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Miranda lernte viel, zumindest tat sie es meistens. Aber irgendwann
hat man genug vom Lernen. Und da kam es ihr ganz recht, dass ein
netter junger Mann sie ab und an abends abholte und mit ihr etwas
unternahm. In den ersten Tagen, die ich in Alberts Haus verbrachte,
war mir nicht aufgefallen, dass Miranda mit jemandem zusammen
war. Aber als wir von Gerdas Besserung erfuhren, ist sie Händchen
halten mit Vladimir aus dem Bus gestiegen. Und da man bei drei
Geschwistern, einem fünfjährigen Kind und einer Anstandsdame
im Haus nie seine Ruhe haben konnte, verzogen die beiden sich
lieber in die Anonymität des Clubs im Stadtkern. Beide waren
über 18 und außerdem sah ich nichts Schlimmes daran,
wenn sie mal wieder etwas Spaß hatte.
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Aber was sollte den auch schon passieren? Die beiden waren schließlich
in der Öffentlichkeit. Außerdem vertraute ich darauf,
dass Gerdas religiöse Erziehung ihre Spuren bei den Kindern
hinterlassen hatte. Sicherlich würde Miranda mit ihrem Freund
nur etwas Pool spielen. Vielleicht auch ein oder zwei Cocktails
schlürfen und sich dann ordentlich auf der Tanzfläche
austoben. Nichts anderes hatte ich gemacht, als ich in ihrem Alter
war. Ach, was waren das doch für Zeiten, als ich unbeschwert
mit Roland und Tristan die Clubs der Gegend unsicher machte.
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Ganz sicher würde sie nicht in aller Öffentlichkeit
über ihren Freund herfallen und wild mit ihm rumknutschen.
Und ganz sicher würde sie nicht noch weiter gehen. Nein,
ich hatte keine Bedenken, Miranda abends mal ausgehen zu lassen.
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Verliebt schlenderte sie Hand in Hand mit Vladimir zurück
zum Haus ihrer Eltern. Und obwohl es spät war, könnten
sich die beiden kaum voneinander lösen. Ein flüchtiger
Beobachter hätte fast meinen können, irgendein Scherzkeks
hätte Mirandas Lippenpflegestift gegen einen Klebestift ausgetauscht
und die beiden könnten ihre Lippen deshalb nicht mehr voneinander
lösen.
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Schließlich gelang es ihnen doch. Und obwohl Vladimir diesen
gelungenen Abend keineswegs zerstören wollte, schnitt er
doch ein Thema an, dass ihm schon länger auf der Seele brannte.
"Hast du dich endlich entschieden, auf welche Uni du nach
dem Abi gehen möchtest, Mira?" Mirandas Gesicht wurde
urplötzlich ernst und Vladimir erging es nicht viel anders.
Die beiden hatten dieses Thema lange gemieden, aber irgendwann
mussten sie darüber sprechen. "Ich kann jetzt nicht
weg, Dimi. Ich kann meine Eltern jetzt nicht alleine lassen."
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"Ich werde mich in der Fiesta Tech einschreiben. Die Uni
ist mit dem Auto gerade mal 45 Minuten von Sierra Simlone Stadt
entfernt. Ich weiß, es ist keine tolle Uni. Nicht so wie
die staatliche Universität von SimCity oder die Akademie
Le Tour in Santa Regina, aber es ist eine gute Uni. Ich kann so
zu Hause wohnen bleiben und Mama und Papa helfen, sobald sie aus
dem Krankenhaus entlassen werden. Und ich kann weiterhin ein wachsames
Auge auf Mona, Vira und auch auf Hans haben, auch wenn er ganz
sicher abstreiten würde, dass er das nötig hat. Und
hey, wenigstens haben wir hier in der Sierra Simlone immer bombiges
Wetter. Glaubst du etwa, ich will das aufgeben?" Sie lachte,
doch ihr Lachen klang eher gequält als ausgelassen. Beide
wussten, dass sie lieber auf eine andere Uni gegangen wäre.
Am liebsten zusammen mit ihrem Dimi.
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Und dasselbe wollte Vladimir. "Komm mit mir nach Flamingo
Beach, Mira." Er nahm ihre Hände und sah sie mit solch
einem sehnsüchtigen Blick an, dass sie nicht in der Lage
war, seine Bitte abzuschlagen. Zusagen konnte sie aber auch nicht,
also schwieg sie. Doch Vladimir gab noch nicht auf. "Ich
habe heute die Zusage von der Barbra-Streisand-Universität
bekommen. Die wollen mich dort wirklich haben. Barbra-Streisand!
