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Doch bevor sein schlechtes Gewissen ihn zu sehr plagen kann, lockt
der unerkenntliche Duft des Essens seiner Mutter Darek und seinen
Vater in die Küche. Es schmeckt, keine Frage, doch Darek
ist nach Warschau gekommen, um seinen Eltern etwas mitzuteilen.
"Mama, Tata, ich werde mich von Arek scheiden
lassen", verkündet er schließlich geradeheraus,
da es für so eine Nachricht ohnehin nie den richtigen Moment
gibt. "Es ist bereits alles in die Wege geleitet."
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Sowohl Piotr, als auch Stanislawa hören mit dem Essen auf
und starren hilflos in ihre Schüsseln. Was soll man in solch
einer Situation auch sagen? Schließlich bricht Stasi das
beklemmende Schweigen. "Ich hab dir doch gleich gesagt, dass
du die Kleine Magda heiraten sollst. Ihr habt auch als Kinder
doch immer so gut verstanden. Und sie ist doch noch immer nicht
verheiratet, nicht wahr Piotr?" Sie schaut ihren Mann mit
einem hilfesuchenden Blick an. "Sei doch einfach nur still,
Stasia!", ist jedoch seine einzige Reaktion.
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Bevor die Situation für alle noch unangenehmer wird, steht
Darek schnell auf. "Ich leg mich ein wenig aufs Ohr, der
Flug hat mich ganz schön erschöpft", sagt er und
verlässt so schnell wie möglich die Küche. Bereits
im Flur kann er hören, wie seine Eltern mit gedämpfter
Stimme zu streiten beginnen und er ist sich sehr sicher, dass
es dabei um ihn geht.
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Darek legt sich tatsächlich hin und schläft ein paar
Stunden. Der Flug hat ihn müde gemacht und außerdem
quälen ihn wieder Schmerzen in der Magengegend. Doch als
er am Abend aufwacht, geht es ihm wieder deutlich besser. Sein
Vater sitzt vor dem Fernseher und sieht sich gerade die Abendnachrichten
an. "Kann ich mit dir über etwas reden, Tato?",
fragt er vorsichtig, immer noch die Situation vom Mittagessen
im Hinterkopf.
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"Aber sicher doch, Junge. Setz dich hin." Piotr schaltet
den Fernseher aus und widmet seine ganze Aufmerksamkeit Darek.
"Es, es geht um meine Ehe mit Arek", beginnt er zögerlich
zu erzählen. "Hältst du es für richtig, dass
ich mich von ihm trenne? Schließlich haben wir ein Gelübde
abgelegt, vor Gott. Ich hab geschworen ihn zu lieben und zu ihm
zu halten, in guten, wie in schlechten Zeiten. Und jetzt durchleben
wir die schlechten Zeiten, sehr schlechte Zeiten. Aber hab ich
das Recht ihn zu verlassen, nur weil unsere Ehe nicht einfach
ist?" Darek sieht seinen Vater wie ein kleiner Junge an,
der von der Allwissenheit seiner Eltern überzeugt ist.
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Sein Vater schweigt eine Weile und lässt sich Dareks Worte
genau durch den Kopf gehen. "Darek, was ich dir jetzt sage,
soll nicht böse klingen, es ist einfach meine Meinung. Säße
jetzt deine Schwester Kasia vor mir und würde mir dieselbe
Frage stellen, ob sie ihren Mann verlassen soll, dann gäbe
es nur eine Antwort für mich. Nein, sie sollte um ihre Ehe
kämpfen, denn sie hat ein Gelübde vor Gott abgelegt."
"Das haben Arek und ich auch", wirft Darek ein, doch
sein Vater lässt diesen Einwand nicht zu. "Hat euch
ein katholischer Priester getraut?", fragt er Darek im scharfen
Tonfall. Darek kann nur resigniert den Kopf schütteln und
Piotr fährt fort. "Dann hat diese ganze Sache nichts
mit Gott zu tun. Es ist allein deine Entscheidung. Und nachdem,
was Oxana uns alles erzählt hat", fügt er nach
einer kurzen Pause hinzu, "solltest du nicht viel zu überlegen
haben."
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Das war eine sehr deutliche Antwort gewesen, die sein Vater
ihm gegeben hat. Darek geht raus auf den Balkon und atmet die
kühle Nachtluft ein. Es hat sich doch einiges in der Stadt
getan, wird ihm deutlich, als er die herrliche Skyline sieht,
die erst in der Dunkelheit so richtig zur Geltung kommt. Der
"Palast der Wissenschaft und Kultur" ragt wie zu seinen
Kindertagen in den Nachthimmel, aber es sind viele, viel neue
Wolkenkratzer hinzugekommen. "Nichts ist für die Ewigkeit",
seufzt er leise und geht zurück in die Wohnung.
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Es wird spät in der Bar, sehr spät. Als ich aus dem
Taxi steige, ist es bereits im ganzen Haus dunkel und deshalb
schleiche ich mich so leise wie möglich in mein Schlafzimmer.
Mein Schlafzimmer, da fängt es doch schon an. Ich sollte
oben bei Darek schlafen, bei meinem Mann. Aber SIE hat ja alles
kaputt gemacht. Wäre SIE nicht gewesen, dann wären Darek
und ich immer noch glücklich. Und mit diesem Gedanken falle
ich in einen tiefen traumlosen Schlaf.
