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Doch eigentlich hatte ich nicht vor, noch einmal mit Dominik auszugehen.
Ich war nicht auf der Suche nach einem neuen festen Freund und
ganz eindeutig wollte Dominik mehr, als nur mit mir befreundet
sein. Und zu mehr war ich nicht bereit. Jetzt nicht und auch in
Zukunft nicht.
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Und trotzdem verkrafte sich etwas in mir, immer wenn ich sah,
wie liebevoll Tristan und Frank miteinander umgingen. Frank war
schon fast so etwas wie ein vierter Mitbewohner geworden. Er wohnte
zwar nicht offiziell bei uns, aber eigentlich verbrachte er all
seine Zeit außerhalb der Arbeit bei Tristan und so kam ich
einfach nicht umhin die beiden zu beobachten. Manchmal erinnerten
sie mich sogar etwas an meine Eltern, aber diese Gedanken erstickte
ich sofort, wenn sie aufkeimten.
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Und dann sah ich an einem Nachmittag, wie Roland mit einer Frau
aus dem Fahrgemeinschaftsauto stieg. Ich wollte sie nicht beobachten,
aber durch das Fenster an der Eingangstür konnte ich sehen,
wie er Hand in Hand mit ihr die Verandatreppe hinauf stieg und
sich dann von ihr verabschiedete. "Wir sehen uns dann morgen
im Krankenhaus", sagte er ihr liebevoll. "Ich vermisse
dich jetzt schon". "Ich vermisse dich auch", hauchte
sie ihm entgegen und verabschiedete sich mit einem letzten sanften
Kuss.
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Ich weiß nicht, was los war, aber plötzlich stiegen
die Tränen in mir auf. Roland konnte gerade noch erkennen,
wie ich hastig in der Küche verschwand und da ich nicht auf
sein Rufen reagierte kam er mir nach. "Oxana, was ist denn
los?", fragte er besorgt. "Warum weinst du? Was ist
passiert". Ich wollte ihn damit abwimmeln, dass alles in
Ordnung sei, doch dann brach es aus mir heraus. "Ich vermisse
meinen Paps so sehr", schluchzte ich. "Ich dachte, es
würde besser werden, doch es tut immer noch genau so weh
wie am ersten Tag. Ich fühle mich so schuldig, dass ich nicht
bei ihm gewesen bin, als er starb. Ich hätte für ihn
da sein müssen!"
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"Und jetzt fühle ich mich so allein gelassen",
ein Weinkrapf durchfuhr mich. "Aber... aber ich bin ja selbst
schuld daran. Warum habe ich nicht auf Paps gehört und mich
einfach aus der Angelegenheit zwischen ihm und Dad rausgehalten?
Dann wäre das alles nicht passiert! Und vielleicht wäre
ich dann heute in der Lage, eine vernünftige Beziehung zu
führen, ohne Angst haben zu müssen, verletzt zu werden.
Dann hätte ich mit Benny glücklich werden können.
Wenn ich sehe, wie glücklich Tristan und Frank sind, dann
tut mir das weh. Und als ich dich gerade mit Brandy gesehen habe,
da wurde mir klar, dass ich so etwas nie haben werde. Und dann
ist da noch die Farm! Das wächst mir alles über den
Kopf. Die ganze Arbeit, der täglich Aufwand, ich bin ganz
alleine damit. Wie soll ich das ganze denn bloß schaffen?"
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Da nahm Roland mich einfach in seinen Arm. "Ist schon gut,
Oxana. Alles wird wieder gut", redete er auf mich ein und
strich mir beruhigend über den Rücken, während
ich mich weiterhin hemmungslos an seiner Schulter ausweinte. "Ich
bin immer für dich da, vergiss das nicht, Oxana. Und ich
werde auch in Zukunft immer für dich da sein. Wenn du Hilfe
bei der Farm brauchst, dann helfe ich dir sofort und wenn du dich
einsam fühlst, dann kannst du immer zu mir kommen. Du brauchst
nicht allein zu sein. Das verspreche ich dir".
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Nachdem ich mich ein wenig beruhigt hatte, ging Roland ins Badezimmer
und ließ mir ein Sprudelbad ein. Das warme Wasser entspannte
mich tatsächlich und als ich über seine Worte nachdachte,
wurde mir klar, dass er die Wahrheit gesprochen hat. Er würde
immer für mich da sein, so wie er es schon immer gewesen
ist. Und daran würde sich auch nichts ändern, wenn er
jetzt mit Brandy zusammen war.
