Kapitel 1
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Zielstrebig ging die Tochter des Botschafters auf die Mitarbeiter des Casinos zu. "Sorgen sie dafür, dass dieses blonde Flittchen umgehen aus dem Casino verschwindet", forderte sie die beiden Männer auf und die Art ihres Auftretens ließ keinen Zweifel daran, dass sie eine umgehende Reaktion ohne Widerworte erwartete. Ein Moment zögerten die Männer, doch als ihnen klar wurde, dass hier die Tochter eines Botschafters vor ihnen stand, zögerten sie keine Minute länger.

 
 
 

Wenig sanft schoben sie den Scheich und einige weitere gaffende Männer zur Seite. "Madame, verlassen sie umgehend diese Gebäude. Ihr verhalten ist hier weder angebracht, noch erwünscht". Die Blondine blickte überrascht drein und wollte protestieren, doch einer der Wachleute packte sie unsanft an den Schultern und drehte sie herum, um sie zum Ausgang zu begleiten.

 
 
   
 

Doch während er das tat, war deutlich das Geräusch von reißendem Stoff zu hören. Der Wachmann hielt inne und die Blondine bemerkte, dass ein Träger ihres Tops durch seine unsanfte Behandlung gerissen war. Augenblicklich wurde sie hysterisch und fing an zu schreien und weinen. "Mein Top ist zerrissen! Wie soll ich den jetzt auf die Straße gehen. Ich bin doch halb nackt! So kann ich niemals raus gehen! Was werden die Leute bloß denken?"

 
   
 
 

Um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sie zu lenken, führte der andere Sicherheitsmann die hysterische Frau, deutlich sanfter als sein Kollege, in das Sekretariat des Casino-Managers im ersten Stock des Gebäudes. Hier würde sie die übrigen Gäste nicht länger belästigen und er konnte eine der Köchinnen aus dem Restaurant beauftragen, der Simropäerin etwas Neues zum Anziehen zu besorgen.

 
 
 
 

Derweil beschwerte sich die Tochter des Botschafters energisch über die Zustände, die im Casino herrschten. Und dabei ging es ihr nicht um die unsanfte Behandlung der Blondine, denn in ihren Augen hatte diese nichts anderes verdient. "Ein solches Flittchen wie die hätte dieses Haus überhaupt nicht betreten dürfen. Wo sind denn Klasse und Exklusivität geblieben? Wird hier jetzt jeder Hure der Zutritt gewährt? Ich will auf er Stelle mit dem Manager des Casinos sprechen. Auf der Stelle!"

 
 
 
 

Eine hysterische Frau pro Tag war dem Wachmann eindeutig genug. Also rief er umgehend seinen Chef an und teilte ihm mit, dass eine unzufriedene Kundin unten im Casino wartet. Sollte sein Boss sich darum kümmern, immerhin war das sein Job. Widerstrebend erhob sich der Casinomanager aus seinem gepolsterten Korbsessel und verließ sein Büro. Er nahm die weinende Frau im Vorzimmer kaum wahr, als er hindurch schritt und die Tür zu seinem Büro in ihr elektronisches Schloss fiel.

 
 
   
 

Jetzt musste alles schnell gehen, denn es bleiben nur wenige Minuten Zeit. Die Tür war hinter dem Casinomanager kaum ins Schloss gefallen, da hatte die Blondine, Kinga, ihren hysterischen Heulkrampf längst wieder vergessen und kramte aus ihrer winzigen Handtasche eine Kreditkarte hervor. Nur war dies gar keine Kreditkarte, sondern eine Karte zum überbrücken von Sicherheitsschlossern. Sie schob die Karte in das elektronische Schloss an der Wand neben der Tür zum Büro des Managers und konnte beobachten, wie in wenigen Sekunden, eine Zahl nach der anderen des sechsstelligen Türcodes geknackt wurde. Nach nicht mal 30 Sekunden ertönte ein langgezogener Piepton, und die Tür sprang auf.

 
   
 
 
Kinga blickte sich ein letztes Mal um und schlich sich in das Büro des Casinomanagers. Es sah innen genauso aus, wie Senora Ewa es ihr beschrieben hatte. An der rechten Wand befand sich eine Regalwand mit dem eingelassenen Tresor. Anstelle eines Schlosses oder Zahlenrades befand sich in der Mitte des Safes aber ein kleines Display mit einem Mikrofon. Nur die Stimme des Managers selbst würde den Tresor öffnen und nur, wenn er dazu das richtige Codewort sprach. Aber für diesen Teil war Romina zuständig. Sie konnte nur angespannt vor dem Tresor warten, bis ihre Partnerin sich meldete.

 
 
 
 

Der Casinomanager war inzwischen bei der Tochter des Botschafters eingetroffen, die niemand anderes als Romina war. Immer noch gab sie sich entrüstet über die Zustände in dem Casino. Der Manager war bemüht sie zu beschwichtigen, aber sie ließ nicht mit sich reden. "Sorgen sie dafür, dass so eine wie DIE, nie wieder einen Fuß in dieses Casino setzt. Wenn nicht, dann erzähle ich meinem Vater, dass hier nicht nur Glückspiel betrieben wird, sondern auch noch Alkohol ausgeschenkt und Stripperinnen geduldet werden. Er ist sehr gut mit dem Imam von Batna befreundet. Es wird ihn sicher interessieren, was hier so passiert".

