|
Ich wollte ihm so gerne glauben, aber all seine Worte und Küsse
konnten meine Sorgen nicht beiseite wischen. Niemand konnte sagen,
was wirklich passieren würde. Und einfach blind darauf zu
vertrauen, dass alles gut gehen würde, wäre mehr als
naiv gewesen. Aber es bleib mir gar nichts anderes übrig.
Dominik hatte seien Entscheidung getroffen und er würde nach
Simnistrien gehen. Aber vorher konnten wir noch ein wundervolles
Weihnachtsfest verbringen.
|
|
|
Ich liebte das Weihnachtsfest, doch dieses Jahr hätte ich
nicht lang genug darauf warten können. Doch die wenigen Wochen,
die mir noch mit Dominik blieben vergingen in Windeseile. Und
eh ich es mich versah, war Heiligabend. Wie jedes Jahr, gingen
wir mit der ganzen Familie um sechs in die Messe. Die Kirche war
voll wie immer zu Weihnachten, sodass Dominik und viele andere
keinen Sitzplatz mehr bekamen. Während wir auf den Beginn
des Gottesdienstes warteten, bewunderte ich die Weihnachtsdekoration,
die mir dieses Jahr besonders gut gelungen schien. Aber tief in
meinem Herzen musste ich auch an Kinga denken, die mir an diesem
Tag mehr denn je fehlte.
|
|
Pfarrer Erding war sichtlich erfreut, sein Haus wieder einmal
voller Menschen zu sehen. An den übrigen Sonntagen waren
in der Regel nämlich kaum die ersten zwei Reihen besetzt.
Die ganze Gemeinde hatte sich heute Abend hier versammelt.
|
|
Dominiks Eltern Glinda und Anan lauschten aufmerksam den Worten
des Pfarrers, während Dominiks jüngere Schwester Kira
ganz offensichtlich mit einer Nackenverspannung zu kämpfen
hatte. Hans und sein Lebensgefährte Mika waren ebenfalls
erschienen. Flankiert wurden die beiden von Dominiks beiden Brüdern
Kevin und Mark. Als Küken der Familie, Mark war nur drei
Jahre älter als Klaudia, hat er sogar noch einen Sitzplatz
neben Hans ergattert.
|
|
Tristan war über seinen Sitzplatz aber nicht so glücklich.
Warum mussten Kirchenbänke auch so unbequem sein? Egal wie
er sich auch wand und drehte, irgendwo drückte es immer noch.
Miranda, deren dicker Kugelbauch langsam nicht mehr zu übersehen
war, warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und ihr Ehemann Frank
wollte ihn schon zur Ruhe ermahnen, hielt sich aber doch in letzter
Sekunde zurück.
|
|
Roland und Brandi waren auch anwesend und sogar Constance war
über die Weihnachtsferien zu Besuch gekommen. Eine Pause
vom Uni-Stress würde ihr auch gut tun außerdem vermisste
sie ihren Vater, ihre Stiefmutter und ihre beiden jüngeren
Geschwister Sahra und Nikolas, die aber daheim bei Brandis Eltern
geblieben waren. Neben Roland stand mein kurzzeitiger Mitbewohner
Stev, der sich beschämt zur Seite drehte, weil sein Lebensgefährte
Dennis, Dominiks ältester Bruder, mitten im Gottesdienst
seine Hose zurechtzupfte.
|
|
Die schien ihn aber auch wirklich zu zwicken. Mein Bruder Orion
grübelte derweil darüber nach, ob auch alles für
den Heiligen Abend vorbereitet war, während seine Frau Desdemona
in Gedanken schon längst bei der Bescherung war und selig
vor sich hin grinste. Dominiks Schwester Siana konnte dagegen
den Blick nicht von ihrem Bruder abwenden, der vor lauter Herumgezupfe
an seiner Hose fast das Gleichgewicht verlor.
|
|
Elvira war gefesselt von der Predigt von Pfarrer Erding. Gerda
hingegen fuhr erschrocken zusammen, als ihr bewusst wurde, dass
sie womöglich vergessen hatte, eine Kerze zu löschen,
bevor sie mit der Familie zur Kirche aufgebrochen war. Ihr Mann
Volker versuchte zwar sie zu beruhigen, doch so ganz wollte es
ihm nicht gelingen. Und Dominik bereute in diesem Augenblick,
dass er den Fotoapparat zuhause gelassen hatte und diesen Moment
nicht auf Film festhalten konnte.
|
|
Pfarrer Erding kam zum Schluss der Messe. "Brüder und
Schwestern, ich wünsche euch ein gesegnetes Weihnachtsfest.
