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Die Kinder merkten sofort, dass etwas nicht stimmte, als ich Gerdas
Krankenzimmer betrat. Ihr Zustand war immer noch unverändert,
aber die Nachricht von Alberts plötzlicher Not-OP traf sie
schwer. Die Operation zog sich hin und es wurde Mittag, ohne dass
wir irgendeine Information erhielten. Wir gingen alle in die Krankenhaus
Cafeteria, aber wirklichen Hunger hatte niemand. Alle kauten eher
lustlos auf ihren Burgern. Ansonsten wurde geschwiegen. Selbst
Hans konnte seine Besorgnis nicht mehr mit seichtem Smalltalk
überdecken.
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Das Essen war nur eine kurze Ablenkung und dann hieß es
weiter bangen. Die älteren Mädchen unterhielten sich
gedämpft miteinander und sahen immer wieder nach ihrer Mutter,
die immer noch regungslos in ihrem Bett lag. Hans wanderte nervös
von einem Ende des Krankenhauses zum nächsten und wirkte
sehr gedankenverloren. Nur Elvira entspannte sich. Das war aber
nicht zuletzt Kingas Werk, die ihre Freundin aufheiterte und sie
mit Spielen von den Gedanken an ihre Eltern ablenkte.
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Dann endlich kam Roland mit einem älteren Arzt aus dem OP,
den er als Dr. Mycin vorstellte. "Dr. Neopold Mycin ist der
beste Hirnchirurg in der ganzen Sierra Simlone", erklärte
er mir stolz. "Er war es, der Albert gerade operiert hat."
Dr. Mycin reichte mir die Hand und begann dann sofort von der
Operation zu berichten. "Herr Kappe hatte ein Hirn-Aneurysma,
das zu einem pulsierenden Hämatom im Gehirn geführt
hat. Doch dank der schnellen Reaktion von Dr. Reichardt konnten
wir alle Schäden wieder beheben. Die Operation ist sehr gut
verlaufen und Herr Kappe sollte sich schnell wieder erholen."
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Kaum war der andere Arzt verschwunden, fiel ich Roland überglücklich
um den Hals. "Und ich dachte schon, dass Albert sterben würde",
gestand ich ihm schluchzend, diesmal aber vor Freude. Und auch
die Kinder atmeten erleichtert auf. Miranda war sogar so glücklich,
dass sie sich Elvira schnappte und ein Tänzchen mit ihr aufführte
und die Kleine freute sich riesig. Nur Desdemona schien nicht
ganz so glücklich. Wahrscheinlich musste sie selbst in diesem
herrlichen Moment an ihre arme Mutter denken, deren Zustand immer
noch ungewiss blieb.
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Doch die Hochstimmung verflog sehr schnell wieder, als uns bewusst
wurde, dass weder Albert und schon gar nicht Gerda über dem
Berg waren. Wir durften nur ganz kurz zu Albert, doch er war nach
seiner Operation immer noch nicht bei Bewusstsein. Und auch Gerdas
Zustand blieb unverändert schlecht. Wir blieben bis zum späten
Abend im Krankenhaus, bis Roland uns versicherte, dass wir ruhigen
Gewissens nach Hause fahren könnten. Sollte sich irgendetwas
am Zustand von Albert und Gerda ändern, würde er sofort
bescheid geben. Ich kochte noch ein Abendessen für die Kinder
und hatte eigentlich vor, danach nach Hause in die Simlane zu
gehen, da ja jetzt geklärt war, was mit Albert und Gerda
passiert war. Aber es kam anders. Desdemona warf beim Essen ihrer
Schwester einen fragenden Blick zu und als diese kaum merklich
nickte, fragte sie mich, ob ich noch etwas bei ihnen bleiben könnte?
Wie hätte ich eine solche Bitte abschlagen sollen?
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Nach dem Essen saßen wir noch gemeinsam vor dem Fernseher,
aber wirkliches Interesse an der Sendung zeigten höchstens
Kinga und Elvira. Hans war der Erste, der in seinem Zimmer verschwand.
