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Die nächsten Tage tat ich so, als ob nichts geschehen wäre.
Ich ging zur Arbeit, aß, schlief und kümmerte mich
um den Garten. Ich wollte mit niemandem reden. Und selbst wenn,
wem hätte ich mich anvertrauen sollen?
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Plötzlich wurde ich von hinten unsanft geschubst. Ich strauchelte
nach vorne und ließ die Gießkanne dabei fallen. Als
ich mich erschrocken umdrehte, stand ein etwa 13 jähriges
Mädchen vor mir, das mich böse musterte. "Lass
gefälligst deine Finger von meinem Vater, du Schlampe",
schrie sich mich an.
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Ich war entsetzt. Ich wusste nicht, wie ich reagieren sollte.
Wer war dieses Mädchen überhaupt? Und wer war ihr Vater?
Etwa Kasimir? Wenn dem so war, dann bräuchte sie sich keine
Sorgen zu machen. Mit diesem Mann würde ich mich nie wieder
einlassen.
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"Ich hab euch beide genau beobachte", schrie sie weiter.
"Ich habe gesehen, wie ihr euch in der Stadt getroffen habt.
Ihr ward zusammen Essen und du hast meinem Vater die ganze Zeit
über schöne Augen gemacht. Aber ich werde nicht zulassen,
dass du die Ehe meiner Eltern ruinierst. Nicht du dreckiges Großstadtflittchen!"
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"Aber ich weiß noch nicht einmal, wer dein Vater ist",
stammelte ich, doch die Kleine ließ sich davon nicht beirren.
"Ich bitte dich, jetzt gib es doch wenigstens zu. Jeder in
der Stadt hat euch gesehen. Du konntest gar nicht genug von meinem
Vater kriegen. Und erzähl mir jetzt nicht, dass du dich aus
reiner Neugier mit einem Farmer aus einem kleinen Kaff wie Sierra
Simlone Stadt unterhältst. Dieses hurenhafte Getue durchschaut
mein Vater vielleicht nicht, aber mich kannst du nicht verarschen!"
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"Sie meint Albert", schoss es mir durch den Kopf. "Das
muss seine Tochter sein!". Aber wie konnte sie glauben, dass
ich etwas von ihrem Vater wollte? Doch sie hörte nicht auf
damit, mich zu beschimpfen und ihre Beleidigungen wurden immer
schlimmer. Und schließlich reichte es mir. "Halt dein
vorlautes Mundwerk und verschwinde von meinem Grundstück!",
schrie ich sie an und die Kleine zuckte sichtlich zusammen. "Sofort!"
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Ich hoffte, dass ich diesen kleinen Giftzwerg nicht wieder sehen
musste.
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Was war bloß los? Erst fällt Roland mich grundlos an,
dann entpuppt sich Kasimir als das Arsch, das Roland mir beschrieben
hatte und nun fiel auch noch die Tochter von Albert und Gerda
über mich her und warf mir eine Affäre mit ihrem Vater
vor. Gerade mir! Ich hatte doch am eigenen Leib erfahren, wie
es ist, wenn ein Elternteil den anderen betrügt. Wie könnte
ich da eine Affäre mit einem verheirateten Mann eingehen?
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Ich brauchte jemanden, bei dem ich mich ausweinen konnte. Und
ich wollte, dass dieser jemand Roland war. Ich wollte mich bei
ihm entschuldigen, ihn um Verzeihung bitten, aber als ich seinen
bösen Blick sah, wusste ich, dass eine Entschuldigung nichts
bringen würde.
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"Geh mir einfach aus dem Weg", zischte er mich an und
verschwand gleich wieder in seinem Zimmer, aus dem er gerade erst
herausgekommen war. Ich schlug die Hände über meinem
Gesicht zusammen und begann zu schluchzen. Wieso war er nur so
böse auch mich?
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Ich musste mit jemandem sprechen. Ich musste jemandem erzählen,
was passiert war. Mit Roland, mit Kasimir, mit der kleinen Kappe.
Aber Benny reagierte nicht auf meine Anrufe und mit Gerda konnte
ich darüber nicht sprechen. Also rief ich Tristan an.
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Er war überrascht von meinem Anruf. Bis zu diesem Zeitpunkt
hatten wir nur über Roland etwas miteinander zu tun gehabt.
Aber Tristan kannte Roland besser als jeder andere, wahrscheinlich
sogar besser als ich ihn kannte und deshalb war er der richtige
Ansprechpartner für mich.
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Roland machte ganz schön große Augen, als ich ihm erzählte,
was sich vorletzte Nacht auf dem Golfplatz abgespielt hat. "Ich
habe gehört, was für ein Typ dieser Kasimir sein soll,
aber das hätte ich nicht erwartet. Geht es dir wirklich gut?",
fragte er besorgt. Es tat gut, sich endlich alles von der Seele
zu reden. Das hätte ich schon früher gebraucht.
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"Die Sache mit Kasimir überstehe ich schon. Zum Glück
ist ja nichts passiert. Das hätte aber auch anders ausgehen
können". Für einen Moment wurde ich sehr nachdenklich,
doch dieser verflog schnell wieder. Es war ja noch mal alles gut
gegangen. Der Streit mit Roland belastete mich dagegen viel mehr.
"Ich kann nicht verstehen, warum Roland so wütend auf
mich ist. Kasimir mag ein Schwein sein und nicht nur mich, sondern
auch ihn schlecht behandelt haben. Aber warum ist er dann böse
auf mich?"
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Es irritierte mich, dass Tristan plötzlich grinsen musste.
"Roland ist nicht wirklich sauer auf dich, er ist vielmehr
enttäuscht", begann er zu erklären. "Hast
du es denn nicht bemerkt?", fragte er, als er meinen verwirrten
Blick bemerkte. "Hast du nicht bemerkt, wie er über
dich spricht? Hast du seine Blicke nicht bemerkt? Ich wünschte,
er würde mich so ansehen, aber er schaut nur dich so an,
Oxana. Er liebt dich."
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Diese Worte trafen mich wie der Blitz. Roland liebte mich? War
ich wirklich so blind gewesen und habe es all die Monate nicht
bemerkt. "Es stimmt Oxana, glaub mir ruhig", bekräftigte
Tristan. "Er liebt dich und kann es deshalb nicht ertragen,
dass du mit einem anderen Mann zusammen bist. Das war schon so,
als du mit Benny anbandeltest, aber Kasimir, war einfach zu viel
für ihn."
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Diese Nachricht musste ich erst einmal verdauen. Ich hatte es
wirklich nicht bemerkt, aber es würde Rolands Verhalten erklären.
"Rede mit ihm, Oxana. Sag ihm, was du fühlst oder auch
nicht fühlst. Mit der Zeit wird sich dann alles wieder einrenken."
Ich hoffte, dass Tristan Recht behalten würde. Ich hoffte
es wirklich sehr.
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