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Ich hämmerte erneut gegen die Badezimmertür. "Letizia, beeil dich! Ich muss ganz dringend auf die Toilette!". Diese Frau war schon seit mindestens einer Stunde im Bad und so lief das hier jeden Tag, seitdem sie eingezogen war. Ich hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere und versuchte meine Blase zusammenzudrücken. "Wegen dir mache ich mir noch in die Hose!"


Doch von so etwas ließ Letizia sich nicht beirren. "Es dauert nun mal seine Zeit so unglaublisch gut auszusehen wie isch", antwortete sie seelenruhig. "Aber isch kann verstehen, dass jemand mit deine Aussehen das nischt nachvollziehen kann." Dann wurde es wieder ruhig und ich hörte nur noch das gelegentliche Plätschern des Badewassers durch die Tür hindurch.


Schließlich, nach weiteren 40 Minuten, öffnete sich die Tür und eine perfekt gestylte und erfrischte Letizia spazierte hinaus. Ich stürmte sofort auf die Toilette zu und befreite die Fluten, die sich in mir angestaut hatte. Erst da bemerkte ich, dass das Badezimmer einem Hochwassergebiet glich. Aus dem Hahn der Badewanne spritzte Wasser an einer Stelle heraus, aus der es eigentlich nicht herausspritzen sollte und eine Pfütze breitete sich immer weiter auf den Fliesen aus. Fassungslos über das Chaos, was Letizia hier angerichtet hatte drückte ich blind die Toilettenspülung und musste mit Schrecken beobachten, wie das Wasser plötzlich überschwappte, ohne das ich etwas dagegen unternehmen konnte. "Isch weiß gar nischt, warum du disch so aufregst", entgegnete Letizia als ich sie wütend auf das Chaos ansprach. "Das ist doch im 'Andumdrehen wieder sauber".


Tja, nur das Madame dazu in kleinster Weise beitragen würde. Sie wusste schließlich welchen Deppen sie für sich arbeiten lassen konnte. "Roland, mir ist passiert ein klein Ungeschick in die Badezimmer", spielte sie die unschuldige Jungfer in Not. "Die Wasser'ahn ist kaputt, aber isch bin viel zu schwach für die schwere Werkzeug. Isch brauche die 'Ilfe von eine große starke Mann." "Kein Problem, Letizia", antwortete Roland liebestrunken. "Ich werde das sofort für dich erledigen."


Und das tat er dann auch umgehend. Wahrscheinlich hätte ich Roland sogar selbst gebeten, den Wasserhahn und die verstopfte Toilette wieder zu reparieren, aber Letizia schaffte es auf diese Weise sich komplett vor der Arbeit zu drücken und das Aufwischen des Bodens blieb an mir hängen. Ich sehnte den Tag herbei, an dem diese Frau endlich aus Sierra Simlone Stadt verschwinden würde.


Doch bis es so weit war, hatte sie noch viele Gelegenheiten, mich zur Weißglut zu treiben.
Das Telefon klingelte und Letizia nahm ab. "Oxana? Nein, die ist nischt zu 'Ause. Und nein, isch kann ihr auch nischts ausrischten. Isch bin schließlisch nischt ihre Sekräterin".


Dann legte sie einfach auf und ich starte ungläubig das nun stumme Telefon an. Das war doch nicht zum aushalten. Da stand ich direkt neben ihr und dieses Monster behauptete einfach ich wäre nicht zu sprechen. Und dann lächelt sie mir auch noch unschuldig ins Gesicht, als ob ich nicht genau mitbekommen hätte, was sie da gerade getan hatte.


Ich versuchte meistens ruhig zu bleiben und diese Frau zu ignorieren so gut es ging. Aber manchmal ging sie einfach zu weit. "Warum hast du das gemacht Letizia?", schrie ich sie an. "Wäre es so schwer gewesen mir einfach den Hörer in die Hand zu drücken? Wäre das wirklich so viel verlangt? Argrrgh!". Doch eine Entschuldigung war von dieser Frau nicht zu erwarten. Stattdessen versuchte sie mir wieder einmal ein schlechtes Gewissen einzureden: "Isch bin als Gast in diese 'Aus gekommen und du meckerst immer nur rum an mein Ver'alten. Wenn du misch nicht 'ier 'aben möschtest, dann kann isch auch zurück gehen zu Gerda." Sie wusste genau, dass sie mich mit diesem Satz beruhigen konnte. Schließlich hatte ich Gerda mein Versprechen gegeben und ich hatte nicht vor, es zu brechen.

Das Schlimmste an ihr war aber, dass ich sie mehr als einmal dabei erwischte, wie sie versuchte Roland gegen mich aufzuwiegeln, indem sie ihm vorheulte, wie schlecht ich sie doch behandeln würde. Doch auch wenn Roland sich in letzter Zeit wie ein liebeskranker Welpe verhielt, so versuchte er wenigstens meinen Standpunkt zu verteidigen. Noch! Denn ich musste mit Schrecken feststellen, dass Letizias Einfluss auf ihn von Tag zu Tag wuchs.


Und plötzlich guckte Roland nicht mehr mit mir unsere Lieblingssoaps am Abend, sondern mit Letizia und anstatt sich von mir mit eine Kissenschlacht zu liefern, übernahm jetzt Letizia diese Aufgabe. Sie nahm mir einfach meinen besten Freund weg! Wütend stopfte ich das Chili con Carne in mich hinein und kaute stumm darauf herum. Vor wenigen Wochen war Roland noch unsterblich in mich verliebt gewesen und jetzt wackelt Letizia einmal mit dem Hintern vor seiner Nase und er hat mich vergessen. Männer!