Öffnet eure Herzen und lasst den Herrn hinein. Schenket einander
den Frieden, den es uns im Alltag so häufig mangelt, dann
wird uns allen das Wunder von Weihnachten zuteil. Gehet hin in
Frieden".
|
|
Die Orgel ertönte und voller Inbrunst sangen alle Anwesenden
"Oh du fröhliche". Vor der Kirche ergriff jeder
noch die Gelegenheit, seinen Freunden und Nachbarn ein frohes
Weihnachtsfest zu wünschen. Inzwischen war es draußen
dunkel geworden. Die Zikaden zirpten munter in den Blättern
der Palmen und ein warmer Wind wehte vom Meer heran.
|
|
Ich drückte meinen Bruder fest an mich. Heute würde
er den Abend mit seiner Frau bei Gerda und ihrer Familie verbringen,
aber am zweiten Weihnachtstag hatte ich ihn und die Kappes in
die Simlane eingeladen.
|
|
Klaudia unterhielt sich noch mit Constance. Es gab eine Zeit,
als Constance sich furchtbar für ihre Asch-graue Haut geschämt
hatte, doch seitdem sie auf der Uni war, war sie wie verwandelt
und zu einer selbstbewussten jungen Frau herangewachsen. Wehmütig
dachte ich an die Zeiten zurück, als Kinga und sie gemeinsame
Pläne für ihre Studienzeit schmiedeten. Wie die Zeiten
sich doch geändert hatten.
|
|
Auch Dominik wünschte seinen Eltern und Geschwistern ein
frohes Weihnachtsfest. Glinda war nicht begeistert gewesen, als
sie erfuhr, dass Dominik und ich vorhatten, erneut zu heiraten.
Ich musste ihr aber zugutehalten, dass sie mich dieses Mal nicht
offen angriff und ihre Einladung den 1. Weihnachtstag bei ihnen
zu verbringen, auch mich mit einschloss.
|
|
Ich verabschiedete mich von all meinen Freunden und Verwandten
und beeilte mich, mit Sina schnell in die Simlane zurück
zu kehren und die restlichen Vorbereitungen für den Heiligen
Abend zu treffen. Derweil machte Dominik mit seinem Bruder Dennis,
Stev und den Rest meiner Familie einen Spaziergang zum Haus von
Stev und Dennis und holten deren beide Töchter Lena und Emma
ab.
|
|
Siana und ich hatten das Essen inzwischen vorbereitet. Der traditionelle
Weihnachtskarpfen stand dampfend auf dem gedeckten Tisch. Doch
dafür hatten die Kinder gar keine Augen. Sky stürzte
sich sofort auf den Weihnachtsbaum, unter dem sich die Geschenke
türmten. Klaudia war da schon etwas zurückhaltender,
aber auch ihre Augen glitzerten voller Vorfreude. Und Dominiks
beide kleinen Nichten Emma und Lena interessierten sich mehr für
das bunte Geschenkpapier als für den Inhalt der vielen Päckchen.
|
|
Da es unfair gewesen wäre, die Kinder noch länger auf
die Folter zu spannen, begannen wir direkt mit der Bescherung.
Dass Essen würde auch noch ein paar Minuten länger warm
bleiben. Sky freute sich wahnsinnig, als Dominik ihm sein Geschenk
überreichte.
|
|
Natürlich riss Sky sofort das Geschenkpapier herunter und
packte seinen neuen ferngesteuerten Hubschrauber aus. Da Dominik
selbst wissen wollte, wie das Ding sich so flog, durfte Sky es
auch gleich ausprobieren. Und so sauste ein Hubschrauber über
unsere Köpfe hinweg, während wir uns zum Essen an den
Tisch setzten. Lena war begeister von dem fliegenden Ungetüm
und lief dem "Huschaba" glucksend hinterher. Ihre Schwester
Lena hatte hingegen hatte nur Augen für ihren neuen Teddybär.
|
|
Der Karpfen war köstlich. Ich hatte ihn nach dem Rezept meiner
Großmutter zubereitet, ebenso wie die Suppe aus Rotebeeten,
die es als Vorspeise gab. Tristan haute rein, als ob er seit Tagen
nichts gegessen hätte. Wie gut, dass im Kühlschrank
noch genügend Essen auf uns wartete.
|
|
"Ein Lob auf unsere Köchin!", warf Dennis in den
Raum und alle Stimmten mit ein. Ich merkte, wie meine Wangen rot
anliefen. "Stev und ich müssen uns übrigens noch
einmal vielmals bei dir bedanken, Oxana", setzte er fort.
"Wenn du uns nicht die Agentur für Leihmütter vermittelt
hättest, dann hätten wir heute nicht unsere wunderbaren
Mädchen. Vielen Dank". Dafür mussten sie mir nun
wirklich nicht danken. Ich hatte gern geholfen und den beiden
lediglich die Unterlagen der Agentur rausgesucht, die meinen Vätern
auch meine Mutter vermittelt hatte.
|
|