Kannst du dir das vorstellen. Es gibt in der ganzen SimNation
keine bessere Uni, wenn man Schauspiel studieren möchte.
Aber ohne dich würde mir etwas fehlen. und ich weiß
nicht, ob ich das aushalten könnte." Miranda hätte
ihm nur zu gerne zugestimmt, doch sie konnte es nicht. Nicht nach
dem schrecklichen Unfall ihrer Eltern. "Du wirst es aber
müssen, Dimi. Ich kann hier nicht weg. Und wenn meine Mutter
erführe, dass ich nach Flamingo Beach will, dann würde
sie glatt einen Herzinfarkt bekommen. Für sie ist dieser
Ort der Sündenphul schlechthin."
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Beide lachten, doch wieder war es ein aufgesetztes Lachen. Was
würde passieren, wenn Miranda in der Sierra Simlone bliebe
und Vladimir hunderte Kilometer entfernt an der Westküste
studieren würde? Natürlich hoffte sie, dass ihre Liebe
das überstehen würde, aber die letzten Tage hatten ihr
nur zu deutlich gezeigt, wie schnell sich das Leben wandeln konnte.
"Lass uns einfach nicht weiter darüber nachdenken und
die Zeit genießen, die wir noch haben", sagte sie besonnen,
drückte sich dabei aber so fast an ihren Freund, als ob er
jede Sekunde verschwinden könnte.
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Es schien so, als ob jeder Liebe Steine in den Weg gelegt wurden.
Konnten denn zwei Menschen nicht zusammenfinden und für immer
glücklich miteinander sein? Am nächsten Morgen ging
ich aus dem Haus, noch eh die Kinder zur Schule fuhren. Die frische
Morgenluft tat mir immer gut. Ich nährte mich Alberts Farm
über die Feldwege hinter dem Haus und kam auch an dem Schweinestall
vorbei. Und plötzlich entdeckte ich etwas Ungewöhnliches.
Da stand doch tatsächlich eine einzelne rote Rose. Sie wirkte
vor dem schäbigen Verschlag reichlich deplatziert und mir
fiel nur ein Mensch ein, der solch ein Geschenk an solch einem
seltsamen Ort hinterlassen würde. "Wieder Lust auf einen
Long Island Icetea? Ich kühle ihn schon für dich. Dominik",
las ich die beigelegte Karte. Das war so typisch für ihn.
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Ich verdrehte genervt die Augen und hob die Rose auf. Erwartete
er darauf wirklich eine Reaktion? Sollte ich jetzt etwa rüber
in die Simlane laufen, mich erneut betrinken und dann mit ihm
in die Kiste hüpfen? "Nur in diesem Zustand findet er
einen Zugang zu dir", erklang eine tadelnde Stimme in meinem
Kopf und plötzlich bekam ich ein schlechtes Gewissen. Die
meiste Zeit war ich wirklich sehr abweisend zu Dominik. Und wenn
ich mit ihm schlief, dann hielt sich meine Begeisterung eher in
Grenzen. Anders war es nur, wenn ich nicht in der Lage war, klar
zu denken. Sei es nun, weil ich zu viel getrunken hatte, oder
weil ich psychisch wieder einmal ein Wrack war. Das musste für
Dominik wirklich frustrierend sein. Aber er war nun mal nicht
Albert. Und an meinen Gefühlen konnte ich nichts ändern.
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Ich stellte die Rose im Wohnbereich ab und begann das Haus etwas
aufzuräumen. Es ist unglaublich, welches Chaos fünf
junge Menschen anrichten konnten. Ich öffnete nichtsahnend
die Tür zu Hans Zimmer, als ich plötzlich einen Anblick
zu sehen bekam, der eher nicht für meine Augen bestimmt war.
Hans stand halb nackt im Raum und knutschte wild mit seinem besten
Freund Mika herum, der ebenso wenig anhatte wie Hans. Da ich die
Tür nicht gerade leise geöffnet hatte, starrten beide
Jungs erschrocken in meine Richtung und plötzlich stieß
Hans Mika hastig von sich weg.
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Ich lief sofort rot an und zog die Tür hastig hinter mir
zu. Peinlich, peinlich! Aber wer konnte auch schon ahnen, dass
Hans gerade mit seinem Freund rummachte, wenn er eigentlich in
der Schule sein sollte? Plötzlich flog die Tür wieder
auf und Hans kam herausgelaufen. "Es ist nicht so, wie es
gerade aussah!", stammelte er erschrocken.
