Kapitel 1
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Als Heidemarie in den nächsten Tagen wieder bei der Baracke auftauchte, wies Kinga sie an, sich um das Haus zu kümmern. Geschirrspülen, Bettenmachen, Fegen, Wischen, Müllrausbringen. Das volle Haushaltsprogramm eben. Da sie wusste, dass es um ihre Aufnahme ging, zeigte Heidemarie keinerlei Widerstand und erledigte jede gestellte Aufgabe anstandslos.

 
 
 

Und auch Romina zwang Willi zu diesen Arbeiten. Aber es tat ihr schon leid, ihn Putzen und Schrubben zu sehen. Irgendwie kam es ihr nicht richtig vor. Er war ohnehin schon so durcheinander. Vielleicht schmiss er einfach alles hin, wenn er weiter so drangsaliert wurde? Aber vielleicht war das genau das Ziel dieser Aufgabe? Vielleich sollte erst einmal getestet werden, wie weit die einzelnen Kandidaten zu gehen bereit waren?

 
 
   
 

Tabea und Kinga verstanden sich super und für Kinga war schnell klar, dass sie Tabea einziehen lassen wollte. Sie rief wieder bei dem mysteriösen Mann an und der teilte ihr nur mit, dass sie diese Entscheidung allein treffen sollte. Also benachrichtigte sie Tabea am nächsten Abend, dass dies nun hier wohnen würde. Auf die Idee, Tabea überhaupt zu fragen, ist sie gar nicht erst gekommen. Und so zog Tabea ein. Romina hatte sich noch lange nicht entschieden, ob jemand bereit war, einzuziehen. Und mit Vroni hatte sie bereits einen dritten, potenziellen Einzugskandidaten.

 
   

 

 

 
 
 
 

Draußen wurde es immer kälter. Die goldenen Blätter fielen von den Bäumen und eines Morgens war die gesamte Landschaft von einer dünnen Schneedecke überzogen. Das allein war schon Grund genug zur Freude für Romina, die sich noch gut an die Winter in Moldawien erinnern konnte. Nicht alles war dort schlecht gewesen...aber doch das meiste. Überrascht stellte sie fest, dass vor dem Haus einige verschlissene Sofas herumstanden, deren Zustand sie durch wildes darauf Herumhüpfen überprüfte. Just in diesem Moment tauchte ein weiterer Anwärter vor der Baracke auf.

 
 
 
 

Peter war ein Waisenkind, genau wie Romina auch. Und auch er kam aus Ost-Simropa, genauer aus Simbirien. Romina fand ihn auf Anhieb sehr sympathisch und bat ihn, öfter vorbei zu kommen. Sie hatte das Gefühl, dass er der Richtige sein könnte, um hier einzuziehen. Zudem hoffte sie, dass sie ihn ein wenig aufheitern konnte, denn Peter fiel es nicht leicht, sich zurechtzufinden. Su unglaublich es für Romina klang, aber er vermisste sein altes Leben im Waisenhaus und da halfen auch Rominas aufmunternden Worte wenig.

 
 
 
 

Ein Brand in der Küche versetze die Mädchen und die anwesenden Besucher in helle Aufregung. Kinga war aber geistesgegenwärtig genug, den Feuerlöscher aus dem Küchenschrank zu greifen und das Feuer schnell zu ersticken. Hätte sie nur wenige Sekunden gezögert, dann wäre womöglich die ganze Holzhütte in Flamen aufgegangen. Und diese Bracke war zu ihrem Zuhause geworden, dem einzigen Zuhause, das sie noch besaß.

   
 

 

 

 
   
 
 

Nach diesem Schrecken gönnten sich Kinga und Romina einen Tag im Schnee. Es gab keinen Unterricht, keine Besucher standen vor der Tür. Also wurden Schneeballschlachten ausgetragen und Schneeengel gemacht.

 
 
 
 

Romina versuchte sich auch an einem Schneemann. Mit Möhrennase und Besen in der Hand bewachte er das Haus.

 
 

 

 

   
 
 
 

Peter kam oft vorbei und erledigte alle Aufgaben, die ihm von Kinga und Romina gestellt wurden. Romina war eigentlich so weit, ihn endlich in das Haus aufzunehmen. Doch etwas hielt sie zurück. Jedesmal, wenn sie Peter sah, wurde ihr ganz anders und dieses Gefühl verwirrte sie. Peter war nicht gerade das, was man einen hübschen Mann nennen würde, und dennoch, Romina fühlte, wie sie mehr und mehr ihr Herz an ihn verlor. Und genau da lag das Problem. Beziehungen unter den Studenten wurden hier im Lager nicht gern gesehen. Und ganz sicher würden sie nicht in ein und derselben Baracke geduldet werden.

