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Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. "Wag es nicht, so über Letizia zu sprechen!", schrie er Dominik an. "Du eingebildeter Schnösel hast doch überhaupt keine Ahnung! Du kennst sie nicht einmal und beleidigst sie. Und selbst vor diesem kleinen unschuldigen Kind machst du keinen Halt. Ich verstehe nicht, was Oxana in dir sieht. Wahrscheinlich gar nichts! Du bist einfach nur ein arrogantes, oberflächliches Arschloch, das seinen Schwanz nicht lang genug in der Hose behalten konnte und jetzt ist Oxana mit dir gestraft. Du widerst mich an!"


Dass Dominik das nicht auf sich sitzen ließ, verstand sich von selbst. Schlagartig verstummte sein Lachen. "Endlich zeigst du dein wahres Gesicht, Reichardt. Ich hab seit dem ersten Tag nicht verstanden, was Oxana in DIR sieht! Du bist eine verweichlichte Memme, die uns ständig am Rockzipfel hängt. Und wenn du es nicht mal schaffst eine kleine, im Spaß gemeinte Stichelei zu ertragen, dann hast du noch weniger Grips in der Birne, als ich gedacht hatte. Leg dich nicht mit mir an Reichardt. Ich warne dich, leg dich nicht mit mir an!"


Dominiks Hände ballten sich zu Fäusten und voller Panik sah ich, dass es Roland genauso erging. Jede Sekunde würden die beiden aufeinander losgehen. Ohne nachzudenken stellte ich mich zwischen sie und versuchte die Streithähne zu trennen, indem ich Dominik wegdrängte. "Dominik, bitte beruhig dich wieder", redete ich auf ihn ein und langsam entspannte er sich und wendete seinen Blick von Roland ab, der ihm immer noch trotzig gegenüberstand. Als sein zorniger Blick meinen traf, zuckte ich innerlich zusammen, so sehr erschreckte es mich. Denn in diesem Moment war es so, als ob Dad vor mir stehen würde. "Dominik, lass es jetzt gut sein, bitte", flehte ich weiter bis er schließlich kaum merkbar nickte.


Ich legte meinen Arm um Dominik und führte ihn aus dem Wohnzimmer. Es war wohl das Beste, so viel Abstand zwischen die beiden zu bringen, wie es ging. Wir hatten den Raum fast schon verlassen, als ein leises "Arschloch" aus Rolands Richtung zu hören war. Ich könnte spüren, wie Dominiks ganzer Körper sich versteifte. Er löste sich von mir und ich hatte einfach zu viel Angst vor seiner Reaktion um ihn aufzuhalten. Doch die anfängliche Wut war einem kalten Zorn gewichen. "Vergiss nicht, unter wessen Dach du lebst, Reichardt", drohte er ihm. Von Roland kam keine Reaktion.


Daraufhin ließ Dominik sich ohne weiteren Widerstand ins Schlafzimmer führen. Roland blieb allein im Wohnzimmer und vor Wut begannen sich seine Augen mit Tränen zu füllen. Dann fiel im Constance wieder ein. Er dreht sich um und entdeckte die Kleine an genau der gleichen Stelle, an der sie zu Anfang des Streits gesessen hatte. Sie war noch immer in das Spiel mit der Puppe vertieft. Roland konnte nicht sagen, ob sie irgendetwas von dem Streit mitbekommen hatte, wobei er kaum glaubte, dass sie es nicht hatte. Wahrscheinlich hatte die Kleine früh gelernt, sich bei genau solchen Situationen in ihre eigene Welt zurückzuziehen. Aber was bleibt einem Kind auch übrig, wenn es im Bordell aufwuchst. Doch jetzt würde sich alles ändern. Er wischte sich die Tränen aus den Augen. Dominik war egal, jetzt zählte nur noch seine Tochter.