Na, wenigstens hatte ich in Tristan einen verbündeten, der von Letizia mindestens genau so genervt war wie ich. Während sie mich bei jeder Gelegenheit auf die Palme brachte, ignorierte sie ihn einfach komplett. "Äh, Letizia, ich wollte mich gerade Duschen", stammelte er verlegen, als sie einfach ins Bad herein spazierte und sich ungeniert auf die Toilette setzte. "Oh, du bist auch 'ier?", tat sie überrascht, machte aber keine Anstallten wieder zu gehen. "Misch stört es über'aupt nischt, wenn du disch jetzt duscht. Du bist ja ohne'in keine rischtige Mann."


Daraufhin überließ er ihr einfach das Bad und setzte sich zu mir in die Küche. Letizia hatte es wieder einmal geschafft jemanden fertig zu machen. "Wie lange soll sie noch einmal hier bleiben?", fragte er mich bekümmert. "Langsam glaube ich, es wäre fast besser, wenn ich bei meinen drei homophoben Mitbewohnern geblieben wäre, als mit dieser Frau unter einem Dach zu leben." "Ende des Monats ist sie weg", antwortete ich ihm und zählte selbst schon die Tage, bis es so weit war.


Der Wüstenboden hinter dem Haus erwies sich erfreulicherweise als Letizia-Frei-Zone und so war es nicht verwunderlich, dass Tristan und ich plötzlich viel Zeit dort verbrachten. Gegen Abend war es dann sogar richtig angenehm sich den Abendwind um die Nase wehen zu lassen. "Ich brauche echt eine Auszeit von dieser Frau!", stöhnte Tristan entnervt und ich konnte ihm nur beipflichten. "Lass uns doch morgen einfach mal wegfahren", schlug er nach einer kurzen Gedankenpause vor und plötzlich lebte er richtig auf. "Lass uns ans Meer fahren! Nach Seda Azul, das sind doch gerade mal 70 Kilometer. Mit dem Taxi sind wir in knapp einer Stunde da und wir wären endlich Letizia los."

 

 


Das brauchte er mir nicht ein zweites Mal zu sagen. Und so fuhren wir beide gleich am nächsten Morgen mit dem Taxi Richtung Meer nach Seda Azul, einem kleinen Ferienort am Atlantischen Ozean. Unser Ziel war die hiesige Strandpromenade. "Ich hab übrigens noch einen Arbeitskollegen gefragt, ob er sich mit uns hier treffen will", erklärte Tristan kurz bevor das Taxi vor den schmucken kleinen Holzhäuschen zum stehen kam. "Ich hoffe das ist okay für dich. Ich glaube du kennst ihn sogar." Mir sollte es recht sein. Ich wollte nur weg von Letizia und die wird er ja wohl nicht eingeladen haben.


Nun gut, vielleicht hätte Tristan ja doch lieber Letizia einladen sollen, denn ich konnte es kaum glauben, als plötzlich Benny aus einem der Läden an der Promenade herausspaziert kam. Als er Tristan erspähte, kam er winkend auf ihn zu. Doch dann sah er mich und plötzlich verfinstert sich seine Miene. "Hast du das alles eingefädelt", blaffte er mich wütend an. "Ich hab dir doch klipp und klar erklärt, dass ich nichts mehr mit dir zu tun haben will!". Tristan starte uns nur verwundert an.


Ich versuchte Benny zu erklären, dass ich nicht geahnt habe, dass er auch kommen würde, doch er hörte gar nicht richtig zu. Stattdessen murmelte er etwas von "Ich rufe mir jetzt sofort ein Taxi" und marschierte rüber zur Telefonzelle. Doch Tristan lief ihm hinterher. "Warte, du kannst doch jetzt nicht einfach wieder abhauen, Benny. Ich hab dich eingeladen, Oxana hat damit nichts zu tun", erklärte er und schaute die Treppen hoch, wo ich wie versteinert das Gespräch verfolgte. "Ich hab keine Ahnung was zwischen Euch vorgefallen ist und es ist mir auch egal. Wir sind hier um Spaß zu haben, also stell dich nicht so an.


Benny wirkte zwar immer noch zerknirscht, aber er ließ sich von Tristan überreden doch mit uns gemeinsam den Tag zu verbringen. Plötzlich meldete sich auch mein Magen, also beschlossen wir erst einmal etwas zu Essen. Schlussendlich entschieden wir uns für ein kleines gemütliches Fischrestaurant mit Blick auf das Meer.


Die Jungs amüsierten sich dabei köstlich, indem sie sich ein Wettessen lieferten. Wären wir zu Hause, hätte ich auch sofort mitgemacht, aber in so einem feinen Laden war mir das doch ein wenig zu peinlich. Doch auch wenn Benny ganz locker mit Tristan umging, mir gegenüber verhielt er sich sehr verkrampft und andersherum erging es mir da auch nicht besser.


Ich weiß ja, nach dem Essen soll man eigentlich nicht ins Wasser, aber der Pool direkt am Stand war einfach zu verführerisch. Wobei ich schon befürchtet hatte, dass Tristans missglückter Hechtsprung, der in einem Bauchklatscher endete, böse Folgen haben könnte, insbesondere wenn ich daran zurückdachte, wie er seine Spaghetti di Mare in sich hineingestopft hatte.

 

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kor. 06.04.08