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Warum zeigst du mir das alles, Albert?", fragte ich ihn traurig. "In dem Brief stand doch, dass ich das Haus und somit auch das Land in drei Monaten ohnehin verlassen muss. Jetzt ist es also auch egal." "Ich hab mit der Farmervereinigung gesprochen", antwortete Albert. "Wenn du das Haus wirklich behalten möchtest, dann geben sie dir noch mal eine Chance. Du musst aber dieses Land bewirtschaften. Das ist die Bedingung." Er reichte mir ein Schreiben der Farmervereinigung. "Hier steht alles genau erklärt. Jetzt liegt es an dir zu entscheiden, was du möchtest. Ich weiß, dass es keine leichte Entscheidung ist."

 

 


"Auf meinen Wunsch hin, ließ Albert mich allein auf meinem Land zurück, von dem ich bis vor zwei Tagen noch nicht einmal geahnt hatte. Ich wusste, dass der Weg zurück nach Sierra Simlone Stadt lang war, aber ich brauchte die Zeit, um mir darüber klar zu werden, was ich wollte. Doch erst als ich auf mein kleines grünes Haus zukam, das hell erleuchtet in der kühlen Abendluft stand wurde mir bewusst, dass dies mein Zuhause war. Ich wollte hier bleiben, egal was ich dafür auch tun musste.


Als ich die Tür öffnete, konnte ich das fröhliche lachen von Roland und Tristan hören. Nein, ich wollte diese "Familie" um keinen Preis verlieren...nicht noch einmal. Als sie bemerkten, dass ich von meinem Treffen mit Albert zurück war, wurden sie augenblicklich still und warteten auf das, was ich ihnen zu sagen hatte. Schließlich ging es auch um ihre Zukunft. "Albert hat mir heute das Land gezeigt", begann ich zu erzählen. "Unser Land, was wir eigentlich als Pächter dieser Farm hätten bestellen müssen. Und Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Aber die Farmervereinigung lässt uns hier wohnen bleiben." Roland und Tristan rissen beide überrascht die Augen auf und ihre Gesichter hellten sich auf. Allerdings hatte ich noch nicht zu Ende gesprochen. "Aber wir müssen die Farm bestellen. Wir müssen nachweisen, dass wir mindesten zwei Drittel der Fläche landwirtschaftlich nutzen oder wir müssen die Farm in drei Monaten verlassen. So sind die Bedingungen."


Es herrschte betroffene Stille. "Wir haben doch überhaupt keine Ahnung, wie man das Land bewirtschaftet. Wie sollen wir das denn anstellen?", sprach Tristan den Gedanken aus, der uns alle beschäftigte und schaute abwechselnd zu mir und zu Roland herüber.


Da holte ich das Schreiben heraus, das Albert mir auf der Weide gegeben hatte und zeigte es den beiden. "Falls wir uns dazu entschließen sollten zu bleiben, werden wir für vier Wochen auf eine Farmschule in der Nähe von Ganado Alegro geschickt. Dort werden uns dann die notwendigsten Kenntnisse zum Bewirtschaften einer Farm in der Sierra Simlone vermittelt. Zudem würden wir einen günstigen Kredit von der Farmervereinigung erhalten um die ersten Jahre überstehen zu können."


"Ich weiß, dass ich euch zu nichts zwingen kann, aber ich möchte dieses Haus behalten. Ich möchte Sierra Simlone Stadt nicht mehr verlassen. Und ich glaube, wenn wir das gemeinsam angehen, dann werden wir das auch schaffen. Dann werden wir aus der "Grünspan Farm" wieder einen florierenden Agrarbetrieb machen. Ihr müsste euch nicht jetzt sofort entscheiden. Ich kann verstehen, dass ihr Zeit braucht, um alles genau abzuwägen. Aber ich würde mich sehr freuen, wenn ihr beide mich bei dieser Sache unterstützen würden, denn alleine werde ich es wahrscheinlich nicht schaffen."


Ich ging in mein Zimmer, aber dort hielt ich es nicht lange aus. Zum einen war da diese drückende Hitze im Raum, die erst in den frühen Morgenstunden erträglicher werden würde. Zum anderen machte ich mir aber viel zu viele Gedanken darüber, wie Roland und Tristan sich wohl entscheiden würden. Schließlich würde es für beide bedeute, ihren bisherigen Job aufzugeben. Ich musste mit jemanden reden, also rief ich Benny an, der versprach, sofort zu kommen. Ich setzte mich nach draußen auf die Bank vor dem Haus und wartete, bis mein Freund endlich mit dem Geländewagen vor unserem Haus hielt. Er begrüßte mich mit einem liebevollen Kuss und setzte sich zu mir. Ich erzählte ihm von dem Angebot der Farmervereinigung und von der schweren Entscheidung, die meine beiden Mitbewohner jetzt treffen mussten. "Mach dir keine Sorgen, Oxana", versuchte er mich zu beruhigen. "Ich bin mir sicher, dass alles gut wird. Und im schlimmsten Fall finden wir gemeinsam eine Lösung".


Ich war so dankbar dafür, Benny zu haben. In dieser Nacht fuhr er nicht wieder zurück auf die Ranch, auf der er angestellt war, sondern blieb bei mir. Trotz der Hitze schmiegte ich mich eng an seinen Körper, denn ich wollte jetzt ganz nah bei ihm sein. Und als ich so den angenehmen Duft seiner Haut einatmete und seinem gleichmäßigen Atmen lauschte, vergaß ich für einen Moment meine Sorgen und viel in einen tiefen, erholsamen Schlaf.