 

 


Den Rest des Tages sprach Dominik kein Wort mehr. Er setzte sich einfach stumm vor den PC und schrieb an irgendwelchen Berichten für die Arbeit. Erst spät in der Nacht bemerkte ich, wie er zu mir ins Bett kam und er schlief lange Zeit nicht ein. Doch am nächsten Morgen fing er mich ab, noch bevor ich ins Badezimmer konnte, um mich für den Tag fertig zu machen. Sanft nahm er meine Hände. "Ich wollte mich für gestern entschuldigen. Ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Ich hab gemerkt, wie erschrocken du warst, mich so zu sehen und das tut mir leid, Brodlowska. Ich wollte dir keine Angst machen". Ich wusste, dass er es ernst meinte. "Du solltest dich auch bei Roland entschuldigen", fügte ich leicht unsicher hinzu, da ich befürchtete, damit unsere Versöhnung wieder zunichte zu machen. Doch Dominik nickte zustimmend.


Plötzlich hörten wir ein Geräusch, das immer lauter zu werden schien. Schließlich war es so laut, dass Dominik und ich uns kaum noch verstehen konnten. Verwirrt traten wir in die Wüste hinaus und entdeckten Tristan, der mit einem Aktenkoffer bewaffnet am Straßenrand stand und sich mit einer Hand das Ohr zudrückte. Mit zugehaltenen Ohren gingen wir eilig auf ihn zu und ein Blick in den Himmel offenbarte uns den Grund für diesen ohrendbetäubenden Lärm. Ein Helikopter war gerade dabei vor unserem Haus zu landen!


Tristan blickte uns hilflos an. "Als die von der Ölfirma sagten, dass ich mit dem Hubschrauber nach SimVegas geflogen werde, habe ich eigentlich angenommen, dass ich vom Firmensitz abgeholt werde. Ich hatte ja keine Ahnung, dass die direkt vor der Haustür landen". Er musste schreien, damit wir auch nur ansatzweise verstanden, was er sagen wollte. "Ich bin dann in zwei Tagen wieder zurück", brüllte er zum Abschied und stieg in das Lärm erzeugende Ungetüm. Kaum war die Tür eingerastet, hob der Helikopter auch schon langsam vom Boden ab.


Der Wind der von den Rotoren erzeugt wurde, wirbelte den ganzen Sand und Staub auf, sodass ich kaum noch atmen konnte. Doch das Fluggerät gewann schnell an Höhe. Ein wenig beneidete ich Tristan, denn aus dem Hubschrauber musste man eine tolle Aussicht über unser Haus und Sierra Simlone Stadt gehabt haben. Vielleicht konnte er ja demnächst einen Rundflug für uns organisieren?


Doch kaum war der Lärm des Hubschraubers verflogen, erwartete uns der Nächste. Kinga und Constance waren beide von den Geräuschen des Helikopters wach geworden und verständlicherweise verschreckt. Schließlich erlebte man so etwas nicht alle Tage. Dominik nahm Kinga in den Arm, was die Kleine auch sofort beruhigte. Aber so war es immer. Sie musste Dominik nur sehen und schon strahlte sie über das ganze Gesicht.


Ich kümmerte mich derweil um Constance. Roland war früh am Morgen schon losgefahren, um die benötigten Sachen für seine unerwartete Tochter zu besorgen. Doch Constance ließ sich nicht so leicht beruhigen wie Kinga. Sie schrie wie am Spieß und als ich an ihr Bettchen trat, wich sie verängstigt zurück. Ich fühlte mich ratlos.


Doch als ich sie schließlich im Arm hatte, beruhigte sie sich ein wenig. Ein Blick auf die Windel verriet mir dann auch, dass diese dringend gewechselt werden musste. Doch auch diese Prozedur gefiel Constance überhaupt nicht. Während ich sie sauber machte und puderte sah sich mich an, als ob ich ihr das schlimmste Leid auf der Welt zufügen würde. Aber immerhin weinte sie nicht mehr.


