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Doch Dominik blieb mein geringstes Problem. Ungeduldig saß
ich in der Arztpraxis von Sierra Simlone Stadt. Wir hatten hier
zwar keinen wirklichen Arzt, aber eine Landschwester, die den
Bewohner der Gegend die notwendigste medizinische Versorgung gewährleistete.
Erkrankte man ernsthaft, dann musste man in eine der Kliniken
nach SimVegas oder nach Seda Azul. Doch mir fehlte nicht wirklich
etwas, obwohl, eigentlich schon. Meine Tage waren nun fast eine
Woche überfällig. Und als ich mit Albert geschlafen
hatte...wir haben nicht verhütet.
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Die Tür des Behandlungszimmers öffnete sich und eine
junge Frau mit einem dicken Babybauch verließ den Raum.
Die Landschwester folgte ihr. "Wir sehen uns dann in einer
Woche wieder, Frau Fernandés", verabschiedete sie
sich von ihrer anderen Patientin. "So, Frau Brodlowska, Sie
sind die nächste. Kommen sie bitte herein." Mein Puls
schoss vor Aufregung in die Höhe, denn in wenigen Minuten
würde ich Gewissheit darüber haben, ob ich tatsächlich
schwanger war. Und tief im Inneren wusste ich genau, dass ich
in einigen Monaten ebenfalls solch einen dicken Bauch vor mir
hertragen würde.
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Ich folgte Schwester Chlora Mphenikohl in das Behandlungszimmer
und nahm Platz auf dem Stuhl vor ihrem Schreibtisch. "Meine
Menstruationsblutung ist nun schon seit sechs Tagen überfällig",
erklärte ich ihr, als sie mich aufforderte ihr den Grund
für meinen Besuch zu erklären. "Nun, das ist bei
einer jungen Frau wie ihnen noch nicht ungewöhnlich",
entgegnete sie. "Stehen sie zurzeit unter außergewöhnlichem
Stress?". Ich musste nicken, denn es belastete mich sehr,
dass ich mit Albert geschlafen hatte. Aber ich befürchtete,
dass es nicht so einfach war. "Ich hatte vor etwa zwei Wochen
ungeschützten Verkehr", erklärte ich mit hochrotem
Kopf und Schwester Mphenikohl verstand sofort.
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Sie ging hinüber zum Medizinschränkchen und holte ein
längliches Packet: Einen Schwangerschaftsschnelltest. Auf
dem Rückweg ging sie noch zu einem anderen Schrank und holte
einen Plastikbecher, den sie mit meinem Namen beschriftete. "In
dieser Praxis habe ich nicht allzu viele Möglichkeiten. Sie
können den Schwangerschaftsschnelltest drüben auf der
Toilette durchführen", sie zeigte auf die Tür neben
dem Raumteiler, gab mir das Päckchen und erklärte mir
kurz die Anwendung. Dann gab sie mir noch den Plastikbecher. "Ich
benötige auch noch eine Urinprobe von Ihnen. Die schicke
ich dann an das Labor in SimVegas, damit wir ein eindeutiges Ergebnis
erhalten."
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Ich verschwand im anliegenden Waschraum und folgte den Anweisungen
von Schwester Mphenikohl. Als ich zurückkam stellte ich den
Plastikbecher und den Schwangerschaftstest vor sie auf den Schreibtisch.
Und dann hieß es warten, bis das Ergebnis sichtbar wurde.
Ich versuchte nicht unentwegt auf den Test zu starren und betrachtete
die Anatomie-Grafiken an den Wänden, während die Landschwester
meine Urinprobe für den Transport an das Labor in SimVegas
vorbereitete.
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Als sie sich wieder setzte, warf sie einen kurzen Blick auf den
Test. "Das Ergebnis ist da, Frau Brodlowska", verkündete
Sie. Sie zeigte mir den Test und begann dann zu erklären:
"Im Testfeld sind zwei Streifen zu sehen. Der erste zeigt
an, dass der Test erfolgreich verlaufen ist. Und der zweite Streifen
ist das Ergebnis. Herzlichen Glückwunsch, Frau Brodlowska,
Sie sind schwanger." Ich starte bekümmert den Teststreifen
an. "Wie...wie sicher ist ein solcher Schnelltest?".
"Heutzutage sehr sicher", antwortete Schwester Mphenikohl
und bestätigte damit meine Befürchtung. "Aber das
Laborergebnis liefert dann das endgültige Resultat."
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Sie versprach mich anzurufen, sobald das Ergebnis eingetroffen
sei. Doch das brauchte sie im Grunde gar nicht. Ich wusste, dass
auch das Laborergebnis meine Schwangerschaft bestätigen würde.
Wie betäubt verließ ich die Praxis und setzte mich
in mein Auto, das vor dem Gebäude parkte. Doch anstatt loszufahren
blieb ich einfach darin sitzen. Ich würde ein Kind bekommen!