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Etliche Stunden später weckt mich ein Geräusch. Doch
als ich meine Augen aufschlage, ist es verschwunden. Aber dann
wieder das Geräusch. Jetzt erst erkenne ich, dass es sich
um ein Klopfen an der Schlafzimmertür handelt. Noch bevor
ich darauf reagieren kann, öffnet sich die Tür und Joanna
tritt herein. "Dad, ist alles in Ordnung mit dir?",
fragt sie beunruhigtem Unterton in der Stimme. "Es ist schon
fast drei Uhr nachmittags."
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Mit meinen Händen massiere ich kurz mein Gesicht und fahre
mir danach durchs Haar, bevor ich mich langsam aufrichte. Mein
Kopf dröhnt ordentlich und ich fühle mich in diesem
Moment alles andere als gut. "Es ist alles in Ordnung",
behaupte ich dennoch. "Ich hab gestern nur etwas viel getrunken."
Für einen kurzen Moment huscht ein Schatten über ihr
Gesicht, doch dann spricht Joanna weiter. "Paps ist nicht
mehr da. Er ist noch gestern Mittag weggefahren."
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"Was, er ist einfach gegangen?!", schrei ich sie plötzlich
an. "Hielt er es nicht einmal für nötig, sich zu
verabschieden?!" Ich werde immer lauter und immer wütender.
"Wir waren 19 Jahre miteinander verheiratet und er haut einfach
so ab! Und ich Idiot hab unserer gemeinsamen Zeit auch noch hinterher
getrauert." Joanna schaut mich entsetzt an und versucht verzweifelt
etwas zu erwidern, doch in meiner Rage lasse ich sie nicht zu
Wort kommen.
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Schließlich schafft sie es aber doch. "Dad, Dad bitte
beruhig dich doch". Erst jetzt bemerke ich, dass sie den
Tränen nahe ist und dieser Anblick beruhigt mich tatsächlich.
"Er kommt doch wieder", schluchzt sie. "Er ist
nur zu seinen Eltern nach Warschau gefahren."
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"Oh." Mehr bringe ich in dieser Situation nicht hervor.
Erst jetzt wird mir bewusst, wie ich sie angeschrien habe. Tröstend
nehme ich sie in den Arm und drücke sie fest an mich. "Es
tut mir Leid, Kleines. Es ist nur..." "Du brauchst
mir nichts zu erklären, Dad", unterbricht sie mich
schniefend. "Es ist wieder alles in Ordnung."
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Dareks Schwester Kasia wohnt nur einige Plattenbauten weiter entfernt.
Sein Schwager lässt ihn in die Wohnung, da Kasia noch auf
der Arbeit ist und als sie kurz darauf die Wohnung betritt, ist
sie nicht wenig überrascht. "Hi, Schwesterherz",
grinst er sie an. "Darek, was machst du denn hier? Ich hatte
ja keine Ahnung, dass du in Warschau bist. Lass dich drücken."
Nach einer herzlichen Umarmung mustert sie ihn gründlich.
"Du siehst irgendwie nicht gut aus." Stellt sie schließlich
fest. "Fehl dir Irgendetwas?"
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Darek stöhnt auf. "Warum fragt mich das bloß jeder?"
Eigentlich hat Darek keine Antwort auf diese Frage erwartet, aber
Kasia liefert sie ihm. "Weil es stimmt, Darek. Du siehst
wirklich nicht gut aus." Darek atmet tief durch. "Ich
fühle mich tatsächlich nicht sehr wohl. Die letzte Zeit
war etwas stressig." Er erklärt seiner Schwester, was
in den letzten Wochen alles vorgefallen ist, bis hin zur Scheidung
und seiner Ankunft in Warschau. "Die ganze Sache mit Arek
hat mir im wahrsten Sinne des Wortes auf den Magen geschlagen.
Aber das wird schon wieder."
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Die beiden gehen rüber in das Wohnzimmer und Kasia stellt
ein paar Gläser und Kekse bereit, an denen Darek lustlos
herum knabbert. "Wie...wie geht es Oxana?", fragt er
sie schließlich. "Ich schätze, dir wird sie sich
eher anvertraut haben, als unseren Eltern." Kasia hat mit
dieser Frage schon die ganze Zeit gerechnet. "Was glaubst
du wohl, wie es ihr geht?", antwortet sie vorwurfsvoll. "Du
hast ihr sehr weh getan."
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"Ich weiß", seufzt Darek leise. "Und ich
schäme mich so dafür. Aber ich konnte nicht anders.
In dieser Situation könnte ich einfach nicht anders handeln."
Er schaut seiner Schwester flehend in die Augen. "Aber jetzt
hat sich alles geändert. Ich habe sie wegen Arek weggeschickt
und jetzt...jetzt verlasse ich ihn. Wie soll ich ihr jetzt jemals
wieder unter die Augen treten?" Beschämt wendet er sich
von Kasia ab.
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Doch Kasia macht Darek keinen Vorwurf. "Das war wirklich
keine deiner Glanzleistungen, Brüderchen. Wirklich nicht",
seufzt sie und streicht mitfühlend über seine Schulter.
"Wird sie mir verzeihen?", fragt Darek vorsichtig, "Irgendwann?"
"Das wird sie", antwortet Kasia. "Aber lass ihr
Zeit damit. Die braucht sie."
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Beide setzen sich auf die Couch und schweigen eine Weile. "Ich
wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen",
meint Darek schließlich. "Früher war alles so
viel einfacher. Um 20 Jahre zurückdrehen, nein 21",
verbessert er sich. Kasia sieht ihn überrascht an. "Aber,
da saßt du doch gerade im Gefängnis." Darek nickt
mit dem Kopf. "Ja. Und es war die glücklichste Zeit
in meinem Leben."
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