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Ich hatte Angst davor, mich Kasimir zu stellen. Ich hatte mir noch nicht überlegt, wie ich ihm meinen Entschluss mitteilen sollte. Gerda verstand meine Unsicherheit und wir unterhielten uns auf ihrer Veranda bis weit nach Mitternacht. Erst dann machte ich mich auf den Weg in die Simlane. Die Lichter im Haus waren alle erloschen. Alle Schliefen bereits, alle bis auf Goya. Meine Hündin begrüßte mich schwanzwedelnd. Im fahlen Licht des Mondes glänzten ihre Augen und ich hatte das Gefühl, als ob sie genau verstand, was in meinem Herzen vor sich ging. "Ach Goya, manchmal beneide ich dich um dien Leben", sagte ich und strichelte meiner Hündin über den flachen Kopf.


Wie auch schon in der letzten Nacht, schlief ich in Kingas Bett. Ich war selbst erstaunt, wie fest ich schlief und obwohl ich mich vor der Konfrontation mit Kasimir fürchtete, zweifelte ich nicht eine Sekunde an meinem Entschluss. Ich zog mich an und fand Kasimir im Badezimmer vor dem Spiegel vor. Er war geradedabei, sich den Bart zu trimmen, als ich vorsichtig an die Tür klopfte und hineinging. Er erblickte mein Spiegelbild, drehte sich aber nicht zu mir um. Im Spiegel sah ich seine versteinerte Mine. Er war immer noch wütend auch mich. Trotzdem musste ich da jetzt durch. "Kasimir, ich muss mit dir sprechen", sagte ich, "aber nicht hier, lass uns ins Schlafzimmer gehen, dort sind mir ungestört".


Kasimir schnaufte schwer, nickte dann aber zustimmend. Ich ging voraus und er folgte mir mit einigen Sekunden Abstand. "Nun, Perle, was willst du mir sagen?", fragte er gereizt. Da lag mehr in seiner Stimme als der bloße Ärger über mein Verhalten der letzten Wochen. Ich erkannte, dass er frustriert war, weil er es nicht schafte, an mich heran zu kommen. Es wurde wirklich allerhöchste Zeit, diese Farce zu beenden. "Kasimir, ich möchte, dass du ausziehst. Bitte verlass mein Haus, wenn es geht noch heute", brachte ich schnell auf den Punkt.


"Das, das ist doch jetzt ein schlechter Scherz?", fragte er ungläubig. "Perle, komm schon. Wir hatten Probleme in letzter Zeit, aber das ist doch kein Grund um alles hin zu schmeißen". Ich biss mir auf die Lippen. Warum musste er mich jetzt so anblicken? Warum schrie er mich nicht einfach an, sondern wurde auf einmal einfühlsam. Warum zeigte er ausgerechnet jetzt seine weiche Seite, die ich an ihm wahrhaftig liebte? Doch dann schüttelte ich energisch mit dem Kopf. "Nein, Kasimir, es hat keinen Sinn mehr. Ich will, dass du gehst".


Kasimir Augen huschten plötzlich wütend von einer Seite zur anderen. Ich sah, wie seine Fäuste sich ballten und er seine Arme anspannte. "Wer ist es?", fragte er grimmig. "Wer ist das Schwein, mit dem du mich betrügst? Ich schwöre dir, dass ich ihn umbringen werde". Das war die Reaktion, mit der ich gerechnet hatte und auf diese Situation hatte ich mich mental vorbereitet.


Selbstbewusst umfasste ich seine geballte Faust und hielt sie sanft umschlossen. "Nein, das wirst du nicht", hauchte ich. "Und du weißt schon längst, welcher Mann es ist". Kasimir entspannte sich sichtlich und blickte an mir vorbei. "Dominik!", stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ich nickte lediglich leicht zur Bestätigung. Immer noch hielt ich Kasimirs Hand und beobachtet, wie seine Brust sich unter heftigem Atmen hob und senkte. "Ich liebe dich, Kasimir", sagte ich schließlich. "Und wir hatten drei wunderbare gemeinsame Jahre, aber ihn liebe ich einfach mehr".


"Bitte hass mich nicht dafür, Kasimir", flehte ich ihn an. "Ich hab dir nie etwas vorgespielt und ich war dir auch immer treu gewesen. Aber mit Dominik verbindet mich so viel. Er ist der Vater meiner Kinder und nach all den Jahren hat er mir verziehen. Ich hatte nie aufgehört ihn zu lieben und jetzt kann ich nicht anders als die Hand zu ergreifen, die er mir entgegenstreckt. Ich weiß, dass es kein Trost für dich ist, aber gebe es Dominik nicht, dann hätte ich nicht im Traum daran gedacht, dich zu verlassen." Kasimir erwiderte nichts aber ich hatte nichts anderes erwartet.


Ich ließ seine Hand los. Immer noch blickte Kasimir mich nicht an, sonder starrt stur auf die Vase auf dem Boden und atmete schwer. Alles war gesagt worden. Ich konnte nichts mehr unternehmen, um es für Kasimir einfach zu machen. Als ich an ihm vorbei ging, blieb ich ein letztes Mal stehen und streckte meine Hand aus, um über seinen Rücken zu streichel. Doch in letzter Sekunde entschied ich mich dagegen. Das würde es ihm nur noch schwerer machen. Und als ich das Zimmer verließ, huschte ein Lächeln über meine Lippen. Ich war endlich frei für Dominik.


