1 2 3 4 5 6 7 8 R

 


Gleich nach der Geburt begann ich wieder mich selbst um die Farm zu kümmern. Roland und Dominik hatten das zwar ganz gut gemacht, aber irgendwie lenkte die Arbeit mich ab und ich war froh, eine Möglichkeit zu haben, Dominik und auch Kinga aus dem Weg zu gehen. Inzwischen war der Mais vom letzten Jahr bereits abgeerntet. Die Dürre hat zwar einen erheblichen Teil der Ernte beschädigt, aber immerhin konnten wir einen kleinen Gewinn damit erwirtschaften und zumindest die Saat für dieses Jahr zu kaufen. Und 18 meiner 20 Rinder waren trächtig und würden in Kürze kalben. Ja, zumindest die Farm lief gut.


Neun Monate lang war es mir gelungen, Albert und Gerda so gut es ging aus dem Weg zu gehen. Doch Sierra Simlone Stadt war ein kleines Nest, in dem man unweigerlich aufeinander traf. Ich wollte nur einen Happen im alten Stadtkern Essen, bevor ich zurück auf die Weide fuhr, als Gerda mir aufgeregt zuwinkte. "Oxana! Oxana, hier sind wir!" Albert saß mit ihr an einem Tisch und beide warteten scheinbar auf ihre Bestellung. "Setz dich doch zu uns", bot sie mir an und ich konnte schwer ablehnen. "Du musst unbedingt mal wieder bei uns vorbeikommen, Oxana", plauderte sie drauf los. "Ich bin ja so gespannt auf die kleine Kinga. Und vielleicht kannst du dir ja ein paar alte Babysachen von mir abholen. Elvira wächst so schnell. Sie hat viele ihrer Sachen nicht mehr als zwei Mal getragen. Und..." Gerda plauderte immer weiter. Währenddessen las ich zum fünften Mal die Karte, die ich krampfhaft mit meinen Händen umschloss, nur um Albert nicht ansehen zu müssen.


Ich war mir sicher, dass jeder in der Bar mir ansehen konnte, dass ich mit ihm geschlafen hatte. Und auch Gerda konnte ich nicht in die Augen sehen. Ich hatte mich ein paar Mal mit ihr sonntags nach dem Gottesdienst unterhalten und sie hatte auch mehrmals bei mir angerufen und sich wegen meiner Schwangerschaft erkundigt. Doch jetzt saß Albert direkt vor mir! Er sprach während des Essens kaum ein Wort, während ich versuchte, mich so unauffällig wie möglich zu geben und auf Gerdas Unterhaltung einzugehen. Immer wieder schweifte mein Blick zu ihm ab und ich musste mich an unsere gemeinsame Nacht erinnern. An das Gefühl, ihm ganz nah zu sein und ihn zu spüren. Und das ein oder andere Mal erwischte ich ihn dabei, wie auch er mich ansah, obwohl er seine Blicke unter der Hutkrempe verstecken wollte.


Ich schlang das Brathähnchen mehr herunter, als dass ich es aß. Doch ich wollte schnell weg, denn ich ertrug es nicht, Gerda die gute Freundin vorzuspielen, während ich am liebsten an Ort und Stelle Albert um den Hals gefallen wäre. "Du musst aber ganz sicher vorbeikommen, Oxana", bat Gerda mich inständig, als ich aufstand. "Wenn ich Zeit habe, dann besuche ich euch sofort, Gerda. Aber zur Zeit ist einfach so viel los." Und schon wieder eine Lüge. Ich lächelte Gerda freundlich zu und verließ anschließend das Lokal.


In dieser Nacht bekam ich kein Auge zu, weil meine Gedanken immer wieder zu Albert schweiften. Dominik lag neben mir und sein gleichmäßiges Atmen verriet mir, dass er fest schlief. Ich schlich in Kingas Zimmer. Die Kleine schlief nicht, sondern lag mit weit aufgerissenen Augen in ihrem Bettchen. Ich hob sie vorsichtig aus dem Kinderbett und sah sie genau an. Ich versuchte eine Ähnlichkeit zu Alber zu erkennen, doch da war nichts. Sie hatte graue Augen, wie ich und ihre Augenbrauen waren eindeutig braun. Und auch ihre Lippen und Nase erinnerten mich nur an mich. Ich erkannte nicht den geringsten Hinweis, dass sie Alberts Tochter sein könnte. Und seltsamerweise stimmte es mich traurig.

 

 


Ich ertrug es nicht, ständig lügen zu müssen und dieses Geheimnis in meinem Herzen zu bewahren. Ich musste es einfach beichten. "Vater, ich habe gesündigt. Meine letzte Beichte liegt drei Wochen zurück. Doch meine Sünde ist schon viel älter. Ich habe mit einem verheirateten Mann geschlafen. Mit Albert Kappe. Meine Tochter Kinga ist seine Tochter, nicht die von Dominik. Ich habe so getan, als ob ich Dominik lieben würde und ihm das Kind eines anderen untergeschoben. Und Albert ahnt nicht einmal, dass er der Vater ist. Und jetzt lebe ich Tag für Tag mit dieser Sünde. Vater, vergib mir."


Doch niemand hörte mich. Ich saß vollkommen allein in der Kappel des Klosters St. Ansbald. Als ich diese verließ, lief ich Pfarrer Erding in die Arme. "Guten Tag, Oxana", begrüßte er mich freundlich. "Wollten Sie etwa zur Beichte? Die Beichtgelegenheit beginnt erst in einer halben Stunde. Aber wenn Sie möchten, können wir auch jetzt miteinander reden." Ich schüttelte mit dem Kopf. "Nein, Pfarrer Erding, ich wollte nur ungestört in der Kapelle beten. Hier im Kloster ist es immer so friedlich." "Ich wünschte, es gebe noch mehr so gottesfürchtige junge Christen wie Sie, Oxana." Er lächelte mir zu und verschwand dann im Inneren der Kapelle. Ich blieb noch im Hof des Klosters und lauschte dem Plätschern des Brunnen. Dieses Geheimnis musste ich in meinen Inneren bewahren. Und es zu beichten hätte wenig Sinn gehabt, denn wenn ich noch einmal entscheiden müsste, ich würde nichts anders machen.

 

1 2 3 4 5 6 7 8 R

kor. 04.08.2010