Erst als Roland von seinem Einkauf zurückkehrte, schien Constanze sich zu entspannen. Es war fast so, als ob sie spüren könnte, dass dieser Mann mehr war, als nur noch ein weiterer Fremder. Auch ihm gegenüber verhielt sie sich zurückhaltend, aber in Gegenwart von Roland schien sie sich sicher zu fühlen. Als ich sie in seine Arme legte, wirkten ihre kleinen roten Augen plötzlich nicht mehr ganz so verängstigt und traurig.

 

 


Als die Sonne hinter dem staubigen Horizont verschwand, schloss auch Constance ihre müden Äugelein. Ebenfalls erschöpft schlürfte Roland zur Sitzecke und ließ sich seufzend in einen der bequemen Sessel fallen. Ich ließ den Abwasch einfach liegen und gesellte mich zu ihm. Ich hatte das Gefühl, dass er jetzt jemanden zum Reden brauchte. "Ich kann das noch immer nicht richtig begreifen", begann er nach einem kurzen Moment der Stille. "Bis gestern wusste ich noch nichts von meiner Tochter und jetzt schläft sie schon im Zimmer nebenan. Warum hat Letizia bloß nichts gesagt?" Er sah mich fragend an. Ich holte Luft, um zu einer Antwort anzusetzen, aber mir fiel einfach nichts Passendes ein. Denn ich hatte selbst keine Ahnung, warum sie Roland nichts von ihrem gemeinsamen Kind gesagt hatte. Sie wird ihre Gründe gehabt haben. Gerade ich wusste, dass es manchmal einfach nötig war, solche Dinge für sich zu behalten. Doch diese Einsicht hätte Roland nicht weiter geholfen und ich glaubte kaum, dass er es verstehen würde.


"Du darfst dir keine Vorwürfe machen, Roland. Letizia hat sich für den Weg entschieden, der ihr der Richtige erschien. Du kannst nicht ändern, was passiert ist. Was zählt ist, dass du jetzt für deine Tochter da bist. Und das wirst du, das weiß ich. Du...du warst immer für mich da, wenn ich dich gebraucht habe. Und wenn du auf eine wandelnde Katastrophe wie mich aufpassen kannst, dann wirst du die Erziehung von Constance mit Links schaffen." Roland begann zu lächeln. Und zum ersten Mal an diesem Tag war sein Lächeln nicht von tiefem Kummer getrübt. "Und du bist nicht allein, Roland. Tristan, ich und auch Dominik werden dich immer unterstützen, das weißt du doch."


"Was Dominik angeht, bin ich mir nicht so sicher". Sein Gesichtsausdruck verfinsterte sich schlagartig wieder. "Dein Mann hat ja heute Morgen sehr deutlich gemacht, was er von mir hält", schnaubte Roland verächtlich. Er wendete seinen Blick von mir ab und starte wütend ins Leere. "Er ist nicht mein Mann", erwiderte ich hastig. "Und was er heute Morgen gesagt, hat, hätte er wirklich nicht sagen dürfen. Dafür entschuldige ich mich bei dir. Aber du kennst ihn doch. Er zieht die Leute gerne auf, dass darfst du nicht so ernst nehmen."


"Hey, Oxana, zerbrech dir darüber nicht den Kopf". Ich muss ihn so flehend angeblickt haben, dass Roland nicht anders könnte als meine Entschuldigung anzunehmen und mich fest zu drücken. Erst jetzt merkte ich, dass meine Augen wirklich ganz feucht waren. Der Streit zwischen Dominik und Roland hatte mich doch stärker getroffen, als ich gedacht hatte. Und jetzt musste Roland mich trösten. Dabei war er doch derjenige, der jetzt wirklich Unterstützung brauchte. "Ich weiß doch, dass ich immer auf dich und Tristan zählen kann. Und Dominik...Kinder scheint er ja zu mögen, also wird das auch irgendwie gehen. Und außerdem habe ich ja noch Brandi. Mit ihr an meiner Seite mache ich mir keine Sorgen."

 

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kor. 08.08.2010