer, bekamen intensives Sprachtraining. Und auch die Abendlichen Lektionen in Glücksspiel wurden fortgesetzt. Gelegentlich beteiligten sich auch potenzielle Bewerber, wie etwa Vroni an den Lehrveranstaltungen, was den beiden Frauen die Möglichkeit gab, sich auch außerhalb ihrer Baracke besser kennen zu lernen.

 
 
 
 

Doch sobald es wärmer wurde, änderte sich das Programm für die beiden. Unter der Anleitung von Professor Don wurde nun auch dafür gesorgt, dass Kinga und Romina körperlich fit wurden. Stundenlang trieb Prof. Don sie durch den Hindernis-Parcours, ließ sie im Staub kriechen und Holzwänden hinaufklettern, die kaum Halt boten.

   
 
 
   

Romina hatte mit dieser Art des Trainings sichtlich mehr Schwierigkeiten, als beim Lösen von mathematischen Gleichungen und dem Erlernen neuer Fremdsprachen. Auch Kinga wurde an ihre Grenzen getrieben. Doch schon lange hatte sie der Ehrgeiz gepackt, das alles bestehen zu wollen. Sie würde sich nicht unterkriegen lassen. Niemals! Und so biss sie die Zähne zusammen und holte das Äußerste aus sich heraus. Und dabei stellte sie mit jedem weiteren Tag fest, dass sie ihre Grenzen noch nicht annähernd erreicht hatte.

 
 
 
 

Doch auch Romina gab ihr Bestes. Der Einsatz in Algerien spornte sie weiterhin an. Und sie wusste, nur wenn sie alles gab, dann hatte sie überhaupt eine Chance bei "Justice" zu bestehen. Und so prügelte sie mit aller Kraft, mit aller Geschicklichkeit auf den Boxsack ein, wenn es von ihr verlangt wurde, mit einer solchen Leidenschaft, als ob ihr Leben davon abhing.

 
 
 
 

Und dass ihr Leben von diesem Training abhängen konnte, wusste sie bereits seit ihrer Flucht aus dem Casino in Batna. Nocheinmal bewusst wurde ihr dies, als Prof. Don sie in einen bis dahin verschlossenen Teil der Lehrbaracke führte und ihnen eine 9 mm Halbautomatik in die Hand drückte. "Den rechten Arm komplett durchstrecken! Spannt eure Muskeln an und atmet in dem Moment aus, in dem ihr abdrückt. Der Rückstoß wird euch vermutlich trotzdem nach hinten werfen. Zielt auf die Scheiben vor euch...und abdrücken!" Beim ersten Mal hätten beide Mädchen fast die Waffe wieder fallen lassen. Doch mit jeder weiteren Trainingseinheit wurden sie sicherer und sicherer. Und es gefiel ihnen.

   
 

 

 

 
 
 
   

Daraufhin hielt Romina die Zeit für gekommen, Willi zu bitten, bei ihnen einzuziehen. Er war ein helles Köpfchen und würde sich sicher gut einbringen können. Und seit seinem letzten Annährungsversuch, denn Romina eindeutig abgewiesen hatte, hat er nicht weiter versucht, ihr in irgendeiner Form zu nahe zu kommen.

 
 
 

Der Computer neigte leider dazu, sehr häufig den Geist aufzugeben, was eine Reparatur alle paar Wochen erforderlich machte. Da sowohl Gertrude als auch Kinga schon fest schliefen, versuchte Tabea alleine ihr Glück...und wurde prompt mit einem Stromschlag durchzuckt. Ganz zur Freude von Heidemarie, die nur zu gerne mit ansah, wie Die Frau, die sich nach wie vor ständig drangsalierte, zu leiden hatte. Zum Glück passiert weiter nichts Schlimmes und Tabea erholte sich von dem Schrecken.

 
   
 

Linda erwies sich für Romina als echte Hilfe. Die beiden jungen Frauen spornten sich bei Diskussionen über mathematische Fragestellungen und physikalische Quantengesetze gegenseitig an. Und gemeinsam kamen sie auch Ideen und Lösungen, auf die sie alleine nicht gekommen wären. Aus diesem Grund war es für Romina klar, dass sie Linda endlich bei sich aufnehmen musste.

 
   
 
 

Und auch Peter wurde ein häufiger Gast in der Baracke. Er brachte sogar eine Konsole mit. Und auch wenn diese bloß eine billige Nintendo-Fälschung aus den frühen 90er war, so hatten Romina und er gemeinsam doch sichtlich Spaß damit. Romina hätte ihn so gerne gebeten, bei ihnen einzuziehen, aber sie kämpfte noch immer mit ihren Gefühlen. Sie wusste, dass sie ihm nicht lange widerstehen konnte, wenn er erst einmal hier lebte.

 
 
 
   

Aber schließlich bat sie ihn doch, zu ihr und den anderen in die Holzhütte zu ziehen. Und so bekam das ohnehin schon beengte zweite Schlafzimmer noch einen fünften Mitbewohner. Immerhin fühlte Willi sich auf diese Weise nicht mehr so allein unter den ganzen Frauen.

   
 
 
 

Und auch wenn sie es gar nicht wollt, so könnte Romina gar nicht anders, als ihre Zeit mit dem sympathischen jungen Mann aus Simbirien zu verbringen. Sie wollte ihn behandeln, wie jeden anderen Bewohner auch, aber dafür möchte sie Peter viel zu sehr.

   
 
 

Und es kam, wie es kommen musste. Was hatte Romina denn auch anderes erwartet, wenn sie mit Peter nachts unter dem freien Sternenhimmel spaziert, hinter der Baracke, weit ab von ihren Mitbewohnern. Er ergriff ihre Hand und sah ihr fest in die Augen und dann sagte er mit seinem harten Simbirischen Akzent: "Ich liebe dich, Romina". Alle Vorsätze waren bei diesen Worten wie weggeblasen. "Ich liebe dich auch, Peter".

   
   
 

Peter legte seinen Arm um Rominas Hüfte und zog sie eng an sich. Rominas Herz schlug wild. Noch nie war sie einem Mann so nah gewesen, wie in diesem Augenblick. Aus Angst, dass er sie in letzter Sekunde von sich stoßen könnte, klammerte sie sich noch fester an ihn und ließ ihm kaum Raum zum Atmen. Aber er ließ sie nicht los, sondern küsste sie so voller Gefühl, dass kein Zweifel an seinen Worten blieb.

 
   
 
 

Doch die traute Zweisamkeit wurde jäh unterbrochen. Romina hörte, wie sich ihnen jemand nährte und stieß Peter hastig von sich weg. Das hatte zur Folge, dass Heidemarie und Willi die beiden zwar nicht in flagranti erwischten, die Situation aber doch sehr offensichtlich war. "Wir...wir sehen uns nur die Borkenkäfer in der Holzwand an. Nachts sind die besonders aktiv", versuchte Romina sich herauszureden.

 

 
 

Willi verzog zwar die Augenbraue, sagte aber nichts weiter. Heidemarie lächelte dagegen vielsagen. "Ok, ihr beiden, dann wünsche ich euch noch viel Spaß bei der 'Untersuchung'. Willi und ich werden dann etwas weiter dort drüben 'die Borkenkäfer beobachten'". Sie zwinkerte Romina zu und ging dann Hand in Hand mit Willi weiter. Romina und Peter sahen ihnen mit offenstehenden Mündern hinterher, bis sie in der Dunkelheit nicht mehr zu erkennen waren. Anschließend brachen beide in Gelächter aus.

   

 

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