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Der Club war fast menschenleer, aber das war nicht ungewöhnlich mitten in der Woche. So hatten wir wenigstens Platz auf der Tanzfläche. Also schnappte ich mir kurzentschlossen Alberts Hand und zog ihn hinter mir her zum Tanzbereich. "Wollen wir nicht vorher noch einen Drink bestellen", versuchte er mir zu entkommen, doch das hatte überhaupt keinen Sinn. Ich fing an, mich im Takt der Musik zu bewegen und auch Albert verlagerte sein Gewicht vom einen Fuß auf den anderen und deutete somit zumindest so etwas wie einen Tanz an. Doch je länger wir tanzten, desto mehr fand er seinen Rhythmus. Und plötzlich spürte ich seine Knie zwischen meinen Beinen, sah, wie Albert seinen Oberkörper im Einklang mit der Musik nach hinten lehnte und sein Becken kreisen ließ. Und ich ging darauf ein. Ich ließ mein Becken kreisen und sank langsam auf seinen Oberschenkel. Dabei fuhr ich mit meinen Fingern durch meine nassgeschwitztes Haar.


Im Club war es glühend heiß, insbesondere unter den Scheinwerfern. Meine gesamte Haut war schweißnass, sogar mein Shirt war schon durchnässt. Und Albert erging es nicht anders. Der Schweiß tropfte von seiner Schläfe. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr genug Luft zu bekommen und atmete durch den Mund, statt durch die Nase. Inzwischen tanzten wir in unserem eigenen Rhythmus. Langsamer...näher beieinander. Albert schaute ununterbrochen in meine Augen, als ob er so meine Gedanken lesen könnte. Ich wagte es kaum zu zwinkern. Meine Hände streichelten unentwegt seine starken Oberarme und unsere Becken kreisten gemeinsam. Alberts Hände glitten über meinen Rücken, meine Hüften, meine Po...


Ich drehte mich um, tanzte nun mit dem Rücken zu ihm gewandt. Seine Hände glitten über meine Oberschenkel, meinen Bauch. Er hielt mich fest in seinem Griff. Ich spürte seinen kratzigen Bart an meiner Wange. Plötzlich schob er meine Haare zur Seite und seine Lippen berührten vorsichtig meinen nun freigelegten Hals. Ein Schauer durchfuhr meinen Körper und ich stöhnte leise. Dann drehte er mich zu sich herum, hielt mich immer noch fest und dann fühlte ich seine warmen Lippen auf meinen. Mein Atem setzte aus und meine Augen schlossen sich ganz von alleine. Ich spürte seinen Atem, schmeckte das Salz auf seinen Lippen, fühlte, wie seine Zunge sanft meine Lippen berührte und nur auf meine wartete. Und sie musste nicht lange warten.

 

 


Als ich meine Augen aufschlug, war es bereits hell in meinem Zimmer. Durch den Vorhang hindurch konnte ich die aufgehende Sonne erkennen und ich musste blinzeln, um nicht geblendet zu werden. Wann hatte ich überhaupt die Vorhänge zugezogen? Und Wie war ich nach Hause gekommen? Ich hatte einen Filmriss. Und so etwas war mir noch nie zuvor passiert. Dabei hatte ich nicht einmal viel getrunken. An den zwei Long Island Iceteas wird es wohl nicht gelegen haben? Ich richtete mich mühsam auf und in meinem Kopf begann es leicht zu hämmern. Plötzlich hörte ich ein Geräusch. Ein leises Schnarchen. Erschrocken schaute ich auf die andere Betthälfte und konnte einen blonden Haarschopf sehen. Alberts Haarschopf!


Wir hatten doch nicht etwa...? Doch natürlich hatten wir. Ich saß nur in meiner Unterwäsche bekleidet im Bett und merkte, dass mein BH nicht einmal richtig verschlossen war. Mein Blick schweifte über den Zimmerboden und ich konnte unschwer Alberts und meine Klamotten erkennen, die überall verstreut herumlagen. Alberts Unterwäsche war auch darunter. Albert schnaufte und drehte sich auf die andere Seite, aber er schlief weiter tief und fest. Er sah so friedlich aus. Die Erinnerung an den Club kehrte wieder. Unser eng umschlungenes Tanzen...unser Kuss. Ich setzte mich auf die Bettkante und starte vor mich hin. Ja, wir hatten miteinander geschlafen, daran bestand kein Zweifel. Aber wie konnte ich es nur so weit kommen lassen?