Als Kinga und Elvira dann beide auf dem Teppich einnickten, machten
sich auch Desdemona und Miranda fürs Bett fertig. Die beiden
Kleinen ins Bett zu bekommen war nicht schwer, da sie von der
langen Fahr von Seda Azul nach Sierra Simlone Stadt ohnehin total
ausgelaugt waren. Auch Miranda war erschöpft, doch das lag
nicht an der anstrengenden Autofahrt, sondern viel mehr an den
vielen Sorgen, die sie plagten. Sie wollte optimistisch sein,
doch die Angst um ihre Eltern ließ sie einfach nicht los.
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Und Desdemona erging es da nicht anders. Sie verkroch sich unter
ihre Bettdecke und versuchte stark zu sein, doch ein leises Wimmern
verriet Miranda, dass sie es nicht schaffte. Miranda hätte
ihre jüngere Schwester gerne getröstet, doch sie wusste
einfach nicht wie. Sie brauchte gerade doch selber Trost. Als
vertiefte sie sich in ihre eigenen Sorgen, bis sie schließlich
erschöpft einschlief.
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Ich versuchte zu schlafen, doch es gelang mir nicht. Ich musste
immer wieder an Albert denken. Er musste einfach gesund werden.
Er musste! Ich setzte mich auf die Bettkante und schaute mich
in dem kleinen Schlafzimmer um. Alles hier erinnerte mich an ihn.
Ich könnte sogar seinen Duft in dem Kopfkissen riechen. Wieso
musste so etwas Schreckliches passieren? Warum könnte ich
nicht einfach mit dem Mann glücklich werden, den ich liebte?
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Und wieder eine unruhige Nacht in der ich kaum ein Auge zu bekam.
Ich stand auf, als die ersten Sonnenstrahlen durch das Schlafzimmerfenster
fielen. Es war zwar erst kurz nach fünf, aber ich konnte
ohnehin nicht schlafen. Ich fing an, das Frühstück vorzubereiten,
als wenig später auch die älteren Kappekinder in der
Wohnküche auftauchten. "Wir können ohnehin nicht
schlafen", erklärte Miranda mit trauriger Miene. "Wenn
ihr nicht wollt, dann müsst ihr heute nicht zur Schule gehen",
bot ich ihnen an, als mir klar wurde, dass in etwa zwei Stunden
der Schulbus kommen würde. Doch Desdemona schlug mein Angebot
aus. "Ich möchte lieber hingehen, Oxana. Wenn wir hier
weiter auf Neuigkeiten warten müssen, dann fällt mir
nur die Decke auf den Kopf. Und gerade Elvira wird es ablenken,
wenn sie ihre Freunde sieht."
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Miranda stimmt ihrer Schwester zu und packte schon mal ihre Schulsachen
zusammen. Nur Hans wollte heute zuhause bleiben. Gleich als der
Zeitungsbote die Tageszeitung auslieferte lief er hinaus, um nachzusehen,
ob irgendetwas über den Unfall seiner Eltern berichtet wurde.
Die Schlagzeile nahm natürlich der Casino-Großbrand
in SimVegas ein, aber im Lokalteil fand sich tatsächlich
ein kurzer Artikel über Albert und Gerda. "Die schreiben
über Mama und Papa, als ob die beiden bloß zwei weitere
Zahlen in der Statistik wären", bemerkte er bitter.
"Nicht einmal ihre Namen haben sie genannt." Daraufhin
faltete er die Zeitung zusammen und entsorgte sie umgehend im
Müll.
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Als dann der Schulbus kam, stiegen nur die vier Mädchen ein.
Kinga würde zwar erst in diesem Jahr in die erste Klasse
kommen, aber wie alle Kinder in der SimNation ging sie schon zur
Vorschule. Ich konnte sehen, wie Miranda und Desdemona mit gemischten
Gefühlen in den Bus stiegen. Und ich konnte es ihnen nachfühlen.
Sie hielten es nicht aus, tatenlos zu Hause zu bleiben, aber für
die Schule waren sie auch nicht in der richtigen Verfassung.
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Obwohl er nicht zur Schule gegangen war, hielt Hans es im Haus
nicht aus. Irgendetwas musste er tun, also ging er zum Schweinestall
hinter dem Haus und fing an, den Mist, den die Ferkel im Freigehege
hinterlassen haben, zu entfernen.
