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Und ich hörte auf den Rat der Nonne. Ich vertraute darauf, dass Gott mich leiten und dass sich am Ende alles zum Guten wenden würde. Und so vergingen die Jahre. Ich versuchte mir keine Schuld an Dads Tod zu geben und mit den Jahren wurde es immer einfacher. Und das Thema Heirat kam nie wieder auf. Dennoch versuchte ich meinem Kind eine gute Mutter und Dominik eine gute Partnerin zu sein. Und es schien mir zu gelingen. An Kingas fünften Geburtstag wirkten wir wie eine kleine glückliche Familie.


Es war nur eine kleine Feier im Kreis unserer ungewöhnlichen Wohngemeinschaft, die nun beinah schon sechs Jahre bestand. Lediglich Dominiks Vater Anan ließ es sich nicht nehmen selbst dabei zu sein, wenn seine Enkeltochter ihre Ehrentag feierte. "Mama, Opa guckt mal!", schrie sie aufgeregt. "Onkel Tristan hat ein Feuerwerk für mich angezündet!" Kinga hüpfte aufgeregt auf und ab und ihre Augen strahlten. Das Feuerwerk war wirklich hübsch anzuschauen und ich hatte selber nicht gewusst, dass Tristan eins geplant hatte.


Und Geschenke durften natürlich auch nicht fehlen. "So viel Geschenke!", staunte Constance. "Sind die wirklich alle für mich?", fragte Kinga mit großen Augen. "Hhm, lass mich mal überlegen", antwortete Tristan. "Wie viele Geburtstagskinder gibt es denn hier? Also ich sehe nur eins. Also würde ich vermuten, dass die wirklich alle für dich sind." Kinga kreischte vor Freude und ich beobachtete die Szene lächelnd aus dem Hintergrund. "Hilf mir alles nach drinnen zu tragen", forderte Kinga Constance auf. "Dann können wir gleich alles auspacken." Und schon waren die beiden Mädchen mit voll beladenen Armen im Haus verschwunden.


Und während Constance und Kinga sich im Haus vergnügten, feierten wir Erwachsenen unsere eigene Party draußen im Garten weiter, mit reichlich zu essen und selbstverständlich auch zu trinken. Nach ein paar Gläschen zog Roland mich dann zur Seite. "Brandi und ich werden diesen Sommer heiraten", kicherte er mir ins Ohr. "Du darfst es aber noch keinem verraten. Sie will es nämlich bei ihrem Geburtstag in zwei Wochen verkünden." Im ersten Moment war ich baff, doch dann freute ich mich unheimlich für Roland und umarmte meinen besten Freund. Wer hätte gedacht, dass die beiden noch heiraten würden. Nachdem Brandi von Constance erfuhr, hatten die beiden fast zwei Jahre nicht miteinander gesprochen und jetzt wollten sie heiraten.


Diese Geburtstagsparty war für alle ein voller Erfolg. Die Kinder hatten ihren Spaß und wir Erwachsenen auch. Und ich kannte jetzt ein kleines süßes Geheimnis, welches wirklich ein Grund zur Freude war.

 

 


"Und komm schnell wieder zurück. Kinga und ich vermissen dich jetzt schon." Dominik drückte mir zum Abschied einen dicken Kuss auf die Lippen. "Ich bin doch nur für ein paar Tage weg", entgegnete ich. "Außerdem ist das Seminar über Rinderzucht gleich in Ganado Alegro. Ich bin doch fast gar nicht von Zuhause weg." Dominik hob meinen Koffer auf die Ladefläche des Wagens während ich einstieg. "Wunder dich aber nicht, wenn bei deiner Rückkehr eine Horde wilder Frauen auf der Veranda lauert. So einen heißen Typ wie mich sollte man einfach nicht alleine lassen." Durch das geöffnete Fenster küsste ich ihn noch einmal zum Abschied und fuhr dann los.



