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Nach dem Essen folgten wir einer weiteren polnischen Tradition. Jeder erhielt ein Stück einer geweihten Oblate, die mir meine Tante Kasia aus Polen zugeschickt hatte. Und damit ging man nun reihum von Person zu Person, brach ein Stück der Oblate des Gegenübers ab und sprach sich gegenseitig Glückwünsche für das kommende Jahr aus.


Anschließend räumte ich mit Siana die dreckigen Teller vom Esstisch und wir zogen uns ins Wohnzimmer zurück, wo aus unserem Schneemann-Weihnachtsradio schon den ganzen Abend diverse Weihnachtslieder erklangen. Und dort hatte ich auch eine kleine Falle aufgestellt. "Schau mal nach oben, Dominik. Ist das etwa ein Mistelzweig?".


"Und du weißt, was das bedeutet". Ich legte meine Hand unter sein Kinn und führte seine Lippen an meine. Wir teilten einen zarten Kuss miteinander. Am liebsten hätte ich ihn für immer und ewig so weiter geküsst, denn ich wusste, dass er bereits in drei Tagen auf unbestimmte Zeit von mir getrennt sein würde.


Doch heute wollte ich meine Laune nicht mit solchen Gedanken trüben. Also setzte ich mich zu Siana an den Schachtisch und spielte mit ihr, während Dominik und Klaudia zu "Deck the Halls" ein Tänzchen aufs Parkett hinlegten und Tristan und Stev eine Partie Darts spielten.


Stev hatte seine kurze, aber nicht erfüllte Liebesbeziehung zu Tristan wohl längst überwunden. Er wirkte wirklich glücklich mit Dennis und seinen beiden Töchtern und dem Bruder von Dominik erging es nicht anders. Immer wieder konnte man sie dabei beobachten, wie sie sich zärtliche Blicke zuwarfen und auch ganz ohne Mistelzweig küssten. Und auch Tristan schien damit keine Probleme zu haben,, sondern überlegte, wie man das Bild der beiden am besten einfangen konnte.


U und zum Ausklang des Abend sahen wir noch die Muppets-Version von "A Christmas Carol" auf DVD an. Klaudia liebte den Film, seit sie ihn das erste Mal vor etlichen Jahren gesehen hatte. Und ich muss gestehen, dass auch ich ihn immer wieder gerne sah. Sky und die beiden ganz Kleinen waren schon längst im Bett und Stev überprüfte, ob es ihnen auch an nichts fehlte.


Ich wünschte, die Feiertage hätten nie zu Ende gehen müssen. Den ersten Weihnachtsfeiertag verbrachten wir bei Dominiks Eltern, den zweiten zusammen mit meinem Bruder erneut bei uns. Die anschließende Nacht blieb dann Dominik und mir ganz allein. Doch der Morgen kam viel zu früh. "Wir müssen langsam aufstehen, Brodlowska", hauchte Dominik. Doch ich schmiegte mich nur noch enger an seine Schulter und gab vor fest zu schlafen, nur um mich nicht von ihm trennen zu müssen.

 

 


Doch es half nichts. Mir mussten aufstehen und uns für die Fahrt zum Flughafen nach SimVegas vorbereiten. Die Kinder kamen natürlich auch mit, um sich von ihrem Vater zu verabschieden. "Pass gut auf deine Schwester und deine Mama auf, Sky", flüsterte Dominik seinem Sohn zu. "Du bist jetzt der Mann im Haus". Natürlich versprach Sky im das. Und der Junge wirkte relativ gelassen. Ich glaubte allerdings, dass dies nur daran lag, weil er nicht begriffen hatte, für wie lange sein Vater fort bleiben würde.


Bei Klaudia sah das schon ganz anders aus. Und obwohl sie sich fest vorgenommen hatte nicht zu weinen, konnte sie die Tränen nicht unterdrücken, als Dominik sich auch von ihr verabschiedet hatte und mir einen letzten Kuss gab. "In spätestens einem halben Jahr bin ich wieder bei dir, Brodlowska. Und ich werde dich jeden Tag anrufen". Ich nickte stumm und strich seinen Hemdkragen glatt. "Wir werden jeden Tag auf deine Rückkehr warten, Dominik. Und wenn du erst einmal wieder zurück bist, dann werden wir heiraten".


Der letzte Aufruf für den Flug nach Simnistrien ertönte. Dominik tätschelte Klaudias Arm, wuschelte Sky durch die Haare und ging dann hinaus zur Gangway. Die Kinder standen am Fenster und winkten ihrem Vater zu. Der Lächelte sie kurz an und bestieg dann hastig das Flugzeug. Ich wusste, dass er es nie zugeben würde, aber ich hatte genau die Tränen in seinen Augen glitzern sehen. Zu dritt beobachteten wir, wie die Treppe beiseite geschoben wurde und das Flugzeug zur Startbahn rollte und in die Lüfte zu seinem weiten Weg nach Südamerika abhob.

 

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