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Gleich nachdem Joanna ihrer Schwester nachgelaufen ist, ist Orion
den Tränen nahe nach oben verschwunden. Und so stehe ich
alleine mit Darek im Wohnzimmer. "Es...es tut mir leid Darek",
beginne ich unsicher zu stottern. "Ich wollte dich nicht
verletzen. Ich habe nicht erwartet, dass...dass der Schlag so
heftig ausfällt. Ich wollte doch nur..." "Ja, was
wolltest du?", unterbricht Darek mich und obwohl er sehr
ruhig bleibt, klingt seine Stimme alles andere als versöhnlich.
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"Wolltest du mir damit Respekt einflößen? Erklär
es mir, denn ich kann es bis heute nicht begreifen." Jetzt
ist sein Blick nicht mehr ausdruckslos, sondern glüht vor
unterdrückter Wut und vor Schmerz. Seine Worte treffen mich,
doch anstatt so etwas wie Reue bei mir zu bewirken, spüre
ich, dass wieder die Wut in mir aufsteigt und ich kann mich nur
mit Mühe beherrschen Darek nicht anzuschreien, dass ich genau
das wollte: Ihm Respekt einzuflößen!
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Und hätte ich etwas getrunken,
dann würde ich es auch sofort tun. Doch so drehe ich mich
nur zum Fenster und starre ins Leere um mich wieder zu berühigen.
Ich glaube nicht, dass Darek weiß, was gerade in mir vorgeht,
denn dann wäre der Zorn in seinen Augen nicht so schnell
verschwunden. Glaubt er etwa, ich kann ihn nicht ansehen, weil
ich ein schlechtes Gewissen habe? |
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Oder habe ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen und bin
deshalb wütend? Wütend auf mich selbst? Ich sollte nicht
so viel nachdenken. Erst jetzt fällt mir Dareks immer noch
leicht blaues Auge auf und die Wunde darüber. "Tut es
immer noch weh?", frage ich und bin selbst überrascht
darüber, wie sehr ich für Darek hoffe, dass es das nicht
mehr tut. Darek schüttelt nur den Kopf. Vorsichtig strecke
ich meine Hand aus um die Wunde sanft zu berühre, wie ich
es früher oft getan habe, wenn er sich beim Fußball
verletzt hat. Darek zuckt unweigerlich zurück, als er meine
Hand auf sich zukommen sieht, doch als meine kalten Finger die
noch immer warme Wunde berühren, schließt er die Augen
und atmet tief aus. "Es musste genäht werden",
erklärt er leise, "und eine Narbe wird auf alle Fälle
zurückbleiben." Während er spricht, öffnet
er nicht die Augen und meine Finger fahren immer wieder die Wund
ab.
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Doch dann öffnet er sie und der Schmerz in seinen Augen,
der gerade verflogen schien, ist wieder da. "Arek, es ist
noch lange nicht alles wieder in Ordnung. Dafür ist zu viel
passiert." Ich höre ihm aufmerksam zu. "Ich glaube,
es ist das Beste, wenn du ab jetzt in Oxanas Zimmer schläfst."
Ich wiederspreche nicht.
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Ich gehe gleich hoch, um einige meiner Sachen zu holen. Je früher
ich das mache, desto bessere. Doch auf der Treppe bleibe ich kurz
stehen und frage Darek: "Hast du wirklich daran gedacht,
mich anzuzeigen?" Darek sieht mir direkt ins Gesicht und
antwortet dann bestimmt: "Es ist viel passiert, Arek."
Ich schau ihn noch einen Moment an und gehe langsam das letzte
Stück die Treppe hoch.
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Nach außen hin scheint alles wieder in Ordnung zu sein.
Doch dass dies nicht stimmt, merkt man schon daran, dass niemand
im Haus die Ereignisse der letzten Tage anspricht, als ob es sie
nie gegeben hätte. Und eigentlich ist es mir auch ganz recht
so. Für mich ist die Geschichte auch abgeschlossen. Für
Joanna aber scheinbar nicht. "Warum hast du zugelassen, dass
Oxana gehen musste?", fragt sie Darek, als die beiden allein
in der Stadt sind. Darek nimmt noch einen Schluck von seinem Kaffee
bevor er antwortet. "Dass Oxana die Polizei gerufen hat,
war das Schlimmste, was sie Arek antun konnte. Er kann ihr das
nicht verzeihen und...und ich verstehe auch warum." Joanna
sieht ihren Vater überrascht an.
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"Komm, lass uns etwas herumgehen", Darek steht auf und
Joanna folgt ihm ohne Widerspruch. "Damit du alles verstehst,
musst ich dir einige Dinge erzählen. Vielleicht wäre
es besser gewesen, wenn Arek und ich das schon längst gemacht
hätten." Joanna sieht Darek neugierig an, unterbricht
ihn aber nicht. "Weißt du wo ich Arek kennengelernt
habe?", fragt er. "Ja, in Warschau, als Dad dort gelebt
hat. Doch dann habt ihr euch aus den Augen verloren, bis du ihn
mit Rosario in SimCity wiedergefunden hast."
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Darek lächelt kurz. "Ja, soweit stimmt das sogar. Aber
ich habe Arek in Warschau im Gefängnis kennengelernt."
Joanna denkt zuerst, Darek macht einen Scherz. Doch als sie sieht,
dass er ernst bleibt hört sie aufmerksam weiter zu. "Arek
hat in Warschau gedealt und zwar im größeren Stil.