 
   
 
 

Als wartete sie mit ihrer Entscheidung und hängte sich umso mehr in ihre Ausbildung rein. Mit den Möbeln, die eines Nachts vor der Hütte standen, hatten Kinga, Romina und Tabea eine Art Wohnzimmer eingerichtet. Als dann auch noch ein Fernseher vor der Tür stand, war die Freude groß. Allerdings konnte man damit nur zu bestimmten Zeiten und nur ganz bestimmt Sendungen empfangen. Trotzdem war dies besser als nichts und Kinga versüßte sich ihre Fitnessübungen, indem sie zur Musik von "Dance TV" seilhüpfte.

 
 

Da Heidemarie alle Aufgaben ohne zu murren erledigt hatte, entschloss Kinga sich dazu, auch sie aufzunehmen. Heidemarie fiel ihr daraufhin überglücklich um den Hals. Kinga kam diese Freude etwas gestellt vor, aber so erging es ihr bei vielen Dingen, die Heidemarie tat und sagte. Und trotzdem, Heidemarie hatte die Fähigkeit Menschen um ihren Finger zu wickeln und sie auf sehr subtile Weise zu manipulieren. Mit ein bisschen mehr Übung würden selbst bei Kinga die letzten Zweifel an ihrer Aufrichtigkeit verschwinden...und das bereitete ihr ein klein wenig Unbehagen.

   
 
 
   

Inzwischen machten Kinga die Aufnahmetests mit den neuen Studenten richtig Spaß. Und der harte Winter bot da viele Möglichkeiten, um die Bewerber bis an ihre Grenzen zu treiben. Gertrude für über eine halbe Stunde barfuß und bis zu den Knien im Schnee versunken einen dämlichen Tanz aufführen zu lassen, gehörte sicherlich dazu. Aber Gertrude meisterte diese Prüfung mit Bravour und beklagte sich nicht, obwohl sie sich zum Teil heftige Erfrierungen an den Zehn holte. Für diese Leidensfähigkeit bewunderte Kinga ihre Kommilitonin. Ja, Gertrude war ganz sicher auch bereit, zu ihnen in die Hütte zu ziehen.

 
 
 
 

Zudem machten sich ihre handwerklichen Fähigkeiten im Haushalt sehr gut. Anders als in der Sierra Simlone, konnte man hier, mitten im nirgendwo, nicht einfach den Handwerker rufen, wenn etwas kaputt war. Gertrude zeigte sich sehr geschickt darin, solche Dinge wieder in Ordnung zu bringen.

 
   
   
 

Und Kinga konnte eine Menge von ihr lernen. In Zukunft würden kaputte Computer sie nicht mehr zur Verzweiflung bringen, sondern sie konnte selbst zum Schraubenzieher greifen und den Schaden beheben.

 
 
   

Während Kinga nun schon drei neue Mitbewohner in die Barke eingeladen hatte, hatte Romina sich noch immer für niemanden entschieden können. Linda war einfach sehr distanziert. Immer in ihre Bücher vertieft, drang selbst Romina nicht zu ihr durch. Außer, es betraf irgendwelche wissenschaftlichen Fragestellungen. Dann redete Lind wie ein Wasserfall. Und Willi? Nun, da gab es das nächste Problem. Ganz eindeutig sah er mehr in Romina, als nur eine nette Kommilitonin und Mitbewohnerin.

 
 
   

Und auch wenn Romina sich durchaus geehrt fühlte, so musste sie seine Annährung doch zurückweisen. Sie konnte nicht abstreiten, dass sie ihn möchte, vielleicht sogar mehr, als sie sollte, aber ihre Gefühle für Peter gingen noch weit darüber hinaus. Aber diese Gefühle waren ohnehin bedeutungslos. Egal ob Peter oder Willi, eine Beziehung war einfach nicht denkbar. Und das teilte sie Willi behutsam, aber dennoch bestimmt mit.

   
 

 

 

 
   
 
 

Wenn fünf Frauen unter einem Dach leben, dann kommt es unweigerlich dazu, dass sie sich irgendwann an die Gurgel gehen. In diesem Fall waren es Heidemarie und Tabea. Die beiden waren in ihrem Charakter grundverschieden. Tabea hätte am liebsten jeden gleich eine rein gehauen, der sie nur schief anguckte und Heidemaries herzallerliebste, vor Schleim fast schon triefende Art ging ihr gehörig auf den Zeiger.

 

 
 

Und auch das herzerweichende Weinen ihre Mitbewohnerin ging ihr am A**** vorbei. "Jetzt hör mit diesem gekünstelten Gejammer auf, Püppchen!", setzte Tabea eins drauf. "Nur weil wir unter einem Dach leben, müssen wir keine besten Freundinnen sein, kapiert. Lass mich mit deinem Getue zufrieden und wir haben beide kein Problem miteinander". So wie es aus sah, hatte selbst Heidemaries Charme seine Grenzen.

   

 

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