Von Albert, einem verheirateten Mann, der selbst schon Vater von
vier Kindern war. Und alles nur, weil ich nicht stark genug war.
Weil ich nicht genug Kraft aufgebracht hatte, ihm zu widerstehen.
Ich wollte weinen, doch meine Augen blieben so trocken wie die
Wüste.
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Ich war schwanger! Das war aber auch das einzige in meinem Leben,
das sicher war. Alles andere brach gerade wie ein Kartenhaus in
sich zusammen. Als ich nach stundenlangem Umherfahren Zuhause
ankam und einen Blick auf die Eidechsen warf, die sich an unserem
Teich herumtrieben, wünschte ich mir fast, eine von ihnen
zu sein. Die mussten sich nicht mit solchen Problemen herumschlagen.
Ihr Leben war einfach. Als ich weiter in Richtung Veranda ging,
bemerkte ich plötzlich eine Gestalt, die auf der Bank vor
dem Haus saß: Es war Benny!
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Vorsichtig ging ich weiter auf das Haus zu. Als Benny mich sah,
sprang er sofort von der Bank auf und kam auf mich zugeeilt. Seitdem
wir uns getrennt hatten, habe ich ihn nur ein paarmal gesehen
und kaum ein Wort mit ihm gewechselt. Er hatte noch einmal versucht
mich um eine zweite Chance zu bitten und es noch einmal mit ihm
zu versuchen, doch ich hatte ihn abgewiesen. Auf einmal sank er
vor mir auf die Knie und meine Augen weiteten sich entsetzt, weil
ich das schlimmste befürchtete. Wollte Benny mir etwa einen
Antrag machen. Doch glücklicherweise begann er nur zu singen
und legte mir seine Gefühle mit einem eigens für mich
komponierten Lied dar. Erleichtert musste ich lächeln, doch
leider deutete Benny dieses falsch. "Ich wusste, dass du
mich noch liebst!", brachte er überglücklich hervor.
"Mein Bruder hatte recht, dass ich um dich kämpfen soll".
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Mit einem Mal entlud sich der gesamte Frust, der sich in den letzten
Tagen und heute ganz besonders in mir angestaut hatte. "Mein
Gott, Benny, wann kapierst du es endlich, dass ich nichts mehr
von dir will?", schrie ich ihn an. "Lass mich endlich
in Ruhe! Hast du das verstanden. Ich bin schwanger!", wütend
deutete ich auf meinen Bauch, der noch nicht das geringste Anzeichen
einer Schwangerschaft zeigte. Und um jedes Missverständnis
aus dem Weg zu räumen fuhr ich genau so aufgebracht fort:
"Und das Kind ist auf keinen Fall von dir! Ich hab einen
anderen Kerl und erwarte ein Kind von ihm, also hau ab!"
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Jetzt konnte ich sehen, wie auch Bennys Welt wie ein Kartenhaus
in sich zusammenfiel. Er sah mich nur entsetzt an. Nein, eher
enttäuscht, wie ein kleines Kind, dem man gerade erklärt
hat, dass es den Weihnachtsmann nicht gibt. Er begann zu zittern
und raufte sich hilflos die Haare, darum bemüht, irgendetwas
zu erwidern. In diesem Moment wurde auch mir klar, wie sehr ich
ihn mit meinen Worten verletzt hatte. Und das Schlimmste war,
dass ich es mit voller Absicht getan hatte, nur damit es ihm genau
so schlecht ging, wie mir. Wenn ich gekonnt hätte, dann hätte
ich die Zeit zurückgedreht. Doch die Worte waren gesagt und
ließen sich nicht mehr rückgängig machen. Ohne
ein weiteres Wort drängte ich mich an ihm vorbei und lief
in das Haus.
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Ich wollte nicht, dass er meine Tränen sah, die unaufhaltsam
meine Augen füllten. Ich ging auf direkt Weg in mein Zimmer,
um Roland und Tristan nicht über den Weg zu laufen. Und als
die Zimmertür hinter mir ins Schloss fiel, konnte ich nicht
mehr länger stark bleiben und begann zu weinen. Ich hatte
Gerda hintergangen, Albert zum Ehebruch verleitet, ich hatte Benny
zutiefst verletzt, vielleicht war ich daran schuld, wenn die Familie
von vier unschuldigen Kindern zerbrach. Miranda hatte Recht gehabt;
ich war eine Schlampe. Und in weniger als neun Monaten würde
ich ein Kind zur Welt bringen. Ein Kind ohne Vater, ein Kind,
das Fragen bei meinen Nachbarn aufwerfen würde.
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In der Nacht bekam ich kaum ein Auge zu. Erst gegen Morgen viel
ich in einen unruhigen Schlaf, der mir kaum Erholung brachte.
