1 2 3 4 5

 


Benny verließ gerade wieder die Toilette, als ein Typ sich vor in drängte. "Ach nee, wen haben wir denn hier?", fragte er hämisch. "Benjamin unser Dorfpinocchio! Du solltest zurück in den Kuhstahl verschwinden, aus dem du gekrochen bist und nicht so ein hübsches Ding wie die Kleine an der Bar da belästigen!"


Benjamin wollte etwas erwidern, aber Kasimirs finsterer Blick schüchterte ihn vollkommen ein. "Du wirst jetzt auf der Stell verschwinden, sonst....." Kasimir ließ die Drohung unausgesprochen, schlug aber seine geballte Faust in seine andere Handfläche. "Zisch ab, Kuhjunge, ab hier übernehme ich." Benjamin wollte nicht gehen, aber er kannte Kasimir gut genug um sich nicht mit ihm anzulegen und verließ mit gesenktem Kopf das Lokal.



Die Minuten verstrichen, aber von Benjamin war nichts zu sehen. "Wo bleibt er bloß?", fragte ich mich besorgt, als sich jemand auf den Platz neben mich setzte. "Tut mir leid, aber hier sitzt schon jemand", erklärte ich dem gutaussehenden Mann. "Ich weiß", entgegnete er, "Benjamin lässt sich entschuldigen. Ihm ging es nicht so gut und ich soll ihn jetzt vertreten."


Skeptisch schaute ich in die Richtung, in die Benny verschwunden war, aber von ihm war nichts zu sehen. "Ich heiße Kasimir", stellte der Typ sich vor, "Und du musst dann Oxana sein. Wie kommt es, dass eine Schönheit wie du mir bis jetzt nicht aufgefallen ist?". Ich wusste, dass das eine total plumpe Anmache war, aber meine Wangen röteten sich trotzdem und ich senkte verlegen meinen Blick. Kasimirs Charme konnte ich einfach nicht entfliehen.


Er bot mir noch einen weiteren Drink an, doch ich lehnte ab. Ohne Benny wollte ich auch nicht mehr im Club bleiben. Also verabschiedete ich mich flüchtig und ging die Treppe hinunter. Doch Kasimir folgte mir. "Willst du wirklich schon gehen?", fragte er mich in einem solchen Tonfall, dass ich erneut errötete. Was war bloß los mit mir? "Komm, bleib doch noch bei mir. Der Abend ist doch noch viel zu jung. Ich bitte dich."


Wie hätte ich da nein sagen können. Kasimir ließ uns zu einem Tisch bringen. "Bestell was immer du möchtest", bot er mir an. "Ich lade dich ein. Du sollst diesen Abend einfach nur genießen." Und das tat ich dann auch. Kasimir beobachtete angeregt, wie ich jeden Bissen meines Mandarinentörtchens sanft mit meinen Lippen umschloss und ein angenehmes Kribbeln breitete sich in mir aus bei dem Gedanken, von ihm beobachtet zu werden.


Dann führte er mich auf die Tanzfläche. Ja, Tanzen war jetzt gut. Das war mein Element und dann würde ich es endlich wieder schaffen, einen klareren Kopf zu bekommen. Doch gerade als ich loslegen wollte, ergriff Kasimir meine Hand und zog mich ganz nach zu sich heran.


Die Musik wurde langsamer und wir begannen uns im Kreis zu drehen. Kasimir schaute mir tief in die Augen und sein Blick wich nicht eine Sekunde von mir. Ich konnte spüren, wie seine Hände sanft meinen Rücken streichelten. Und dann rückte er sein Gesicht noch näher zu meinem und berührte mit seiner Nasenspitze zärtlich meine. Diese Berührung war einfach elektrisierend.


Ich konnte nicht anders, als meinen Kopf auf seine starken Schultern zu senken. Er roch so gut und in diesem Moment wollte ich ihn nie wieder los lassen. Und er hielt mich einfach fest und tanzte mit mir.


Es wurde spät. Kasimir begleitete mich zu meinem Haus. Er bestand darauf mich so spät nachts nicht mehr alleine gehen lassen. Und es war eine wundervolle Nacht. Die Sterne funkelten und der Mond war das einzige Licht auf dem Weg vom Stadtzentrum zu meinem grünen Haus. Ich genoss den Spaziergang mit ihm an meiner Seite.