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"Soll ich dir bei irgendetwas helfen?“, fragte ich
ihn nachdem ich ihm eine Weile bei der Arbeit zugesehen hatte.
Erst verneinte er mein Angebot, doch dann legte er die Mistgabel
beiseite und sah mich leicht verzweifelt an. "Wie soll es
denn jetzt mit der Farm weitergehen? Mama und Papa haben bis jetzt
alles geregelt. Ich habe zwar immer mitgeholfen, aber ich weiß
nicht, worum ich mich alles kümmern muss. Ich kann die Schweine
hier weiter füttern und mästen und auch das Futter kriege
ich bestellt, aber wie finde ich einen Käufer? Und was ist,
wenn die Ferkel krank werden? Die Saat auf unseren Feldern ist
auch ausgebracht, aber ich habe keine Ahnung, ob und wann ich
düngen muss und wann die Pestizide gespritzt werden müssen?
Um so etwas hat Papa sich immer gekümmert."
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Er muss sich darüber Gedanken gemacht haben, seit er von
dem Unfall seiner Eltern erfahren hatte. Und ich konnte sein Verzweiflung
nachvollziehen. So ähnlich hatte ich mich gefühlt, als
ich erfuhr, dass ich plötzlich selbst eine Farm führen
musste. Aber ich hatte gelernt und inzwischen konnte ich mir ein
Leben ohne "Grünspan" nicht mehr vorstellen. Die
Farm war mir wirklich ans Herz gewachsen. "Mach dir nicht
zu viele Gedanken, Hans. Deine Eltern werden sicherlich bald wieder
aus dem Krankenhaus kommen. Und wenn Albert erst einmal wieder
aufgewacht ist, wird er dir schon sagen können, was auf eurer
Farm zu erledigen ist. Und ich bin auch noch hier. Schweine und
Rinder sind sich gar nicht so unähnlich und zumindest was
euren Mais angeht, kann ich dir alles Nötige erklären.
Und wenn es nötig sein sollte, dann helfen Dominik und ich
auch jederzeit mit."
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Hans wirkte sichtlich erleichtert, als er mit seiner Arbeit fortfuhr.
Ich machte mich auf zu einem langen Spaziergang durch die Kakteenwälder
rund um Sierra Simlone Stadt. Die Bewegung tat mir gut, doch auf
dem Weg zurück zu Alberts Haus kam ich ins Grübeln.
Ich hatte Hans gerade die Hilfe von mir und Dominik angeboten.
Aber würde es ein mich und Dominik noch geben? Vorgestern
noch war ich kurz davor, Dominik zu verlassen. Doch jetzt war
alles in so weite Ferne gerückt. Albert war schwer verletzt.
Und auch wenn ich fest daran glaubte, oder es zumindest aus tiefstem
Herzen hoffte, dass er bald wieder gesund werden würde, so
war es nicht mehr sicher, ob wir beide eine gemeinsame Zukunft
haben würden.
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Ich war so in Gedanken versunken, dass ich gar nicht mitbekam,
dass jemand in der Küche stand. "Hallo, Oxana. Es ist
schon seltsam, dass ich dich erst in einem fremden Haushalt und
nicht zuhause bei deinem Mann finde." Vor mir stand Dominiks
Mutter Glinda und den Vorwurf in ihrer Stimme konnte ich kaum
überhören. "Ich konnte es kaum glauben, als Dominik
mir erzählte, dass du schon seit zwei Tagen im Haus der Kappes
wohnst. Und meine Enkelin hast du auch noch mitgenommen. Wenn
ich es nicht besser wüsste, würde ich fast denken, du
hättest meinen Nicky verlassen."
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Sie sah mich so vorwurfsvoll an, dass sie mich damit komplett
aus der Fassung brachte und ich nur noch wirres Zeug von mir geben
konnte. Aber das war typisch für Glinda. Sie hatte mich zwar
noch nie direkt angegriffen, aber wenn Dominik nicht in der Nähe
war, dann steckte in jedem Satz der aus ihrem Mund kam ein versteckter
Angriff. Ich war nicht gut genug für ihren Sohn und das gab
sie mir jetzt auch schon seit sechs Jahren zu verstehen.
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