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Nach meinem Gefühlsausbruch ging es mir erstaunlicherweise
besser. Bis sich die nächste Katastrophe anbahnte. In der
Sierra Simlone war es heiß, sehr heiß sogar. Aber
so heiß wie in den letzten Tagen habe ich es auch hier noch
nicht erlebt. In der Mittagszeit erreichte das Thermometer durchaus
45 °C. An diesem Tag waren es sogar 47 °C. Nicht nur dass
ich diese Hitze kaum aushielt, meine jungen Maispflanzen taten
es erst recht nicht. Eigentlich hatte ich vorgehabt, Albert nach
dem letzten Zwischenfall nicht mehr um Hilfe zu bitten, aber ich
konnte nicht zulassen, dass meine gesamte Ernte einging. Ich führte
ihn aufs Feld und zeigte ihm ratlos den total ausgedörrten
Boden und die jungen Maispflanzen die schon begannen dahinzuwelken.
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Doch diesmal konnte selbst Albert mir nicht helfen. "Tut
mir leid, Oxana, aber so ist nun einmal die Sierra Simlone",
erklärte er mir gedrückt. "Solche Hitzeperioden
sind für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich. Deshalb
Pflanzen die meisten Farmer ihren Mais auch früher, sodass
er zu dieser Jahreszeit bereits ausgewachsen ist und ihm die Hitze
nicht mehr so viel ausmacht. Du kannst jetzt nur hoffen, dass
diese Hitzewelle nicht zu lange anhält. Lass die Pumpen am
besten die ganze Nacht laufen. Dadurch sinkt zwar dein Grundwasserspiegel
schneller, als er wieder nachgespeist wird, aber für ein
paar Tage solltest du das durchziehen können. Und ganz ehrlich,
länger als ein paar Tage hält dein Mais dieser Hitze
ohnehin nicht stand."
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Albert sah meinen deprimierten Blick. "Es gibt schlimmeres,
Oxana, ganz ehrlich", versuchte er mich aufzumuntern, doch
mit wenig Erfolg. Ich könnte meine gesamte erste Maisernte
verlieren. Wie viel schlimmer konnte es denn noch kommen? "Lass
uns heute Abend doch ausgehen", schlug Albert dann vor. "Du
kannst deine Mitbewohner mitbringen und ich komme mit Gerda. Das
wird dich auf andere Gedanken bringen. Na was sagst du?"
In meinem Kopf schrie eine Stimme ganz laut: "Nein! Nicht
nachdem was erst vor kurzen zwischen euch vorgefallen ist."
Aber ich überhörte sie einfach. Was sollte denn auch
schon passieren, wenn Gerda und die Jungs dabei waren?
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Doch als ich am Abend Roland fragte, sagte er mir überraschenderweise
ab. "Tut mir leid Oxana, aber heute Abend habe ich schon
was vor", erklärte er, während er im Spiegel noch
einmal überprüfte, ob seine Haare auch ordentlich anlagen.
"Brandys Eltern haben mich heute Abend zum Essen eingeladen
und da kann ich ja schlecht nein sagen. Ganz abgesehen davon,
dass ich das gar nicht will."
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Naja, dann halt nur Tristan und ich. Doch als ich ohne anzuklopfen
in sein Zimmer platzte, da erwischte ich ihn bei... einer anderen
Aktivität. Oh Gott, war mir das peinlich. Mein Kopf lief
knallrot an, insbesondere als ich Franks nicht ganz jugendfreie
Worte hörte, die absolut nicht an meine Ohren bestimmt waren.
Ich schloss die Tür ganz schnell wieder und hoffte, dass
die beiden mich nicht bemerkt hatten. Ich schätze, somit
war ich die einzige Bewohnerin der Simlane 10, die sich heute
mit Albert und Gerda in der Stadt treffen würde.
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Als ich im Longhorn Saloon auftauchte, saßen Albert und
Gerda bereits am Pokertisch. "Tristan und Roland hatten leider
schon was anderes vor", entschuldigte ich mich für die
fehlenden Jungs und setzte mich zu den beiden. "Ach, wir
werden auch zu dritt unseren Spaß haben", entgegnete
Gerda und spielte mir die Karten zu. "Der Mindesteinsatz
beträgt 50 Simolitos, wir wollen es schließlich nicht
übertreiben."
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Gerda scherzte viel herum und wir konnten endlich so richtig über
Letizia ablästern. Dabei entschuldigte sie sich mindestens
fünf Mal bei mir, dass ich diese Frau ertragen musste. Und
ich versicherte ihr mindestens fünf Mal, dass ich ihr gerne
geholfen hatte. Dass mein schlechtes Gewissen dabei eine nicht
zu verkennende Rolle gespielt hatte, verschwieg ich allerdings.