Er wollte deinem Großvater nacheifern, dem großen
Don Carlos, dem mächtigsten Drogenbaron von Kuba. Doch das
hat nicht so ganz geklappt und Arek landete im Knast, da war er
gerade 18 geworden, also nicht viel ältere als du. Und das
Gefängnis hat ihm schwer mitgespielt. Er wäre daran
zerbrochen, da bin ich mir sicher." "Und wie hast du
ihn dort kennengelernt? Musstest du etwa auch eine Strafe absitzen?",
fragt Joanna mit heiserer Stimme.
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Darek nickt und Joanna kann nicht anders als schnell auf den Boden
zu schauen, aus Scham vor Darek und ihm nächsten Moment aus
Scham vor sich selbst. Doch Darek erzählt unbeirrt weiter.
"Ich wurde einige Wochen nach Darek eingeliefert. Ich habe
ein einziges Mal eine Unterschrift für einen Bekannten gefälscht
und das hat mir zwei Jahre Gefängnis eingebracht. Ich kam
in Areks Zelle und hab mich sofort in ihn verliebt. Ich wusste
damals schon eine Weile, dass ich schwul bin. Bei Arek war das
etwas anders. Er hat mir oft von seinen zahlreichen Freundinnen
vorgeschwärmt und als wir uns dann das erste Mal näher
kamen, dachte ich er nimmt mich, weil keine Frau da ist. Doch
da habe ich mich geirrt, gewaltig geirrt. Diese zwei Jahr mit
Arek im Gefängnis waren das Beste, was mir bis dahin passiert
ist. Und für ihn wurden sie erträglich. Das Eingesperrtsein
hat mir nicht viel ausgemacht, die Schikanen der Mithäftlinge
dagegen schon und davor hat Arek mich geschützt. Und ich
habe ihn gestützt, denn für ihn war es schlimm, eingesperrt
zu sein. Er braucht Freiheit oder jemanden der ihm das Gefühl
gibt frei zu sein. Und dieses Gefühl habe ich ihm gegeben."
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Die beiden gehen langsam am Ufer des Sees entlang und bleiben
von Zeit zu Zeit stehen und starren auf das dunkle Wasser. "Es
war schlimm für Arek, als ich entlassen wurde. Denn er war
wieder allein und das folgende Jahr war für ihn das Schlimmste,
was er jemals erlebt hat. Als er entlassen wurde, hat er sich
geschworen, niemals wieder ins Gefängnis zu kommen. Und Oxana
hat ihn wieder dorthin gebracht. Verstehst du jetzt, warum er
sie wegschicken musste." Joanna schüttelt mit dem Kopf.
"Nein, ich verstehe ihn nicht. Schließlich waren es
doch nur sieben Tage." "Sieben Tage können lang
sein, aber es ging dabei um viel mehr als um sieben Tage."
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"Du hättest ihn doch nicht wirklich angezeigt?!",
ruft Joanna entsetzt aus und Darek schüttelt schließlich
langsam mit dem Kopf. "Nein, ich hätte ihn nicht angezeigt.
Hätte er nicht getrunken, dann wäre es nicht passiert,
das weiß ich. Nein, Arek hat eine ganze Menge Dreck am Stecken.
Er dealt zwar nicht mehr, dafür macht er aber ganz andere
Sachen, die gegen das Gesetz verstoßen. Er erzählt
mir nicht alles, aber alleine das, was ich weiß, reicht,
um ihn für viele Jahre ins Gefängnis zu bringen."
Er sieht Joanna an, die vor ihm steht und nicht weiß, was
sie dazu sagen soll. Geahnt, dass etwas mit meinem Job nicht stimmt,
hat sie immer. Was sie von der Wahrheit jetzt halten soll, weiß
sie nicht.
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"Joanna, ich vertraue dir, dass du das für dich behältst.
Die Polizei ahnt schon länger etwas und..." Joanna unterbricht
Darek. "Du kannst mir vertrauen, Paps. Von mir erfährt
niemand etwas." Dankbar nimmt Darek Joanna in den Arm.
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Und noch am selben Abend kommt Tobias um Joanna zu sehen. Sie
hat ihn angerufen und er ist sofort gekommen. Sie küsst ihn
mit so viel Zuneigung, dass es ihm fasst die Sprache verschlägt.
"Hey Süße, was ist denn los?", fragt er besorgt,
als er bemerkt, dass Joannas Augen sich mit Tränen füllen
und er sanft eine aus ihrem Gesicht wischt. "Es geht mir
gut", schluchzt sie, versucht dabei aber ihn anzulächeln.
"Es ist nur viel passiert in den letzten Tagen."
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Sie erzählt ihm alles. Wie Darek verletzt wurde, wie Oxana
die Polizei rief und ich daraufhin verhaftet wurde und wie ich
sie dafür aus dem Haus geworfen habe. Nur alles, was sie
heute von Darek erfahren hat, lässt sie aus. Tobias nimmt
sie tröstend in den Arm und hält sie einfach nur fest.
Genau das hat sie jetzt gebraucht.
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"Dass du mir trotz alldem am Wochenende geholfen hast, dafür
bin ich dir unendlich dankbar." Tobias sieht sie mit Bewunderung
an. "Das hättest du nicht tun müssen, auch wenn
es ohne dich viel gefährlicher für mich geworden wäre."
"Dir würde ich immer helfen, Tobi. Wenn du meine Hilfe
wieder brauchst, dann sage es."
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Und dann nimmt sie Tobias an der Hand und führt ihn hoch
in ihr Zimmer. "Bleib heute Nacht hier", bittet sie
ihn. Tobias schaut sie unsicher an. "Und deine Eltern?",
fragt er vorsichtig. "Meine Eltern sollten sich daran gewöhnen,
dass ich kein Kind mehr bin und meine eigenen Entscheidungen treffe."
Und dann küsst sie ihn auch schon leidenschaftlich und beginnt
damit ihm sein Sweatshirt auszuziehen.
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