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Direktor Jacoby sprach nach der kleinen Führung durch das
Anwesen der Kappes mit jedem der Kinder. Hauptsächlich ging
es um ihre Hobbys und ihre außerschulischen Aktivitäten.
Danach unterhielt er sich noch einmal mit mir und bat mich, die
Situation der Kappes noch einmal etwas ausführlicher zu schildern.
Am Telefon hatte ich mich eher knapp gehalten. Und am Ende des
Abends konnte er mir dann verkünden, dass alle vier Kinder
ab der nächsten Woche in seinem Internat zur Schule gehen
konnten. Mir fiel wirklich ein Stein vom Herzen, als ich seine
Entscheidung hörte.
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Nun war es also offiziell. Miranda, Hans, Desdemona und Elvira
würden ins Internat gehen. Wieder hielt sich die Begeisterung
stark in Grenzen. Aber ich konnte sie verstehen. Schule war mehr
als nur ein Ort zum Lernen. Sie würden einen großen
Teil ihrer Freunde verlieren. Aber das Internat schien wirklich
die sinnvollste Lösung. Um die vier wieder aufzuheitern schlug
ich vor, dass warme Wetter zu nutzen und ins Freibad zu gehen.
Und tatsächlich lenkte sie dieser Besuch ein wenig ab.
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Überrascht war ich von Desdemonas Wasserscheu. Oder war es
eher Angst vor dem Sprungbrett? Auf alle Fälle stieg sie
auf das Ein-Meter-Brett. Ihr Annährungsversuch zum Rand des
Brettes konnte im besten Fall mit vorsichtig beschrieben werden.
Doch dann drehte sie abrupt um und war froh, als sie wieder festen
Boden unter den Füßen hatte. Nein, Turmspringen war
eine Sportart, die sie ganz sicher nicht betreiben würde.
Da blieb sie lieber dem Fußball treu.
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"Los Elli, klettere schneller raus", kreischte King
aufgeregt und Elvira stieg wirklich so schnell wie möglich
aus dem Wasser. "Der doofe Zeus hat gerade in das Wasser
gepullert". Dabei zeigte sie auf einen kleinen rothaarigen
Jungen, der einige Meter entfernt von ihnen schwamm. "Iiiii",
schrie Elvira laut aus und kletterte noch schneller die Leiter
hoch.
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In wiefern diese Anschuldigung zutraf konnte ich nicht beurteilen.
Aber die Mädchen wollten kein Risiko mehr eingehen und setzten
sich lieber auf die warmen Fliesen am Beckenrand und spielten
Abklatschen. Miranda war der Trubel im Becken ohnehin zu viel
und sie besetzte eine der vielen Pool-Liegen. Einen braunen Teint
musste man sich schließlich erarbeiten. Von nichts kam auch
nichts.
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Es war ein schöner gemeinsamer letzter Tag gewesen. Als ich
wieder in Alberts Haus war und von dem Bett, welches in den letzten
zwei Wochen zu meinem Bett geworden war, das Fenster betrachtete,
wurde es schwer um mein Herz. Doch bevor ich wieder in tiefe Traurigkeit
fallen konnte kam Hans in mein Zimmer und legte sich zu mir aufs
Bett. "Du wirst doch keinem davon erzählen, was du gesehen
hast?". Ich schüttelte den Kopf. "Nein, das werde
ich nicht, versprochen. Das ist eine Sache, die nur dich etwas
angeht. Aber wenn du mit jemandem sprechen möchtest, du weißt,
wo ich wohne". "Danke, Oxana", er lächelte
mich freundlich an und verließ dann wieder das Schlafzimmer.
Ich würde diese vier jungen Menschen wirklich vermissen.
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Am Nachmittag beobachtete ich dann eher zufällig, wie Hans
sich mit Mika unterhielt. Ich wollte die beiden nicht bespitzeln,
deshalb bekam ich nur einen kurzen Ausschnitt mit. Aber beide
jungen Männer schienen ein schwieriges Gespräch zu führen.
Mika sah immer noch nicht viel glücklicher aus als beim letzten
Mal und Hans wirkte eher unbeholfen. Aber immerhin sprachen die
beiden noch einmal miteinander, bevor Hans nach Seda Azul verschwand.