Doch ich blieb erstaunlich ruhig. Statt durchzudrehen, setzte ich mich in den Sessel gegenüber von meinem Bett und beobachtete Albert. Dabei dachte ich an nichts Bewusstes. Es verstrich einige Zeit bis Albert sich zu rühren begann. Verschlafen blickte er sich im Zimmer um, bis er mich entdeckte. "Guten Morgen, meine Prärieblume". Er lächelte mich an, doch mein Gesicht blieb ausdruckslos. Also stieg er aus dem Bett und kam hüllenlos auf mich zu. Er wollte meine Wange streicheln, doch ich wich ihm aus und richtete mich auf. "Das hätte niemals passieren dürfen", sagte ich ganz direkt. "Wir hätten niemals miteinander schlafen dürfen. Was willst du deiner Frau sagen? Was soll ich ihr...."


"Psss". Sein Finger auf meinen Lippen ließ mich verstummen. "Darum wollen wir uns jetzt keine Gedanken machen". Ich wollte protestieren, doch als seine Lippen mich berührten, schwand meine Entschlossenheit. Mit Leichtigkeit hob Albert mich hoch und legte mich zurück aufs Bett. Ich zeigte nicht den geringsten Wiederstand. Als er sich über mich beugte und ich in seine vor Lust glänzenden Augen blickte, kehrte die Erinnerung an letzte Nacht vollständig wieder. Die Erinnerung an seine rauen Hände, die wie Sandpapier über meine weiche Haut glitten, seine Entschlossenheit, die es mir erlaubte, mich einfach fallen zu lassen. Und so war es auch dieses Mal. Ich ließ mich fallen und gab mich Albert voll und ganz hin.


Erschöpft schlief er wieder ein. Ich schmiegte mich dicht an seinen Rücken und liebkoste ihn mit zarten Küssen und genoss es, ihn so nah bei mir zu spüren und den Duft seines Körpers wahrzunehmen. Ich wollte diesen Moment für immer festhalten und nicht an die Zukunft denken. All die Probleme, die auf mich zurasten, waren mir egal. Zumindest für den Augenblick und glücklich fiel auch ich in einen leichten Schlaf.

 

 


Doch viel zu schnell war dieser Augenblick vorbei. Als ich aufwachte, konnte ich all die Fragen, die sich mir aufdrängten nicht mehr wegschieben. Ich schnappte mir meine Sachen und verschwand im Badezimmer. Albert schlief immer noch tief und fest. Nachdem ich mich vergewissert hatte, dass Tristan und Roland bereits bei der Arbeit waren, weckte ich ihn. Und während er unter die Dusche ging, bereitete ich ein Frühstück vor. Wenn ich gleich schon mit ihm reden musste, dann wollte ich wenigstens satt sein.


Ich saß bereits am Tisch, als Albert aus dem Bad kam. Der Teller für ihn stand am gegenüberliegenden Tischende, so weit entfernt von mir, wie es nur ging. Ich wollte nicht noch einmal riskieren, dass die körperliche Nähe zu ihm, mich zu etwas verleitete, wovon ich wusste, dass es falsch war. Aber schon allein bei seinem Anblick, fiel es mir schwer, ihm nicht um den Hals zu fallen. Albert setzte sich ohne zu widersprechen auf den Platz, den ich für ihn vorgesehen hatte. Schweigend begannen wir zu essen.


Ich hoffte, dass er irgendetwas sagen würde, doch als Albert stumm blieb, musste ich beginnen. "Das heute Nacht war..." "Schön?", unterbrach er mich und blickte mich dabei eindringlich an. "Eine einmalige Sache", erwiderte ich. Ein trauriges Lächeln zeichnete sich auf seinen Lippen ab und er aß weiter von seinem Pfannkuchen. "Du bist verheiratet, da spielt es keine Rolle, ob es schön war. Zu Hause warten eine Frau und vier Kinder auf dich. Es kann nichts anderes sein, als eine einmalige Sache, verstehst du?"


Albert nickte stumm. "Gerda...sie darf davon nicht erfahren", sprach ich weiter. Wieder nickte Albert. "Von mir wird sie nichts erfahren. Du hast es ja selbst gesagt, es war eine einmalige Sache. Ein Ausrutscher. Es gibt nichts was sie wissen müsste." Seltsamerweise fühlte ich mich nicht erleichtert. Im Gegenteil. "Was...was wirst du ihr erzählen, wo du warst...heute Nacht?". "Ich habe zu viel getrunken und hab bei dir auf der Coach übernachtet, um die Kleinen nicht zu wecken", antwortete er. "Das ist so nah an der Wahrheit, dass sie nicht misstrauisch wird."