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Für mich sah das eigentlich sehr eindeutig aus, aber Hans
versuchte mich trotzdem vom Gegenteil zu überzeugen. "Ich
bin nicht schwul!", rief er panisch. "Das war alles
Mikas Schuld. Er hat mich total überrumpelt! Ich wollte das
gar nicht. Ich bin keine Schwuchtel!" Dazu fiel mir nichts
ein. Ich hatte zwar nur einen winzigen Moment beobachtet, es sah
für mich aber keineswegs so aus, als ob Hans zu irgendetwas
gezwungen worden wäre. Mikas Blick verfinsterte sich sichtbar
bei Hans Worten. Seine Stahl-blauen Augen zeigten erst Unglauben
und dann eine tiefe Kränkung. Und während Hans weiterhin
versuchte mir klar zu machen, das er ganz sicher nicht schwul
sei, schnappte Mika sich seine Klamotten und verschwand wütend
und verletzt aus dem Haus.
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Als er die Haustür hinter sich zuknallte, bemerkte auch
Hans, dass Mika verschwunden war. Und scheinbar wurde ihm in
diesem Moment auch bewusst, was er eigentlich gesagt hatte.
Aber statt Mika hinterherzulaufen und sich zu entschuldigen,
rannte er zurück in sein Zimmer und schloss sich darin
ein. Völlig fertig von dieser unerwarteten Aufregung ließ
ich mich auf das Sofa fallen. Wie ich es gesagt hatte; scheinbar
war es wirklich unmöglich, dass zwei Menschen glücklich
miteinander wurden.
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Aber mit Hans würde ich mich später befassen müssen.
Zu diesem Zeitpunkt hätte er ohnehin nicht mit mir geredet.
Ich holte mein Auto von Zuhause ab und fuhr rüber nach Seda
Azul. Ohne die Kinder. Auf diese Weise konnte ich ungestört
mit Gerda reden. Wir hatten kein bestimmtes Thema im Kopf. Es
ging einfach nur darum, sich zu unterhalten und über die
Zukunft nachzudenken.
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In der Empfangshalle kam mir Dr. Neopold Mycin entgegen. "Guten
Tag Frau Kappe", begrüßte er mich freundlich.
"Sind die Kinder heute gar nicht dabei?" Ich bekam ein
leicht schlechtes Gewissen, weil ich Dr. Mycin noch immer in dem
Glauben ließ, ich sei Alberts Frau. "Ihr Mann ist leider
noch immer nicht aufgewacht", berichtete er gleich weiter.
"Aber machen sie sich keine Sorgen, es kommt manchmal vor,
dass ein Patient etwas länger braucht, bis er sein Bewusstsein
noch einer solchen Operation wiedererlangt. Haben sie noch etwas
Geduld."
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"Danke, Herr Doktor", entgegnete ich freundlich. "Es
beruhigt mich wirklich, das von ihnen zu hören. Allerdings
muss ich da etwas klar stellen. Ich bin nicht Frau Kappe. Albert
ist nicht mein Mann." Dr. Mycin guckte sehr verwundert, was
mir ein lockeres Lachen entlockte. "Mein Name ist Oxana Brodlowska.
Ich bin eine gute Freundin der Familie und passe lediglich auf
die Kinder auf." Jetzt lachte auch Dr. Mycin über seinen
Irrtum. "Sie waren immer so besorgt um Herrn Kappe und verhielten
sich ihm gegenüber immer sehr zutraulich. Da habe ich einfach
angenommen, sie seien seine Frau. Und ich bin mir fast sicher,
eines der Kinder hätte sie "Mama" genannt."
"Das war dann sicher die jüngste von den fünf,
die kleine mit dem braunen Pferdeschwanz. Das ist meine einzige
Tochter." Dr. Mycin schüttelte noch immer lachend den
Kopf. "Und ich war mir so sicher. Und die Kinder sehen sich
auch so ähnlich."
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Ich lachte zwar weiter, aber in Wahrheit bildete sich ein dicker
Klos in meinem Hals. Deshalb war ich auch froh, als Dr. Mycin
sich verabschiedete und ich in den Fahrstuhl steigen konnte. Also
bildete ich mir Kingas Ähnlichkeit zu Alberts anderen Kindern
nicht nur ein. Und Dr. Mycin hat die Kinder lediglich oberflächlich
betrachtet. Wenn jemand genauer hinschaute, musste es offensichtlich
sein. Mir wurde einmal mehr bewusst, dass ich nicht wollte, dass
irgendjemand erfuhr, dass Kinga Alberts Tochter war. Das konnte
ich Kinga nicht antun, denn sie liebte Dominik. Und Dominik liebte
die Kleine. Und Gerda wollte ich diesen Schock erst recht nicht
antun. Nicht in ihrem Zustand. Ich würde mir genau überlegen
müssen, wie ich mich weiterhin verhielt.
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