Langsam wurde ich wach. Es war früher Morgen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen und die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster in das Motelzimmer und kitzelten mein Gesicht. Draußen hörte man noch nichts von dem geschäftigen Treiben, das gestern Abend herrschte. Das einzige Geräusch war das monotone Brummen der Klimaanlage, die dieses ansonsten eher schäbige Motel deutlich aufwertete. Ich hätte am liebsten weiter geschlafen, doch dann spürte ich, wie eine Hand verspielt meinen Rücken kitzelte.


"Guten Morgen, mein wildes Cowgirl", lächelte Albert mich an und ich lächelte überglücklich zurück. "Ich hoffe, du hast genauso gut geschlafen wie ich. Auch wenn die Nacht eher kurz war, aber daran bist du nicht ganz unschuldig." Ich nahm seine Hand und hielt sie fest umschlossen, denn ich hatte Angst, dass alles nur ein Träum war. Ich würde aufwachen und Albert würde nicht mehr neben mir liegen. Doch es war kein Traum, Albert Lag tatsächlich neben mir im Bett und drückte meine Hand.


"Halt mich einfach ganz fest. So sehr, dass es weh tut. Nur damit ich glauben kann, dass du wirklich hier bist", flüsterte ich Albert zu und schob mich sofort in seine starken Arme. "Ich wünschte, dieser Morgen könnte ewig dauern." Glücklich seufzte ich und auch Albert tat es mir gleich. "Ich weiß nicht, ob ich vollkommen wahnsinnig bin, mich hier mit dir zu treffen, oder ob es die weiseste Entscheidung meines Lebens ist, Oxana. Aber seitdem ich dich kenne, sehe ich die Welt durch ganz andere Augen. Du hast mich verzaubert mit deinem Charme."


Und er hatte mich verzaubert. Als er mich zurück auf das Bett sinken ließ und sich über mich beugte, konnte ich es kaum erwarten, ihn noch einmal zu lieben. Mir war klar, dass wir niemals ein Paar werden würden. Oder zumindest hätte es mir klar sein müssen. Aber es war mir auch vollkommen egal. Solange er bei mir war, war ich glücklich. Ich wollte einfach nur diesen Moment genießen und nicht an morgen denken.


"Lass uns einfach den ganzen Tag im Bett bleiben", schlug ich vor, nachdem wir uns wieder erholt hatten. "Wen interessiert schon so ein Seminar über Rinderzucht?" "Nichts lieber als das", antwortete Albert lachend. "Nur halte ich dieses Seminar. Ich glaube es würde auffallen, wenn ich fehle." Nachdem er gegangen war, sprang ich unter die Dusche und schon jetzt vermisste ich ihn. Wir sahen uns so selten. Vielleicht alle zwei Monate, wenn wir Glück hatten öfter und das erst seit etwa einem Jahr. Aber wir nutzten jede Gelegenheit, um uns zu sehen, jede Viehauktion, jeden Lehrgang, jedes Seminar. Und dieses Seminar würde noch zwei wundervolle Tage dauern.


Doch die Tage vergingen viel zu schnell. An unserem letzten Abend saßen wir im Schnellrestaurant des Motels und genossen unsere letzten Minuten zu zweit. Albert schien besonders bedrückt zu sein. Aber ich verstand das nur zu gut, denn bald würden wir wieder für eine unbestimmte Zeit getrennt sein. Er nahm meine Hand und streichelte sie. "Oxana", blickte er mich fragend an, "was würdest du davon halten, wenn…", er stockte, "...wenn ich Gerda verlasse?"


Ich sah in erstaunt an. Darüber hatten wir noch nie miteinander gesprochen. Ich hätte nicht einmal in Erwägung gezogen, dass er Gerda verlassen könnte. Und trotzdem war ich tief im Inneren überglücklick. Und Albert sah mir das deutlich an. "Oxana, du bist die einzige Frau für mich. Es hätte keinen Sinn mehr, weiterhin bei Gerda zu bleiben und etwas vorzugaukeln. Ich liebe nur dich." Jetzt strahlte ich über das ganze Gesicht. "Und du bist dir wirklich ganz sicher?" Diese Frage musste ich stellen, denn wenn er auch nur den kleinsten Zweifel hegte, dann würde ich es nicht zulassen. Doch er hatte keinen Zweifel. "Ich werde mit Gerda sprechen, sobald ich wieder in Sierra Simlone Stadt bin. Es hat keinen Sinn, es noch länger hinauszuzögern." "Und ich werde mit Dominik reden. Dann hat dieses Versteckspiel endlich ein Ende."