Ich war immer noch genauso verwirrt, wie am gestrigen Tag. Ich
brauchte jemanden, der mich führte und mir sagte, was ich
tun sollte. Oder wenigstens jemanden, dem ich alles anvertrauen
konnte. Doch in Sierra Simlone Stadt gab es niemanden, dem ich
so sehr vertraute, um ihm zu offenbaren, was passiert war. Nicht
einmal Roland. Aber es gab jemanden in SimCity, zu dem seit meiner
Geburt ein unzertrennliches Band bestand. Ich nahm mein Handy
und wählte die Nummer. "Joa, ich bin schwanger",
begann ich das Gespräch mit meiner Zwillingsschwester.
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Joanna hört einfach nur zu, während ich ihr alles erzählte
und unterbrach mich kein einziges Mal. "Und jetzt weiß
ich nicht, was ich tun soll", endete ich mit meiner Geschichte.
Joanna überlegte eine Weile, bis sie mir antwortete. "Hast
du schon daran gedacht, das Baby...abtreiben zu lasse?" Dem
Klang ihrer Stimme konnte ich anhören, dass ihr dieser Vorschlag
nicht leicht fiel, aber er war ernst gemeint. Und tatsächlich
hatte ich schon selbst daran gedacht. "Das kann ich nicht
machen", antwortete ich schließlich. "Ich kann
eine Sünde nicht durch eine zweite wieder wett machen. Ich
habe gegen das 6. Gebot verstoßen. Soll ich etwa noch das
5. brechen. Nein, ich kann dieses unschuldige Baby nicht für
meine Fehler büßen lassen." Ich spürte, dass
Joanna das etwas anders sah, aber sie versuchte nicht weiter auf
mich einzureden. Stattdessen sucht sie nach weiteren Lösungsmöglichkeiten.
"Und du kannst es dem Vater des Kindes nicht sagen, diesem
Albert? Vielleicht kann er dir zur Seite stehen."
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"Nein", erwiderte ich schwach. "Albert darf es
nie erfahren. Ich könnte es nicht ertragen, wenn wegen mir
seine Ehe auseinanderbricht. Das kann ich Gerda und seinen Kindern
nicht antun. Du weiß doch selber, wie das ist, wenn man
erfährt, dass der eigene Vater fremd gegangen ist. Ich wünschte,
ich hätte das nie erfahren". Ich musste tief Schlucken,
da die Erinnerungen aus meiner Kindheit mich härter trafen
als erwartet. Aber Joanna verstand mich nur zu gut. "Die
Leute werden anfangen zu reden, Oxana", erinnerte sie mich
an eine Tatsache, die mir selbst schmerzlich bewusst war. Gerade
in einer Kleinstadt wie Sierra Simlone Stadt redeten die Leute
viel, das hatte ich schon zu genüge erfahren müssen.
"Du hast also zwei Möglichkeiten, Schwesterherz. Du
kannst von dort weggehen, wo auch immer du bist und noch einmal
von vorne Anfangen. Du könntest zurück nach Hause kommen".
Ich hörte heraus, wie sehr sie sich wünschte, dass ich
genau dies tat, doch ihr war ebenso wie mir klar, dass ich das
nicht könnte. Dad würde mir nie verzeihen und ich ihm
genauso wenig. Also blieb mir nur ihr zweiter Vorschlag.
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Als ich mein Haus verließ, war ich noch wild entschlossen.
Doch mit jedem Schritt, der mich näher an das türkis
verklinkerte Haus auf der gegenüberliegenden Straßenseite
brachte, wurde ich unsicherer. Vielleicht wäre ich sogar
wieder umgekehrt, wenn Dominik mich nicht durch die Glastür
hindurch bemerkt hätte und sie öffnete. "Brodlowska?
Du hier?" Er wirkte tatsächlich überrascht, mich
zu sehen, allerdings auf seine typische schelmische Art. Nervös
ballte ich meine Fäuste zusammen und hohle tief Luft. Jetzt
gab es kein Zurück mehr.
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"Bist du allein?", fragte ich und mein Herz raste. Dominik
sah mich noch immer neugierig an. "Ja. Warum?". Doch
eine Antwort erhielt er von mir nicht. Zumindest keine gesprochene.
Stattdessen warf ich mich ihm und den Hals und begann ihn zu küssen.
Dominik taumelte einige Schritte nach hinten, aber seine Hände
hielten mich umklammert und zogen mich mit. Und auch wenn ihn
meine Aktion sichtlich überrumpelt hatte, dauerte es nur
den Bruchteil einer Sekunde, bis er realisierte, was gerade geschah
und er meinen Kuss genau so intensiv erwiderte.
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Dominik wollte irgendetwas sagen, doch das ließ ich gar
nicht erst zu und brachte ihn mit meinen Küssen zum Schweigen.
Und dann griff ich sein Shirt und schob es hoch. Dominik verstand
sofort, was ich wollte und zog es hastig über seinen Kopf
und warf es achtlos auf den Boden nur um mich weiter küssen
zu können. "Die Couch", flüsterte ich ihm
ins Ohr und eng umschlungen stolperten wir in diese Richtung.
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