Mehr gab es nicht zu sagen. Albert aß auf, nahm seinen Hut und ging dann zu Tür. Ich begleitete ihn. Er wollte schon fast hinausgehen, als er sich umdrehte und meine Hand faste. Ich konnte an seinem Blick erkennen, dass er wollte, dass ich ihn aufhielt. Und ich wollte es so sehr, aber ich durfte nicht. "Es war eine einmalige Sache", wiederholte ich leise und eine einzelne Träne lief meine Wange hinunter. Er setzte zum Sprechen an, doch dann seufzte er nur schwer und verließ mein Haus.

 

 


Erst als Albert weg war, wurde mir so richtig bewusst, was ich eigentlich getan hatte. Ich hatte gegen das zehnte Gebot verstoßen, als ich mit dem Mann einer Anderen schlief. Und was noch viel schlimmer war, ich hatte Albert dazu verleitet gegen das sechste Gebot zu verstoßen und Ehebruch zu begehen. Ich fühlte mich so schuldig. Ich konnte an nichts anderes mehr denken, als an die Sünden, die ich begangen hatte. Egal ob ich draußen auf den Feld und bei den Rindern oder ob ich Zuhause war, immer musste ich an Albert und an unser Vergehen denken. Einzig in der Kirche fand ich ein wenig Ruhe, wenn ich mich in das Gebet vertiefte und meine Sünden bereute. Doch es half nur für einen kurzen Moment, denn ich wusste, dass ich Gerda gegenüber nicht ehrlich sein durfte. Auch wenn es mir vielleicht eine Last von der Seele nehmen würde, es würde ihr Leben zerstören.


Doch ich versuchte es jeden Tag aufs Neue. Wenn ich nur stark genug bereute, dann würde Gott mir verzeihen...aber vielleicht lag ja genau da das Problem. Vielleicht bereute ich nicht genug? Ich war so in mein Gebet vertieft, dass ich nicht bemerkte, wie sich eine Gestalt direkt vor mich stellte. Als ich meine Augen öffnete und Dominik erblickte, zuckte ich vor Schreck zurück. Er grinste wieder einmal. "Irgendetwas muss mit meinem Telefonanschluss nicht stimmen. Denn anders kann ich es mir nicht erklären, dass du nicht pausenlos bei mir anrufst, Brodlowska". Oh, nicht diese Leier schon wieder. Wie oft sollte ich diesem Typen noch erklären, dass ich nichts von ihm wollte?


"Kann es nicht auch sein, dass ich einfach nichts von dir will? ", fragte ich genervt. "Unwahrscheinlich", antwortete er unverschämt. "Komm schon, Brodlowska, gib zu, dass du mich anziehend findest." Nein, das fand ich nicht. Er ging mir einfach nur auf die Nerven mit seiner überheblichen Art. "Verfolgst du mich etwa?", fragte ich weiter und unglaublicherweise gab er es sogar zu. "Anders bekomme ich dich doch gar nicht zu Gesicht. Wir hatten doch letztens viel Spaß beim Billard. Lass uns das wiederholen, dann merkst auch du irgendwann, dass ich unwiderstehlich bin".


"Lass mich einfach in Ruhe, Dominik", entgegnete ich ihm. "Wir sind hier in einem Gotteshaus und ich möchte jetzt alleine sein. Wenn ich dich wirklich so unwiderstehlich fände, dann hättest du das schon bemerkt. Und sollte sich an meiner Einstellung zu dir irgendetwas ändern, dann lass ich es dich wissen. Aber an deiner Stelle würde ich nicht darauf warten." Zum ersten Mal sah ich, wie Dominiks unendliche Selbstsicherheit schwand. "Gut, dann lasse ich dich jetzt allein". Er schob sich an mir vorbei und schritt auf das Kirchenportal zu. Doch dann drehte er sich noch einmal um. "Ich werde trotzdem auf dich warten, Brodlowska. Ich glaube, dass könnte sich lohnen. Für mich und für dich". Und schon war seine Überheblichkeit zurückgekehrt. Frustrier ließ ich mich wieder auf die Bank fallen. Würde ich denn diesen Kerl niemals mehr los werden?

 

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kor. 04.07.2010