 

 


Ich blieb noch einige Tage länger in Ganado Alegro. Einerseits hatte ich noch einige Dinge, welche die Farm betrafen, zu erledigen. Andererseits brauchte ich etwas Zeit, um richtig zu begreifen, was Albert da vorgeschlagen hatte. Endlich hatten wir beide eine Chance zusammen glücklich zu werden. Ich wusste, dass es für Gerda und Alberts Kinder, aber auch für Kinga und Dominik schwer werden würde. Aber sie würden es überstehen, so wie ich es überstanden hatte, so viele Jahre getrennt von Albert zu leben. Als ich Zuhause ankam, sah ich Kinga und Constance vor dem Haus spielen. Als Kinga mich sah, stürmte sie sofort auf mich zu und sprang mir um den Hals. "Wo ist Papa?", fragte ich, nachdem ich sie mit einem Kuss auf die Stirn begrüßt hatte. "Er ist hinter dem Haus und er hat dich gaaanz doll vermisst."


Wie Kinga gesagt hatte war Dominik hinterm Haus und trainierte. Er hatte sich vor einiger Zeit dieses Laufband gekauft und überraschenderweise benutze er es auch regelmäßig. Für seine Arbeit als Wachmann war es hilfreich, einen durchtrainierten Körper zu besitzen. Aber Dominik legte ohnehin großen Wert auf seinen Körper und sein Aussehen im Allgemeinen. Als er mich kommen sah, drückte er sich sofort vom Laufband ab, um es anzuhalten und zu mir zu kommen.


Noch bevor ich etwas sagen konnte. Zog er mich an seinen schweißnassen Körper und küsste mich. "Da bist du ja endlich wieder, Brodlowska. Ich hoffe, du hast deinen wundervollen Mann genauso vermisst, wie ich dich vermisst habe." Warum machte er es mir bloß so schwer? Konnte er nicht fies und gemein sein, so wie er sich zum Beispiel Roland gegenüber verhielt? Dann könnte ich ihm viel leichter das sagen, was ich ihm sagen musste.


Ich wusste, dass dieser Moment und dieser Ort nicht unbedingt die geeignetsten waren, um Dominik mitzuteilen, dass ich ihn verlassen würde. Aber gab es dafür überhaupt einen passenden Moment? Ich wollte es einfach nur so schnell wie möglich hinter mich bringen. Auf der Fahr von Ganado Alegro hatte ich mir eine wunderbare Rede überlegt, doch jetzt war mein Kopf wie leergefegt. "Dominik, ich hatte bei dem Seminar Gelegenheit, über einige Dinge nachzudenken", begann ich zu stottern. "Über uns beide nachzudenken. Und manchmal, da passiert es einfach, dass die Gefühle, von denen man glaubte, dass sie für immer seinen, sich plötzlich ändern. Und dann ist es notwendig, dass man sich selbst verändert."


Oh, Gott, was für einen Blödsinn gab ich denn da von mir? An Dominiks Gesichtsausdruck konnte ich erkennen, dass er nicht im geringsten Begriff, wovon ich da überhaupt sprach. Also musste ich es einfach geradeheraus sagen. "Dominik, ich werde mich von dir tr..." Plötzlich kam Kinga mit dem Telefon in der Hand aus dem Haus gelaufen. "Mama, Mama, komm bitte schnell. Hier ist eine Miranda Kappe am Telefon und sie hört gar nicht auf zu weinen. Komm schnell!"

 

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kor. 15.08.2010