 

 


Doch als ich am Morgen die Augen aufschlug kreisten meine Gedanken sofort wieder um die Zukunft meines Zuhauses. Ich ging hastig in die Küche und fand Roland und Tristan bereits am Kückentisch sitzend vor. An meinem Platz stand ein duftendes Omelett und ich nahm mir auch vor es zu essen und die beiden nicht mit irgendwelchen Fragen unter Druck zu setzen. Sie würden mir ihre Entscheidung schon mitteilen, wenn sie sich entschlossen hätten. Aber schließlich konnte ich nicht länger warten. "Habt ihr es auch überlegt? Habt ihr entschieden, ob ihr mir beim Aufbau der Farm helfen wollt?" Ich schaute nervös vom einen zum anderen, bis Tristan sich zu Roland drehte und ihn ernst anblickte: "Willst du es ihr sagen oder soll ich?"


Roland begann zu sprechen: "Wir haben uns heute Nacht noch lange unterhalten, Oxana. Aber schließlich sind wir uns einig geworden". Meine innere Anspannung wurde immer unerträglicher, doch plötzlich wandelte sich Rolands starrer Gesichtsausdruck in ein warmes Lächeln. "Wir werden dir helfen, Oxana und dich bei allem unterstützen. Du kannst also auf uns beide zählen."


Ich war so glücklich diese Worte aus seinem Mund zu hören, dass die Tränen mir über die Wangen liefen. Ich ging auf Roland zu und umarmte ihn so fest ich konnte. "Danke, ich danke euch beiden so sehr", brachte ich schluchzend hervor und lächelte dabei auch Tristan zu, der etwas verlegen immer noch auf seinem Platz am Tisch saß.

 

 


Noch am gleichen Tag kündigten Roland und Tristan ihre Jobs und es schien so, als ob es beiden nicht sonderlich schwer fiele. Ich war den beiden unendlich dankbar, dass sie das für mich taten. Wir packten unsere Sachen und Albert holte uns am Abend ab, um uns auf die Farm zu bringen, wo wir die nächsten Wochen damit verbringen sollten, die Grundlagen der Landwirtschaft zu erlernen.


Im Inneren wurden wir bereits von Gretchen, der Hauswirtschafterin, erwartet. "Folgen Sie mir bitte", forderte sie uns auf und stieg die Treppen in den ersten Stock des Hauses hinauf. Dort schritten wir einen langen Gang entlang, bis wir zu einer weiteren engen Treppe kamen, die uns direkt unter das Dach führte. Die Luft dort oben war drückend heiß, aber ansonsten war der Dachboden aufgeräumt. "Hier werden sie die nächsten Wochen schlafen", erklärte Gretchen und zeigte auf die Betten in den Fensternischen. "Die Duschen befinden sich eine Etage tiefer direkt neben der Treppe. Abendessen gibt es um sechs, Frühstück um halb sechs. Das Mittagessen wird je nachdem wie es mit der Arbeit aussieht bereitet. Der Unterricht beginnt morgen um halb sieben. Seien sie also pünktlich." Nach dieser Auskunft verabschiedete sie sich knapp und stieg die Treppe wieder hinunter.


Roland ließ sich sofort auf eins der Betten fallen. "Die sind gar nicht mal so unbequem", bemerkte er, nachdem er es sich gemütlich gemacht hatte. Ich setzte mich auf einen Stuhl, der neben dem Bett stand, auf das Tristan sich gerade setzte und ließ den Raum auf mich wirken. "Nichts als Felder ringsherum", stellte Tristan enttäuscht bei einem Blick aus dem Fenster fest. "Ich glaube nicht, dass man hier abends irgendetwas unternehmen kann."


Den ganzen Abend wollten wir natürlich nicht in der stickigen Dachkammer verbringen, also stiegen wir hinunter und sahen uns auf dem Hof um. Direkt neben dem Haupthaus stand eine rote Scheune, die auch als Kuhstall genutzt wurde. Daneben befanden sich zwei hohe Silotürme. Ansonsten war da nur noch Mais. Mais, soweit das Auge reichte.


Mitten auf dem Hof stand ein alter, vertrockneter Baum. Das allein war nicht sonderlich interessant, denn solche Bäume fand man zuhauf in der Sierra Simlone. Was meine Aufmerksamkeit auf sich lenkte, war eine Schaukel, die sich sacht im Wind bewegte. Ich umfasste die Halteseile mit meiner Hand, senkte mich auf die Sitzfläche hinab und stieß mich leicht vom Boden ab. Der Ast über mir knartschte bedrohlich, aber er hielt. Und von der Schaukel aus beobachtete ich, wie die Sonne in einem Meer aus Mais versank.


Ich schlief erstaunlich gut in dieser Nacht. Vielleicht lag es daran, dass die Sorge über die Zukunft meines kleinen Hauses endlich von mir gefallen war. Das Krähen eines Hahnes kündigte schließlich den anbrechenden Tag und damit den Beginn unserer Ausbildung zum Landwirt an. Unter der erfrischenden Dusche wusch ich mir den Schweiß vom Körper und ging dann hinunter zur Veranda, wo Gretchen bereits das Frühstück serviert hatte und Roland und Tristan es sich schmecken ließen. Bis jetzt kam mir der Aufenthalt hier schon beinah wie Urlaub vor.


Nach dem Frühstück stand dann der Unterricht auf der Tagesordnung. Wir drei waren zurzeit die einzigen Schüler. Es war ein komisches Gefühl wieder die Schulbank drücken zu müssen. Nachdem ich SimCity verlassen musste, hatte ich auch die Schule abgebrochen und niemals mein Abitur gemacht. Aber ich war auch nie eine wirklich gute Schülerin gewesen. Ich blätterte in dem Lehrbuch, das auf meinem Tisch lag und betrachtete die bunten Abbildungen der Tier und Pflanzen, als ein Mann Ende vierzig den Klassenraum betrat.

 

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kor. 11.04.2008