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Dann wurde es auch Zeit, sich von den Mädchen zu verabschieden.
Ich wußte, Seda Azul war nur eine Autostunde entfernt, aber
es würde nie wieder so zwischen uns werden, wie in diesen
letzten zwei Wochen. Ich habe diese Kinder so sehr ins Herz geschlossen,
wie ich es kaum für möglich gehalten hatte. Dann fiel
mein Blick zu Kinga, die sich unbeholfen an der Spüle zu
schaffen machte. Und mir wurde klar, dass ich in diesen zwei Wochen
auch meiner Tochter ein ganzes Stück näher gekommen
war.
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Und dann half ich ihnen beim packen. Viel würden sie nicht
brauchen. Ein paar Kleider und einige persönliche Gegenstände.
Der Aufenthalt im Internat sollte schließlich nur eine vorübergehende
Maßnahme sein, bis es Albert und Gerda wieder besser ging.
Trotzdem war es für Miranda ein seltsames Gefühl, all
ihre Sachen in Kisten verschwinden zu sehen. Irgendwie fühlte
es sich an, wie ein Abschied für immer.
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Und am späten Nachmittag erschien dann der internatseigene
Bus, der die vier Kinder zum Schulgebäude in Seda Azul bringen
sollte. Die älteren Geschwister verstauten ihre Koffer und
Kisten im Gepäckraum des Busses. Dann verabschiedeten sie
sich noch einmal herzlich von mir und stiegen dann in den Bus.
Elvira war die letzte die einstieg. Und bevor sie es tat, warf
sie sich mir um den Hals. "Ich werde dich ganz doll vermissen,
Tante Oxana", flüsterte sie mir zu. "Aber ich bin
auch ganz froh, endlich wieder bei Mama und Papa zu sein. Du kommst
uns aber besuchen, oder?". "Natürlich komme ich",
versprach ich ihr und dann stieg auch sie in den Bus und winkte
mir so lange durch das Fenster zu, bis der Bus hinter der leichten
Anhöhe verschwand.
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Das Haus wirkte seltsam leer ohne die vielen Kinder. Ich versicherte
mich, dass alle Elektrogeräte und der Herd ausgeschaltet
waren und rief dann Kinga. "Gehen wir jetzt wieder zu Papa?",
fragte sie aufgeregt. "Und zu Constanze? Und zu Onkel Tristan
und Onkel Roland?". "Ja, wir gehen wieder nach Hause",
erklärte ich ihr und es gelang mir nicht ganz meine Trauer
zu überdecken. Doch sie hörte es nicht. "Das ist
toll", jubelte King. Dann nahm ich sie an der Hand, führte
sie aus dem Haus, schloss die Tür hinter mir ab und wir machten
uns auf den Weg, zurück in die Simlane.
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"Zuhause, zuhause!", Kinga freute sich sichtlich darüber,
dass wir wieder in der Simlane waren und zeigte dies, indem sie
unentwegt auf ihrem Bett auf und ab hüpfte. In mir sah es
dagegen anders aus. Ich war nicht unglücklich darüber,
wieder in der Simlane zu sein. Es war eher der Wehmut, nicht mehr
auf Norman, auf Alberts Farm zu sein und dieses Gefühl war
schwer zu ertragen.
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Aber ich würde mich daran gewöhnen, so wie ich mich
an alles in meinem Leben gewöhnt hatte. Ich räumte gerade
den Dreck weg, denn meine drei Männer in den letzten zwei
Wochen hinterlassen hatten, als Roland aufgeregt nach mir rief.
"Oxana, etwas wunderbares ist passiert. Albert ist endlich
aus dem Koma erwacht."
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Albert war aus dem Koma erwacht? Ich starte Roland an, als ob
ich seine Worte nicht richtig verstanden hätte. "Er
ist heute Morgen einfach aufgewacht. Die Klinik hat gerade erst
angerufen. Es geht ihm erstaunlich gut. Er kann ganz normal sprechen.
Anscheinend hat er durch den Unfall und die Operation keine dauerhaften
Schäden erlitten. Er hat nach dir gefragt. Er möchte,
dass du sofort ins Krankenhaus kommst". In meinem Kopf drehte
sich alles. Albert war aufgewacht. Ich musste zu ihm. Ich musste
einfach!
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