 
 
   
 

Jetzt bekam es der Manager mit der Angst zu tun. Wenn der Imam ganz offensichtlich auf das nicht ganz legale Treiben im Casino aufmerksam wurde, dann konnte er gar nicht anders handeln, als den Laden hoch gehen zu lassen. Und dann wäre er, der Casinomanager, ganz sicher seinen Job los. Nein, das wollte er nun wirklich nicht riskieren. "Seinen sie versichert, dass so etwas nie wieder vorkommen wird. Ich werd meine Sicherheitsmänner anweisen, mehr darauf zu achten, wer hier Zutritt bekommt." "Gelobt sei Allah!", erwiderte Romina und so wie sie es geplant hatte, hob der Casinomanager seine Hand zu Himmel und pries den Allmächtigen. "Gelob sei Allah!".

 
 
 
   

Das war der Code! Über ein Mikrofon in Rominas Ausschnitt wurde die Stimme des Casinomanagers aufgezeichnet und augenblicklich zu Kinga im ersten Stock übermittelt. " Voice Identification Successful " erschien im Display des Tresors und er öffnete sich mit einem lauten Klick.

 
 
 

Im Safe befanden sich eine Menge Bargeld, Wertpapiere, Dokumente und eine DVD. Und genau auf diese DVD hatte Kinga es abgesehen. Schnell schob sie den Datenträger in das Laufwerk des PCs des Managers und schloss ihren USB-Stick, der geschickt im inneren ihres Lippenstiftes verborgen war, an den Computer an. Die Datenübertragungsgeschwindigkeit des Sticks übertraf alles, was momentan frei auf dem Markt erhältlich war und so wurden die Daten von der DVD, Angaben über die Kunden des Casinos, die hier nicht nur dem Glücksspiel frönten, sondern den Ort auch für illegale Geldwäsche nutzten, in wenigen Augenblicken auf den USB-Stick kopiert.

 
   
 

Und dennoch schaffte Kinga es gerade im allerletzten Augenblick, den PC auszuschalten, die DVD wieder im Tresor einzuschließen und das Büro des Casinomanagers zu verlassen. Gerade als die Tür ins Schloss viel, trat auf schon der Manager in das Vorzimmer. Die Überraschung war Kinga deutlich ins Gesicht geschrieben. Doch sie überspielte sie schnell mit einem schrillen Lachen. "Hahaha, ich Dummchen hab so einen Aufstand gemacht, dabei ist gar nichts passiert. Sehen sie, ich hab den Träger einfach zusammen geknotet. Ist jetzt fast wie neu. So, ich geh dann jetzt auch, ich will mich ja noch an den Strand legen. Also, ciaaao!"

 
   
 
 

Winkend ging sie an ihm vorbei. Kopfschüttelnd beobachtete der Casinomanager, wie die seltsame Blondine die Treppe hinunter stieg. Frauen, wer würde sie jemals verstehen können? Er zuckte mit den Schultern und ging dann zurück in sein Büro. Die Pause hatte er sich verdient.

 
 

 
   

Kinga hatte große Mühe damit, nicht sofort los zu laufen. Doch kaum war sie um die nächste Straßenecke gebogen, riss sie sich die blonde Perücke vom Kopf und eilte zu dem vereinbarten Treffpunkt mit Romina. Diese wartete bereits auf sie und hatte sich ebenfalls schon des Abendkleides entledigt. Überglücklich viel Kinga ihrer Partnerin um den Hals "Scheiße war das geil! Wir haben es tatsächlich geschafft! Jetzt müssen wir nur noch darauf warten, dass wir abgeholt werden. Wir haben unseren ersten Auftrag gemeistert!"

   
 
 
 

Doch leider hatten sich die beiden zu früh gefreut. Plötzlich hörten sie einen Tumult hinter sich und als sie über die Schulter blickten, sahen sie die beiden Wachmänner mit Pistolen in der Hand auf sie zurennen. "Da sind die beiden Diebinnen!", schrei einer von ihnen und noch bevor Kinga und Romina genauer darüber nachdenken konnten, waren sie auf der Flucht.

   
 
 

Schüsse fielen. Kinga legte ihre Hände schützend um ihren Kopf, bis ihr dann bewusst wurde, dass das kein Stück gegen eine Kugel helfen würde. Zudem verfluchte sie sich dafür, dass sie immer noch die hochhackigen Stiefel trug. Die beiden Frauen hasteten durch die engen Gassen Batnas, mitten hindurch durch Menschenmassen und Basarstände. Doch die beiden Wachmänner blieben ihnen auf den Fersen und holten immer weiter auf.

   
   
 

Es würde Kinga auf ewig ein Rätsel bleiben, wie sie trotz der Angst und der Schüsse den richtigen Weg zum vereinbarten Treffpunkt gefunden haben. Aber der grüne Lieferwagen wartete bereits auf sie und ihr Kontaktmann erkannte sofort die brenzlige Situation und ließ augenblicklich den Motor laufen. "Springt in den Wagen und dann nichts wie weg hier!", rief er den Mädchen zu und das ließen sie sich kein zweites Mal sagen. Erst als das Fahrzeug in sichere Entfernung war, fielen die beiden sich weinend in die Arme. Jetzt hatten sie es wirklich geschafft.

 
   
 
 
 

 
 

   

 

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