Zum Glück war der Spieleinsatz so gering, denn ich stellte
mich als grottenschlechte Spielerin heraus. Roland hatte mir mal
die Regeln erklärt, das war aber auch schon alles. Von Taktik
hatte ich nicht die geringste Ahnung. Allerdings schweifte mein
Blick auch immer wieder zu Albert ab. Und ich musste wieder daran
denken, wie wir uns fast geküsst hätten. Mein Herz fing
an schneller zu schlagen. Doch ein Blick auf seinen Ringfinger
rief mir wieder in Erinnerung, dass dieser Mann schon vergeben
war. Und selbst wenn nicht, ich wollte keinen Mann mehr. Nie wieder.
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Plötzlich trat Aron an unseren Tisch. "Frau Kappe, entschuldigen
sie die Störung", unterbrach er unser Spiel, "aber
wir haben einen Anruf für sie. Es ist ihre Tochter Miranda".
Gerda sah leicht verwirrt zu Albert, der aber zuckte nur mit den
Schultern. "Das Telefon steht hinten im Büro",
erklärte Aron und zeigte auf die Tür neben dem Tresen.
Gerda seufzte, legte ihre Karten zur Seite und machte sich auf
den Weg ins Hinterzimmer.
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Da Gerda ohnehin für eine Weile weg war, nutzte ich die Gelegenheit
um mich frisch zu machen. Es war immer noch unerträglich
heiß und kleine Schweißperlen bildeten sich überall
in meinem Gesicht, die ich lieber wegwischen wollte. Ich war noch
auf der Toilette, als Gerda wiederkam. "Es geht um Elvira",
klärte sie ihren Mann auf. "Sie will nicht aufhören
zu schreien und Miranda wird nicht mit ihr fertig. Wir sollten
lieber wieder nach Hause gehen". "Und Oxana einfach
allein lassen?", entgegnete Albert empört. "Das
ist das erste Mal seit Wochen, dass wir wieder mal aus dem Haus
kommen. Ich hab keine Lust jetzt schon wieder zu unseren schreienden
Kindern zurückzukehren. Du kannst gerne gehen, aber ich bleibe
hier!", fuhr er sie im harschen Ton an. "Albert, bitte,
die Leute gucken schon", zischte Gerda zwischen zusammengekniffenen
Lippen und schaute unauffällig zu einigen Gästen hinüber,
welche die beiden tatsächlich beobachteten. Doch Albert winkte
nur ab. "Es ist mir egal, was die Leute denken. Und wie ich
schon sagte, ich bleibe noch hier!"
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Als ich wieder den Schankraum betrat, war Gerda bereits verschwunden.
"Wo ist sie denn?", erkundigte ich mich bei Albert,
während ich mich zu ihm an die Bar setzte. "Ach, sie
musste nach unserer Kleinsten sehen. Nichts Ernstes also. Ich
hoffe, wir beide können noch ein wenig länger um die
Häuser ziehen? Wie wäre es mit einem Cocktail?",
schlug Albert vor. Wieder hörte ich dies leise Stimme in
meinem Kopf die "Nein" schrie, doch erneut überhörte
ich sie und antwortete, "Ja, gerne", stattdessen.
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"Einen Long Island Ice Tea, bitte", gab ich meine Bestellung
bei Aron ab. "Ich hätte gar nicht erwartet, dass du
so etwas Starkes trinkst". Albert warf mir einen anerkennenden
Blick zu. "Für mich einen einfachen Scotch", fügte
er dann an Aron gewandt hinzu und kurze Zeit später standen
zwei eisgekühlten Drinks vor uns. "Auf eine weitere
gute Zusammenarbeit", prostete Albert mir zu und dem konnte
ich nur zustimmen. Ich schlürfte gerade meinen zweiten Ice
Tea, als Albert begann ein Melodie zu pfeifen und plötzlich
verspürte ich den unstillbaren Drang zu tanzen. "Komm
Albert, lass uns rüber in den Club gehen und ein wenig abtanzen",
schlug ich deshalb spontan vor. "OK", war Alberts einzige
Reaktion und schon war er dabei aufzustehen. Ich kippte das letzte
Drittel meines LI-Ice Teas auf Ex herunter und stand dann ebenfalls
auf. Zwar musste ich mich ein wenig an der Theke abstützen,
weil sich plötzlich alles drehte, aber das gab sich nach
einem kurzen Moment wieder. Zumindest nahezu.
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