Er folgte mir bis zur Veranda. Ich drehte mich zu ihm hin und verabschiedete mich. Kasimir wirkte plötzlich überrascht und enttäuscht. Als ich die Tür aufschloss wurde mir auch bewusst wieso. Er hat mich den ganzen Abend lang umworben und da will ich ihn einfach so nach Hause schicken. Als drehte ich mich noch einmal um und ging auf ihn zu. Und ich konnte den Glanz in seinen Augen sehen, als meine Lippen sich seinen nährten.


Ich konnte die Leidenschaft in seinem Kuss spüren und es fiel mir schwer, mich von ihm zu lösen. Doch ich tat es. "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder", flüsterte ich ihm zu, küsste ihn noch einmal flüchtig und verschwand im Haus. Durch das Fenster konnte ich beobachten, wie er noch einige Minuten mit verblüfftem Gesichtsausdruck vor meiner Tür verweilte.



Als ich am nächsten Tag aus dem Labor kam, erwartete mich ein wunderschöner Strauß roter Tulpen auf der Veranda. Die Blumen waren ganz sicher für mich, denn für Roland würden sie ja wohl kaum bestimmt sein.


Ich war absolut überrascht und super glücklich. Ich habe es noch nie erlebt, dass ein Mann mir Blumen nach einer Verabredung schenkte. Während einer Verabredung schon, aber noch nie danach. Ich roch an einer der Blüten und atmete den herrlichen Duft ein und mit dem Strauß in der Hand spazierte ich ins Haus. "Von wem sind den die Blumen?", fragte Roland, als er mich hereinkommen sah.


Das war die Frage, die auch mich interessierte. Aber eigentlich konnte ich mir denken, von wem sie waren. Ich stellte die Blumen auf den Küchentisch und suchte nach einer Karte, die ich auch gleich darauf fand. "Als Dankeschön für den gestrigen Abend. Kasimir", las ich laut vor und strahlte über das ganze Gesicht. Dieser Mann war einfach wunderbar.


"Kasimir? Was für ein Kasimir denn?", fragte Roland Stirn runzelnd. "Ich dachte, du wärst gestern mit Benny aus gewesen?". "War ich ja auch, aber Benny musste früh gehen und dann habe ich Kasimir kennengelernt", begann ich zu erzählen. "Er ist so ein toller Mann, dass kannst du dir kaum vorstellen." Ich war so froh, dass ich Roland endlich von meiner Bekanntschaft vorschwärmen konnte. Darauf hatte ich schon den ganzen Tag gewartet.


"Kasimir?!" Roland sah mich mit zusammengekniffenen Augen an. "Kasimir wer?". "T irgendetwas", antwortete ich, wobei ich etwas verwirrt über Rolands Reaktion war. "So ein kräftig gebauter Typ, etwa Mitte zwanzig", beschrieb ich ihn. "Markantes Gesicht, herrlich blaue Augen und längeres rotes Haar". "Doch nicht etwa Kasimir Tellermann?!", platzte es aus Roland heraus. "Oxana, wie konntest du dich bloß mit diesem Typen einlassen?!"


Ich wich erschrocken zurück, doch Roland ließ sich davon nicht zurückschrecken. "Dieser Typ ist doch das Allerletzte. Seit ich hier in Sierra Simlone Stadt bin, schubsen er und seine Kumpels mich herum. Ich hab ihm mehr als einen blauen Fleck zu verdanken. Und ausgerechnet mit ihm lässt du dich ein? Wie kannst du mir das bloß antun?!"


"Ich fass es einfach nicht, dass du auf diesen schmierigen Typen hereinfällst. Der gräbt doch alles an, was nicht bei drei auf den Bäumen ist. Er macht den Frauen schöne Augen, vergnügt sich mit ihnen und lässt sie dann fallen wie eine heiße Kartoffel. Willst du wirklich das nächste Flittchen auf seiner Liste sein?"


Das war jetzt aber zu viel. "Flittchen? Niemand nennt mich so, auch du nicht! Wenn du ein Problem mit Kasimir hast, dann ist das deine Sache. Und wie hätte ich ahnen können, dass er dir Schwierigkeiten macht? Hast du jemals mit mir darüber geredet? Hast Du? Nein, also mach mir jetzt auch keine Vorwürfe! Kasimir ist zu mir äußerst nett und zuvorkommend gewesen und ich lass nicht zu, dass du grundlos über ihn herziehst. Mich wird er nicht fallen lassen wie eine heiße Kartoffel!"

 

1 2 3 4 5

kor. 14.10.07, 31.10.10