Kasimir packte seine Sachen und rief sich ein Taxi. Tristan war wirklich geschockt, als er hörte, dass Kasimir und ich uns getrennt hatten. Obwohl die beiden sich zunächst nicht grün werden konnten, sind sie durch die gemeinsame Arbeit zu so etwas wie Freunden geworden. "Ruf an, wenn du in Seda Azul eine Wohnung gefunden hast", ermahnte Tristan ihn beim Abschied am Taxi. "Werd ich machen. Und sag der Kleinen, dass sie mich jederzeit besuchen kann. Ich kann einfach nicht warten, bis Klaudia aus der Schule kommt".


Ich beobachte Kasimirs Weggang mit gemischten Gefühlen. Er hatte sich nicht mehr von mir verabschiedet, was aber nur zu verständlich war. Ich würde ihn und unser gemeinsames Leben vermissen. Aber die trüben Gedanken verflogen, wenn ich an die Zukunft mit Dominik dachte.


Erst jetzt erzählte ich Tristan von Dominiks Antrag und plötzlich verstand mein langjähriger Mitbewohner, warum ich mich in letzter Zeit so seltsam verhalten hatte und warum ich mich von Kasimir getrennt hatte. "Aber bist du dir sicher, dass es nicht zu spät ist?", fragt er und tippte sich auf sein Handgelenk, an dem eine Uhr hätte sein müssen. "Was ist, wenn Dominik es sich inzwischen anders überlegt hat. Ihr habt seit sechs Wochen kaum ein Wort miteinander gewechselt." "Ich bin mir sicher, dass er immer noch auf mich wartet", antwortete ich mit mehr Zweifel in der Stimme, als beabsichtigt. Ich hatte schon versucht ihn anzurufen, aber es ging nur der Anrufbeantworter ran. Ich würde es weiter versuchen müssen.

 

 


"Dominik Blech". Mein Herz raste, als ich beim dritten Versuch am späten Nachmittag endlich die ersehnet Stimme vernahm. "Dominik, hier ist Oxana", sprach ich mit zittriger Stimme in den Hörer. "Wenn du es immer noch möchtest, dann werde ich deine Frau. Ich bin endlich bereit dazu. Bitte Dominik, komm zurück nach Hause". "Ich bin sofort bei dir", war seine einzige Antwort und er legte auf.


Vor Glück drehte sich alles in meinem Kopf. Dominik würde zu mir kommen! Meine Träume würden endlich wahr werden. Wie ein Honigkuchenpferd grinsend ging ich zu Klaudias Zimmer. Meine Tochter war inzwischen von der Schule heimgekehrt und erledigte auf dem Boden hockend ihre Hausaufgaben. Eine Unsitte, die ich ihr einfach nicht abgewöhnen konnte. Doch heute war es mir egal. Ich hockte mich zu ihr und grinste sie breit an. Klaudia schaute von ihrem Heft auf und blickte mich verwirrt an. "Dein Vater kommt wieder zurück!", platzte es dann aus mir heraus. "Wir werden wieder ein richtige Familie werden".


Klaudia blinzelte ungläubig. Dann sprang sie plötzlich auf und warf Stift und Heft einfach beiseite. "Papa kommt wieder?! Papa kommt wirklich wieder?!", fragte sie vor Freude schreiend. "Und ihr beide seid dann wieder ein richtiges Paar". Ich verzog grinsend den Mund und nickte eifrig. Jetzt gab es für Klaudia kein Halten mehr. Laut jubeln hüpfte sie im Zimmer herum und warf sich mir schlussendlich um den Hals.


Es erschien mir wie eine Ewigkeit, bis Dominik mit seinem Wagen aus SimVegas vor der Simlane hielt und aus dem Auto stieg. Als ich meinen Mann sah, hielt mich nichts mehr. Ich stürmte die Stufen der Veranda hinunter und sprang Dominik in die Arme. Dominik lachte herzhaft. "Ach Brodlowska, hättest du mich nicht schon vor sechs Wochen so in Empfang nehmen können?".


Vor Freude liefen mir die Tränen übers Gesicht. "Ich war ja so dumm, Dominik. Ich liebe dich so sehr. Ich versteh selbst nicht, wie ich dich zurückweisen konnte". Dominik zog mich fest zu sich heran. "Ich werde nicht mehr zulassen, dass du mich noch einmal zurückweist, Brodlowska", sagte er bestimmt und küsste mich. Wie sehr hatte ich es vermisst, seine Lippen auf meinen zu spüren. Ich wollte ihn nie wieder loslassen.


Ich krallte mich regelrecht in ihm fest, als er mich sanft wegschob, um etwas aus seiner Tasche zu kramen. Meine Augen weiteten sich, als ich die kleine Ringschachtel erkannt. "Diese Frage stelle ich dir jetzt zum vierten Mal und ich hoffe, dass ich sie nie wieder stellen muss. Und vor allem hoffe ich, dass ich zum ersten Mal die richtige Antwort zu hören bekomme. Brodlowska, willst du meine Frau werden?"


"Ja, ich will, ich will, ich will", schrie ich voller Inbrunst. Dominiks erster Antrag war mehr ein schlechter Scherz bei unserem Kennenlernen gewesen, den zweiten hatte ich erst nach sechs Jahren beantwortet, den dritten sogar abgelehnt, aber diesen Fehler würde ich nie wieder begehen. Überglücklich schloss er mich in die Arme und küsste mich immer und immer wieder.


Mit meinen Händen fuhr ich durch sein inzwischen schütteres Haar, betrachtete die Fältchen, die sich unübersehbar um seine Augen herum und an den Mundwinkeln gebildet hatten. Durch meine Schuld hatten mir so viele gemeinsame Jahre verpasst. Aber ich schwor mir selbst, dass wir diese verlorene Zeit wieder rausholen würden, indem wir unser weiteres Leben noch intensiver lebten.

 

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