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Allerdings hatte ich ihn nie gezwungen mir zu helfen. Natürlich
war ich sehr froh gewesen, als Tristan und er zugestimmt hatten
mir mit der Farm zu helfen und ihre Jobs aufzugeben. Ich hätte
mich ohne die beiden nie dazu entschlossen, die Forderungen der
Farmervereinigung zu erfüllen. Aber es war ihre Entscheidung
gewesen. Und jetzt konnte ich erkennen, dass beide diese Entscheidung
bereuten. Tristan hatte es geschafft, sich aus der Affäre
zu ziehen, und ich konnte sehen, dass Roland dasselbe wollte.
"Was ist es denn für ein Job?", fragte ich resigniert.
Auch wenn ich nicht wollte, dass Roland eine andere Arbeit annahm,
ihm zum Bleiben zwingen konnte ich auch nicht.
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Rolands Gesicht hellte sich schlagartig auf und stolz verkündete
er: "Ich soll im Krankenhaus von Seda Azul anfangen. Als
Arzt!". Das war ja jetzt wohl ein schlechter Scherz. Warum
sollte das Krankenhaus von Seda Azul einem ehemaligen Bohrturmarbeiter
eine Stelle als Arzt anbieten. Roland bemerkte meinen skeptischen
Blick. "Ich habe Medizin studiert, Oxana", erklärte
er mir. "Ich bin ein echter Arzt, nur nach dem Studium wollte
ich erst einmal weg von meinen Eltern und etwas ganz anderes machen.
Aber Medizin ist das, was ich schon immer machen wollte und deshalb
fällt es mir so schwer, erneut das Angebot des Krankenhauses
abzulehnen".
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"Dann musst du diesen Job auch annehmen". Ich versuchte
mich für Roland zu freuen, doch ich konnte nicht. Also seufzte
ich und schnappte mir die Schaufel, um mich wieder an die Arbeit
zu machen und so wenig wie möglich darüber nachzudenken,
was für Konsequenzen es hatte, dass nun auch Roland nicht
mehr auf der Farm mithelfen konnte. "Hey, warte doch",
sagte Roland und legte mir von hinten die Hände auf die Schultern.
"Ich werde dich natürlich so gut es geht weiter bei
der Farmarbeit unterstützen. Wozu gibt es schließlich
Wochenenden und den Feierabend?". Ein Lächeln zeichnete
sich auf meinen Lippen ab. Vielleicht hatte Roland ja Recht und
ich würde das schon irgendwie hinbekommen.
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Noch am gleichen Tag rief Roland in dem Krankenhaus an und nahm
das Angebot an. Und so kam auch schon am Tag darauf eine Fahrgemeinschaft,
die Roland zu seinem neuen Arbeitsplatz fahren sollte. Allein
der Wagen sah schon nach viel Geld aus und so tröstete ich
mich mit dem Gedanken, dass ich gar nicht anders konnte, als Roland
diese Chance zu ermöglichen.
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Da Roland nun im Krankenhaus beschäftigt war, musste ich
Albert bitten, mir bei der Reparatur der Pumpe auf dem Maisfeld
zu helfen. Ich wartete bereits auf dem Feld, als sein Wagen auf
dem Feldweg hielt und er mit einer Werkzeugkiste in der Hand auf
mich zuschritt. "Dann sehen wir uns die Pumpe mal an",
murmelte er vor sich hin und betrachtete die Maschine. Ich beobachtete
aufmerksam, wie er einige Schrauben löste und das Innenleben
der Mechanik untersuchte. Seine Hände waren schnell völlig
ölverschmiert. "Es liegt wohl am Zünder des Pumpenmotors",
stellt er schließlich fest. "Der sieht aus, als ob
er schon seit Jahren nicht mehr gewechselt worden wäre".
"Ist das was Schlimmes?", fragte ich, da ich von solchen
Dingen eigentlich überhaupt keine Ahnung hatte. "Nein,
keine Angst", beruhigte Albert mich. "Das ist nur eine
Kleinigkeit. Ich hab sogar ein passendes Ersatzteil hinten im
Wagen". Er ging rüber zu seinem Auto und holte den benötigten
Zünder aus einer Kiste auf der Ladefläche. Anschließend
wechselte er ihn mit wenigen Handgriffen aus.
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Als er fertig war, wischte er sich das Schmierfett an seiner Hose
ab. "Danke, dass du mir geholfen hast, Albert", bedankte
ich mich, "Wieder einmal. Ich werde dir den Zünder bezahlen
und auch deine Arbeit hier. Du musstest ja extra erst herfahren.
Schließlich kannst du nicht ständig umsonst für
mich arbeiten". Doch Albert winkte ab. "Das Geld für
den Zünder kannst du mir ruhig geben, aber es sind ohnehin
nur ein paar Simoleons. Aber ich will kein Geld dafür, dass
ich hergekommen bin, Oxana. Nicht zu dir."
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Albert sah mir in die Augen und plötzlich erfasste mich wieder
das Kribbeln, dass ich auch schon bei meiner Party gespürt
hatte, als Albert mich in seine starken Arme schloss. Er legte
seine Hand an meine Taille und schob mich zu sich heran und seine
Lippen kamen meinen immer näher. Ich stand wie angewurzelt
vor ihm.
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In letzter Sekunde drehte ich meinen Kopf zur Seite und zog mich
von ihm zurück. "Noch einmal vielen Dank für deine
Hilfe. Aber jetzt muss ich schnell zu den Rindern rübergehen",
verabschiedete ich mich hastig und machte mich auf direktem Weg
zur Herde. Albert blickte mir noch eine Weile hinterher, bevor
auch er in seinen Wagen stieg und davonfuhr.
