Aufgabe 19
1 2 3 4 5 6 7 8

 


Es ist Darek anzusehen, dass er mir noch eine ganze Reihe an Dingen vorwerfen will, doch er lässt es. "Gut Arek, wenn du es so willst." Seine Stimme klingt resigniert. "Aber eins muss dir klar sein, so wie jetzt kann es nicht weitergehen. Irgendetwas muss sich ändern." Und dann dreht er sich um und geht in den Garten, so wie er das in letzter Zeit oft tut.


Und ich wende mich wieder der Bar zu. Um den Zorn, den ich auf Darek empfinde wegzuspülen und um die Angst zu Betäuben, die ich jeden Tag aufs Neue verspüre, wenn ich zur Arbeit gehe. Wie lange kann ich der Polizei noch entkommen und wann habe ich mein Glück überstrapaziert?


Währenddessen geht Joanna hoch zu Orion. Eine kleine Aufheiterung wird ihr gut tun und deshalb entscheidet sie sich dazu, Orion seine Lektion zu erteilen. Als sie in sein Zimmer kommt, sitzt er bereits niedergeschlagen an seinem Schreibtisch.


"Na, hast du dir schon überlegt, was du von Oxana verlangst, damit sie den Schlüssel bekommt?", fragt sie ihren Bruder. Doch der Antwortet nicht, sondern steht auf und versucht sein Gesicht von ihr abzuwenden. Doch dann sieht er sie mit seinen verheulten Augen an. "Ich...ich habe", beginnt er zu schluchzen, "ich habe den Schlüssel verloren. Er ist weg. Das wollte ich doch nicht." Und dann beginnt er richtig zu weinen.


Joanna umarmt ihn tröstend und ihr kleiner Bruder tut ihr fast schon leid. Aber das hat er sich selbst zuzuschreiben. "Was soll ich denn jetzt machen?" fragt er Joanna und man kann deutlich hören, dass er Angst hat. "Du musst wohl zu Oxana gehen und ihr erzählen, dass der Schlüssel weg ist. Aber mach dich schon mal darauf gefasst, dass sie sehr, sehr böse sein wird", antwortet Joanna und kann ihre Schadenfreude dabei kaum verbergen.


Joanna hat recht, er muss Oxana sagen, dass er den Schlüssel verloren hat, ob er will oder nicht. Und am besten ist es, wenn er es gleich tut. Doch als er Oxanas Zimmer betritt, verlässt ihn fast der Mut. Er bleibt nur, weil Oxana ihn bereits gehört hat. "Na, kleine Kröte, willst mich jetzt wohl erpressen was?", fragt sie und versucht dabei möglichst böse zu klingen.


Schon als er ihre Stimme hört, will er wieder weinen und als er ihr finsteres Gesicht sieht, heult er gleich los und beichtet ihr alles. "Es tut mir leid Oxi, ich wollte deinen Schlüssel nicht verlieren. Ich wollte dich doch nur ein bisschen ärgern. Aber das wollte ich nicht. Ich werde es auch nie wieder tun. Ganz ehrlich. Bitte Oxi, sei mir nicht böse. Bitte!"


Oxana genießt diesen Moment. Jetzt versteht sie Joannas Plan. Sie wollt ihm zeigen, was für Konsequenzen seine Streiche haben können und das hat auch wunderbar geklappt. Orion wird es sich in Zukunft zweimal überlegen, bevor er seinen Schwestern wieder einen Streich spielt. Aber diesen Moment will Oxana besonders auskosten. "Du hast meinen Schlüssel verloren?", fragt sie und versucht dabei so zu klingen, als ob sie ihre Wut kaum unter Kontrolle halten könne. "Und da glaubst du, dass ich dich so einfach davon kommen lasse. Du musst mir versprechen, meine Sachen in Zukunft in Ruhe zu lassen. Und außerdem wirst du einen Monat lang für mich den Müll rausbringen. Hast du das verstanden?" Orion wagt es die ganze Zeit nicht, seiner Schwester in die Augen zu sehen, so ein schlechtes Gewissen hat er wegen des Schlüssels und deshalb stimmt er Oxanas Forderungen auch widerspruchslos zu.


Und als sie ihm alle Versprechen abgenommen hat, holt sie plötzlich den Schlüssel heraus. Orion schaut ihn ungläubig an. "Wo...wo hast du...wie?", stottert er. "Eines sollte dir klar sein, Orion, leg dich niemals mit einer Brodlowska an und schon gar nicht mit gleich zweien davon, denn dann kannst du nur verlieren." Oxana lacht triumphierend und langsam dämmert es Orion, dass er von seinen Schwestern reingelegt wurde.

 

 


Darek ist raus gegangen um sich nach unserem Streit zu beruhigen. Es ist ihm nicht anzusehen, wenn er wütend ist. Er zeigt es nur selten. Aber er ist wütend auf mich...und enttäuscht. Er zeigt seine wahren Gefühle nur selten. Ich kann nie genau sagen, ob er enttäusch wütend oder glücklich ist, wenn er nicht will, dass ich es weiß. Und nach all den Jahren, in denen wir nun schon zusammen sind, habe ich noch immer nicht gelernt, hinter seine Fassade zu blicken. Wenn er alleine ist, kann er nachdenken. Doch heute gesellt sich Oxana zu ihm.


Erst setzt sie sich nur schweigend zu ihm doch nach einer Weile durchbricht sie die Stille: "Joanna und ich haben euren Streit mitbekommen, Paps!" Darek sieht sie an und sie erkennt so etwas wie Scham in seinem Blick. "Ich wollte nicht, dass ihr unsere Streiterei mitbekommt. Es tut mir leid." "Paps, du brauchst dich doch nicht zu entschuldigen. Du bist nicht derjenige, der Schuld an den Streitereien hat, sondern Dad. Das war doch schon immer so."


Darek schweigt einen Moment, bevor er etwas erwidert. "Du darfst nicht deinem Dad an allem die Schuld geben, Oxana. Er hat es nicht leicht. Ich kann sogar nachvollziehen, warum...warum er immer wieder zur Flasche greift. Versteh mich nicht falsch, ich finde es nicht richtig, aber irgendwie kann ich es nachvollziehen." Oxana kann das nicht. Ich weiß nicht genau wann sie angefangen hat mich zu hassen, doch sie tut es. Nach einer Weile des Schweigens beginnt Oxana wieder zu sprechen. "Was hat Dad damit gemeint als er sagte, er hat Angst geschnappt zu werden und er wolle nie wieder in ein solches Loch. Paps, was hat Dad zu verbergen?"


Darek wird blass bei dieser Frage, doch Oxana kann es im Dunkeln nicht erkennen. "Nichts, Oxana. Du muss irgendetwas falsch verstanden haben. Dein Dad hat nichts zu verbergen." Und um ihr zu zeigen, dass er es ernst meint, nimmt er sie in den Arm und es beruhigt Oxana tatsächlich. "Trenn dich von Dad", sagt Oxana dann plötzlich, "es geht dir doch nicht gut mit ihm." Auch ohne sie anzusehen, weiß Darek, dass Oxana es vollkommen ernst meint. "Ich kann nicht", erwidert er nur ruhig, "und ich will auch nicht. Ohne deinen Dad würde es mir auch nicht besser gehen, das weiß ich. Arek kann auch ganz anders sein. Er zeigt es mir immer und immer wieder. Und diese Momente sind es mir wert bei ihm zu bleiben. Jeder einzelne von ihnen. Es ist mein Leben, Oxana, und ich lebe es so, wie ich es für richtig halte. Misch dich bitte nicht ein, denn es geht nur mich und Arek etwas an."


Oxana schmiegt sich noch etwas enger an Darek und zeigt ihm damit, dass sie seine Meinung respektiert, zumindest für den Augenblick. Dann steht sie auf und lässt Darek, der nun deutlich zufriedener wirkt, allein im Garten zurück.

 

 


Und dann ist es auch schon Wochenende, der Geburtstag der Mädchen. Und die ersten Gäste stehen auch pünktlich vor der Tür.


Eine solche Party ist mal wieder eine Gelegenheit zu schauen, was die Kostümkiste vom Dachboden alles so bietet. Und die 70er Jahre Outfits können sich wirklich sehen lassen.


Der Mann vom Partyservice bereitet sofort das Büffet vor und die Gäste machen sich sofort darüber her. Und auch die Bowle ist sehr beliebt, auch bei mir. Und so verwundert es nicht, dass ich bereits ein paar Gläser gekostet habe. Nur Joanna will nicht so recht essen.


Doch dann lässt sie sich doch davon überzeugen. Wobei sie insbesondere die Gesellschaft eines bestimmten Gastes am Tisch genießt. "Ich finde es echt schön, dass du gekommen bist, Tobias." Sie strahlt über das ganze Gesicht, als sie sich zu ihm setzt. "Hast du etwa gedacht, ich würde deinen Geburtstag verpassen?", antwortet er ihr und lächelt sie an.


Nach dem Essen kommt dann der Geburtstagskuchen, wobei es keiner zum Essen ist. "Wer hat den einen Stripper arrangiert?" frage ich entsetzt als ich sehe, was da aus der Torte hüpft. Meine beiden Mädchen sind doch gerade erst 17.

 

1 2 3 4 5 6 7 8

kor. 22.01.2011