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Ich sah kurz nach den Rindern, doch eigentlich war das gar nicht
nötig. Ich brauchte nur einen Vorwand um mich schnell von
Albert zu entfernen. Ich hätte ihn beinah geküsst! Wie
konnte es nur so weit kommen? Ich habe mir doch geschworen von
den Männern endgültig die Finger zu lassen. Dafür
hatte ich sogar Benny verlassen. Und jetzt hätte ich um Haaresbreit
Albert geküsst. Einen verheirateten Mann. Den Mann meiner
besten Freundin!
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Das Schlimmste war, dass ich mit niemandem darüber reden
konnte. Nicht einmal Roland konnte ich mich anvertrauen. Die Sache
war mir einfach zu unangenehm. Außerdem wollte ich nicht,
dass Gerda davon erfuhr, nur weil Roland sich zufällig verplapperte.
Und eigentlich war ja auch nichts passiert. Trotzdem ging ich
rüber in den alten Saloon und versuchte meinem angestauten
Frust beim Billard Luft zu machen.
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Ich war so in das Spiel vertieft, dass ich nicht bemerkte, dass
jemand an den Tisch trat und mich beobachtete. "Das wird
nichts, Brodlowska. Die Kugel kriegst du niemals rein". Dominiks
Stimme erschreckte mich so sehr, dass der Queue von der Kugel
abrutschte und ich es tatsächlich nicht schaffte, die geplante
Kugel in die Tasche zu stoßen. "Na, hab ich es nicht
gesagt?", grinste Dominik selbstzufrieden.
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"Jetzt zeige ich dir, wie ein echter Mann spielt". Er
schnappte sich einen Queue und stellte sich an den Tisch. Ich
zog mich gespannt zurück und beobachtete, wie er angeberisch
verschiedene Positionen ausprobierte und dabei vorgab, als ob
er die verschiedenen Einfall- und Ausfallwinkel der Kugeln mitberücksichtigen
würde. Der Typ hatte doch nicht die geringste Ahnung von
dem was er da tat. "Wenn ich die blaue Kugel in die mittlere
rechte Tasche versenke", schlug er prahlerisch vor, "dann
hast du die Ehre, die Gegenwart des großartigen Dominik
Blech bei einem Cocktail zu genießen. Abgemacht Brodlowska?"
"Abgemacht!", stimmte ich ohne groß zu überlegen
zu, denn das würde diesem Angeber nie gelingen.
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Doch dann geschah das Unfassbare. Dominik stieß die rote
Kugel an und ich hatte schon einen zurechtgelegten Spruch auf
den Lippen. Doch die rote Kugel prallte erst gegen die eine Bande
und dann mit Wucht gegen die zweite. Von da aus stieß sie
gegen die halbe, dunkelrote Kugel, die sich daraufhin in Bewegung
setzte und die schwarze Kugel schnitt. Diese bewegte sich wiederum
auf die blaue zu und schnitt diese ebenfalls. Und mit einer langsamen,
aber beständigen Bewegung rollte die blaue Kugel in die von
Dominik vorhergesagte Tasche. Ich starte sprachlos auf den Tisch.
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Grinsend geleitete er mich zur Bar. "Jetzt zieh doch nicht
so ein Gesicht, Brodlowska", forderte er mich auf. "Auch
wenn es kaum vorstellbar ist, dass du dich nicht darum reißen
könntest in meiner Gegenwart zu sein, du bekommst auch noch
einen gratis Drink dazu." Wir setzten uns an die Theke. "Lass
mich raten, worauf du so stehst", Dominik musterte mich einen
Moment lang und winkte dann die Bardame herüber. "Für
mich einen Zombie und für die grimmige Dame neben mir einen
Pina Colada", gab er die Bestellung auf.
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"Nein, für mich bitte einen Mai Tai", berichtigte
ich ihn. "Du kennst mich halt doch nicht so gut, wie du geglaubt
hast". Doch als der Cocktail dann vor mir stand bereute ich
die Bestellung. Dominik hatte vollkommen recht gehabt und ich
wollte einen Pina Colada. Aber ich konnte doch nicht zulassen,
dass dieser Kerl schon wieder Recht behielt. Also schluckte ich
wohl oder übel das Gebräu hinunter, das ich mir selbst
aufgebrockt hatte. Ich versuchte mir möglichst nichts anmerken
zu lassen, doch da Dominik ständig in sein Glas hinein grinste,
gelang mir das wohl nicht ganz so überzeugend. Aber wenigstens
gab er keinen seiner üblichen Kommentare dazu ab.
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Und erstaunlicherweise entpuppte sich Dominik als ein interessanter
Gesprächspartner, sobald man es geschafft hatte, seine ständigen
dummen Sprüche zu ignorieren. Und so blieb es nicht nur bei
dem einen Cocktail und diesmal konnte ich sogar tatsächlich
das nehmen, was ich wollte.
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"Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Brodlowska",
sagte Dominik beim Verlassen des Saloons. "Eher nicht, Dominik",
gestand ich ihm ehrlich, woraufhin er mich skeptisch, aber immer
noch von sich überzeugt ansah. "Ähm, das glaube
ich eher nicht", war schließlich seine Reaktion. "Keine
Frau kann mir widerstehen, auch du nicht. Du wirst sehen, in Null
Komma nichts bist du wieder bei mir". Da ich ihn inzwischen
etwas besser kannte, konnte ich über diesen Spruch sogar
lachen. Irgendwie kam es mir so vor, als ob man bei diesem Mann
mit allem rechnen musste.
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